Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern tagen noch bis Freitag am Bodensee. Bild: dpa / Lennart Preiss
watson antwortet
05.11.2021, 09:1305.11.2021, 11:52
Vor dem Hintergrund einer verschärften
Risikobewertung durch das Robert Koch-Institut setzen die
Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Freitag ihre Beratungen
über Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung fort. Am frühen Nachmittag
(13.00 Uhr) wollen sie in Lindau am Bodensee nach Möglichkeit
Beschlüsse verkünden.
Wie ist die Corona-Lage?
Für unvollständig oder nicht Geimpfte änderte das RKI die
Risikobewertung von "hoch" auf "sehr hoch", wie aus dem am
Donnerstagabend veröffentlichten Wochenbericht hervorgeht. "Für
vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat, aber aufgrund
der steigenden Infektionszahlen ansteigend eingeschätzt", hieß es.
Noch vor einer Woche war das Risiko für Geimpfte im Bericht als
"moderat" beschrieben worden. Das RKI betont aber auch, dass alle
hierzulande verfügbaren Impfstoffe "nach derzeitigem Erkenntnisstand
bei vollständiger Impfung wirksam vor einer schweren Erkrankung"
schützten.
Die aktuelle Entwicklung der Lage sei "sehr besorgniserregend",
schreibt das RKI. Wenn Maßnahmen wie Masken, Abstand, Verringern von
Kontakten und Lüften nicht rasch die Zahl der Ansteckungen senkten,
sei eine weitere Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle zu
befürchten. Auch könnten in diesem Fall laut Bericht die
Behandlungskapazitäten der Intensivstationen überschritten werden.
Wie geht es mit Alten- und Pflegeheimen weiter?
Die Gesundheitsminister sprechen in Lindau über eine Ausweitung der
Testpflicht in Pflegeheimen. Der geschäftsführende
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb in den ARD-"Tagesthemen"
für die Einführung einer "Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen per
Bundesgesetz". Es sei ihm unverständlich, dass Menschen, die mit
Kranken und Pflegebedürftigen arbeiten, wenn sie sich selbst nicht
impfen lassen, "diese ja auch unnötig ein Stück ins Risiko bringen",
sagte Spahn. Auch der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun
(CDU) sprach sich in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" dafür aus.
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, plädierte
in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag) zudem für eine
Impfpflicht bei Pflegekräften. "Es ist wichtig, die besonders
vulnerablen Personen auch besonders wirksam zu schützen", begründete
Sager seine Forderung. Der Chef der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, teilte im ZDF Unverständnis
über Kräfte, die in Heimen ungeimpft arbeiten. Gassen wies aber auch
auf den Personalmangel in der Pflege und die Gefahr hin, dass
Beschäftigte bei einer Impfpflicht nicht mehr zur Arbeit kommen.
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste
(bpa), Bernd Meurer, lehnte eine Impfpflicht im Gespräch mit dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag) ab. Die Diskussion lenke
vom Versäumnis ab, Auffrischungsimpfungen schnell und flächendeckend
umzusetzen. Auch Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen
Berufsverbandes für Pflegeberufe, wandte sich in den Funke-Zeitungen
gegen eine Impfpflicht.
Wie sieht es mit Auffrischungsimpfungen aus?
Rund 2,4 Millionen Menschen haben bisher eine solche
"Booster"-Impfung erhalten. Bei den Gesundheitsministern herrscht
Einigkeit über deren Sinn sechs Monate nach der Zweitimpfung. Der
Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten
Watzl, verspricht sich ebenfalls viel davon. "Die Menschen bekommen
sozusagen eine Art Superschutz und können das Coronavirus kaum noch
weitergeben", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag). "Wenn
das Virus auf so jemanden trifft, dann ist für den Erreger Endstation
und die Verbreitung wird unterbunden", fügte der Immunologe hinzu.
"Die geimpften Risikogruppen sind jetzt wieder gefährdet, da muss man
aufpassen", gab der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz zu bedenken.
Deshalb bräuchten Menschen über 70 Jahre jetzt dringend einen
"Booster", und auch für alle anderen sei eine solche Auffrischung
sinnvoll, sagte Schol der Deutschen Presse-Agentur "Das ist jetzt
wirklich höchste Eisenbahn", mahnte der Professor am Institut für
Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität
Leipzig.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, sagte der "Passauer Neuen
Presse" (Freitag): "Wer eine Booster-Impfung sechs Monate nach der
Zweitimpfung will, der sollte sie bekommen." Dittmar, von Beruf
Ärztin, rief ihre Berufskollegen zum Impfen auf. "Da verstehe ich
manche meiner Ärztekollegen nicht, wenn sie nicht impfen", sagte
Dittmar. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte in der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Freitag), die Krankenkassen mit ins Boot zu
holen, um Versicherte für Drittimpfungen anzuschreiben.
KBV-Chef Gassen sieht die Booster-Impfungen nicht als großes Problem.
Die Drittimpfungen werde man hinbekommen. Es bleibe aber die große
Gruppe Ungeimpfter. Diese Menschen würden sich bis zum Frühjahr mehr
oder weniger alle infizieren. "Das bleibt ein Riesenproblem", meinte
Gassen.
Droht ein neuer Lockdown?
Wohl kaum. Spahn betonte im TV-Sender RTL, der entscheidende
Unterschied zu 2020 sei, dass man jetzt das Instrument des Impfens
habe. Es sei auch wieder "ziemlich viel Alltag möglich". "Wichtig ist
nur, dass dies ein Alltag mit Vorsicht ist und auch bleibt", mahnte
Spahn. Mit 3G-Regeln für Geimpfte, Genesene und Getestete oder
2G-Regeln nur für Geimpfte und Genesene in Regionen mit hohen
Infektionen.
Spahn hatte allerdings bereits gründlichere Kontrollen von
Zugangsregeln insbesondere in der Gastronomie angemahnt. Der Deutsche
Hotel- und Gaststättenverband reagierte mit einer Mahnung an die
Betriebe, Vorgaben konsequent umzusetzen. "Ohne Wenn und Aber: Die
geltenden Corona-Schutzmaßnahmen sind von allen Betrieben
einzuhalten. Dazu gehört insbesondere die konsequente
Zugangskontrolle", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands,
Ingrid Hartges, der Deutschen Presse-Agentur.
Kommt finanzielle Hilfe für Krankenhäuser?
Auf der Agenda der Gesundheitsministerkonferenz steht auch die
finanzielle Unterstützung von Krankenhäusern. Sollten Kliniken zur
Versorgung von Corona-Patienten wieder Eingriffe verschieben müssen,
sei "eine gezielte finanzielle Ausgleichsregelung" nötig, hieß es in
einem Beschlussentwurf mehrerer Länder für die Konferenz, der der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Bundesgesundheitsministerium
solle deshalb Ausgleichszahlungen aus dem Gesundheitsfonds
ermöglichen. Zunächst hatte der "Business Insider" darüber berichtet.
(abd/dpa)