Es war ein bemerkenswerter Auftritt der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) während ihrer USA-Reise. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie auf die zweite Frage ihres Gegenübers wartete. Eigentlich sollte sie vom Journalisten Bret Baier interviewt werden. Doch der war plötzlich von der Bildfläche verschwunden.
Gerade hatte sie zur Unterstützung für die Ukraine aufgerufen. "Wenn Putin diesen Krieg gewinnen würde, was wäre das für ein Signal an andere Diktatoren auf der Welt, wie Xi", sagte sie auf Chinas Staatschef bezogen. Ein Satz, der auf Social Media anschließend kontrovers diskutiert wurde. "Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen. Freiheit und Demokratie müssen gewinnen."
Nach mehreren Sekunden Stille erschien dann Korrespondent Rich Edson. Das Interview ging weiter. Eigentlich dürfte Annalena Baerbock mit ihrem Auftritt zufrieden sein. Sechs aussagekräftige Minuten (wenn auch wenig Überraschendes), hatte sich die Außenministerin für das Interview freigeschaufelt.
Doch was für ebenfalls kontroverse Diskussionen sorgte: Das Interview lief nicht etwa bei einem Nachrichtensender wie CNN, wo Bundeskanzler Olaf Scholz etwa regelmäßig auftritt, sondern beim rechten Trump-Sender Fox News. Das Publikum: dezidiert konservativ.
Warum wählte Baerbock ausgerechnet diesen Sender?
Baerbock reiste zunächst nach Texas, wo sie mit einem selbstfahrenden E-Volkswagen ankam. Die Anreise verlief offenbar, im Gegensatz zu ihrer vermaledeiten Australien-Reise vor wenigen Wochen, pannenfrei.
Während ihres USA-Trips gab sich die Außenministerin tagelang Mühe, explizit mit den Republikaner:innen in Kontakt zu treten. Deshalb traf sie auch in Texas bereits Gouverneur Greg Abbott. Ein Hardliner in Sachen Abtreibung und Einwanderung.
Bei ihrer nächsten Station in Washington traf Baerbock sich mit zahlreichen republikanischen Abgeordneten und Senatoren im Kapitol. Darunter war auch der Minderheitenführer im Senat, Mitch McConnell.
Demokrat:innen traf sie keine.
Aktuell läuft der Vorwahlkampf in den USA auf Hochtouren. Donald Trumps Chancen stehen gut, ein weiteres Mal Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.
Das Interview bei Fox News kann also als letzter Strohhalm Baerbocks betrachtet werden, während ihrer USA-Reise mit dem Teil der amerikanischen Gesellschaft in Kontakt zu kommen, mit dem ihrer Partei sonst selten spricht.
Dennoch äußerten einige auf der Plattform X, ehemals Twitter, ihr Unverständnis darüber, dass Baerbock ausgerechnet beim rechten Sender Fox News zur Unterstützung der Ukraine aufruft.
"Sie scheint wirklich der Meinung zu sein, die US-Politik und den Vorwahlkampf beeinflussen zu können", schreibt etwa ein User.
Eine andere Nutzerin schreibt: "Ist Baerbock jetzt eigentlich deutsche Außenministerin oder die Assistentin des Präsidenten der Ukraine?"
In eine ähnliche Kerbe schlug ein anderer User, der Baerbock direkt als "ukrainische Außenministerin" bezeichnete.
Allerdings hatte Baerbock sich den Sender sowie die Uhrzeit des Interviews gut ausgewählt. Denn Fox News wird zwar vorgeworfen, sich längst von den journalistischen Standards verabschiedet zu haben, eine ernsthafte Gefahr, sich in rechte Gefilde zu begeben, hatte die Außenministerin dennoch nicht zu befürchten.
Das Angebot aus dem Hause des Medienmoguls Rupert Murdoch gilt tagsüber als normaler Nachrichtensender mit starkem konservativen Einschlag. Abends übernehmen dann die hart rechten Kommentatoren. Meist lassen sie dabei keine Verschwörungstheorie oder rechte Propaganda aus.
Der Journalist Bret Baier hatte es allerdings geschafft, alle größeren Skandale des Senders weitgehend zu umschiffen und sich einen Namen als seriöser Journalist zu machen. Auch sein Ersatz Edson gilt als solcher.
Sicherheitsexperte Erik Brown empfiehlt auf Anfrage von watson sogar, diplomatische Beziehungen zu republikanischen Senatoren, Abgeordneten und anderen Regierungsvertretern aufzubauen. Das könnte zukünftig Maßnahmen entgegenwirken, die ein wiedergewählter Trump ergreifen könnte – wie eben die Drohung, aus der Nato auszutreten.
Bedeutet: Wenn Trump auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen ist, könnten zumindest einzelne Republikaner:innen, die eine andere Ansicht vertreten, gegen seine Pläne stimmen. Kein Allheilmittel, wie Brown klarstellt, aber zumindest ein Hoffnungsschimmer.
Als positives Beispiel nennt Brown Annalena Baerbocks Versuch, in Texas mit den Republikaner:innen ins Gespräch zu kommen.