Mit Wahlplakaten versucht das syrische Regime, Wähler an die Urnen zu kriegen.Bild: dpa / Hassan Ammar
Analyse
27.05.2021, 14:2527.05.2021, 18:56
Er hat seine Stimme bereits abgegeben: Baschar al-Assad, Syriens Machthaber. Im dunklen Anzug warf er seinen Wahlzettel am Mittwoch, zu Beginn der Präsidentenwahl in Syrien, in eine Urne in der Stadt Duma östlich von Damaskus. Das Wahlergebnis wird für Freitagabend erwartet, bekannt ist es aber eigentlich schon jetzt: Es wird eine klare Mehrheit für den autoritär herrschenden Amtsinhaber geben.
Seit 2000 ist Assad an der Macht, die beiden Gegenkandidaten des 55-Jährigen gelten lediglich als Zählkandidaten. Die Opposition nennt die Abstimmung eine "Farce" und die im Nordosten Syriens regierenden Kurden lehnen eine Teilnahme ab.
Assad erklärte nach Angaben regierungstreuer Medien, der Besuch in Duma und die Wahl dort bestätigten, dass in Syrien nicht "eine Region gegen eine Region oder eine Konfession gegen eine Konfession" stehe. Der Ort stand bis 2018 unter Kontrolle überwiegend islamistischer Rebellen. Im April 2018 kam es dort zu einem Angriff mit Chemiewaffen, der Syriens Armee zugeschrieben wurde.
"Das ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten."
Samer Al Hakim ist Deutsch-Syrer, seit 12 Jahren lebt der 36-Jährige in Deutschland. Er engagiert sich bei der Initiative "Syria Not Safe" gegen Abschiebungen nach Syrien. Auch er hat das Bild von Assad und seiner Frau bei der Wahl in Duma gesehen. "Das ist der Ort, an dem seine Kräfte vor drei Jahren chemische Waffen eingesetzt haben. Das ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten", sagt er dazu im Gespräch mit watson.
Keine freie Wahl
Die Außenminister Deutschlands, der USA, Italiens, Frankreichs und Großbritanniens haben die Wahl in einer gemeinsamen Erklärung als "weder frei noch fair" und "betrügerisch" kritisiert. Sie widerspreche den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und werde nicht zu einer politischen Einigung des Landes beitragen, erklärten sie bereits am Dienstag. Assad wies die Kritik als gegenstandslos zurück. "Eure Meinungen haben null Wert", sagte er bei seiner Stimmabgabe.
"Diese Wahlen sind natürlich nicht legitim", sagt auch Al Hakim. "Fünf Millionen Geflüchtete im Ausland und sechs Millionen innerhalb Syriens, die in Regionen außerhalb der Kontrolle des Regimes leben, dürfen nicht teilnehmen. Insgesamt dürfen mehr als die Hälfte der Syrer nicht wählen. Das zeigt, dass diese Scheinwahl Assad keine Legitimation gibt." Die Regierungskräfte und ihre Verbündeten kontrollieren rund zwei Drittel des Bürgerkriegslandes. Nur in diesen Gebieten können die Wähler an der Abstimmung teilnehmen.
"Assad und seine Geheimdienste herrschen weiter mit Terror und Angst."
Syriens Führung hatte in den vergangenen Tagen versucht, mit einer Kampagne auf der Straße und in den Medien viele Wähler an die Urne zu bringen. "Auf Wahlplakaten in Syrien kann man Sprüche lesen wie 'Assad unsere einzige Wahl' und darunter sieht man, wer der Absender ist: der Geheimdienst. Damit bleibt kein Zweifel daran, wer an der Macht ist. Assad und seine Geheimdienste herrschen weiter mit Terror und Angst", sagt Al Hakim. "Wir können leider nur hilflos zuschauen. Und dieses Gefühl von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit ist einfach unerträglich."
800 Euro für syrischen Pass
Al Hakim findet die Kritik der westlichen Außenminister gut. Doch er betont auch, dass auf Taten Worte folgen müssten. "Die Bundesregierung muss spätestens jetzt ganz klar anerkennen, dass das syrische Regime nicht legal und nicht legitim ist. Sie muss jegliche Kooperation mit diesem Regime kategorisch ausschließen." Berlin müsse akzeptieren, dass "Syrien auf unbestimmte Zeit ein gefährlicher Folterstaat bleibt". Und weiter: "Sie müssen den Abschiebestopp nach Syrien wieder einführen und die internationalen Ermittlungen gegen Kriegsverbrechen des Regimes von Assad und seinen Kräften müssen intensiviert werden".
Zudem dürften die Behörden syrische Geflüchtete beispielsweise nicht dazu drängen, ihre Pässe von der Botschaft verlängern zu lassen. Denn: Das dafür gezahlte Geld werde für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt. Deshalb besitzt auch Al Hakim keinen gültigen syrischen Pass. "Ich habe kein Interesse daran, meinen syrischen Pass zu verlängern, da ich 800 Euro zahlen soll für einen zweijährigen Pass. Und dieses Geld wird Menschenrechtsverletzungen finanzieren", sagt er.
"Das ist die einzige Methode, die sie kennen: Scheinwahl, Terror und Unterdrückung durch die Geheimdienste."
Seit über zehn Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Rund zwölf Millionen Menschen wurden vertrieben, viele Gebiete sind zerstört und das Land steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Man brauche eine internationale Lösung, alle demokratischen Länder müssten laut Al Hakim verdeutlichen, dass das syrische Regime nicht legal ist. Wichtig sei intensive, internationale Diplomatie in Richtung Russland und Iran. Die Regierungen in Moskau und Teheran gelten seit Jahren als die treuesten Verbündeten Syriens. Die militärische Hilfe Russlands hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Assad auch nach zehn Jahren Bürgerkrieg noch im Amt ist.
Das Problem auch vonseiten der EU ist laut dem Aktivisten Al Hakim aktuell, dass es kaum diplomatische Initiativen gebe, um die Situation in Syrien zu verbessern. Man höre zwar Statements, sehe aber keine Taten.
Die Assad-Dynastie beherrscht Syrien bereits seit über 50 Jahren. In einem Militärputsch gelangte Hafes al-Assad im November 1970 an die Macht, nach seinem Tod 2000 übernahm sein Sohn Baschar das oberste Staatsamt.
In einem Referendum erhielt Assad damals 97 Prozent der Stimmen, es gab keine Gegenkandidaten. "Das ist die einzige Methode, die sie kennen: Scheinwahl, Terror und Unterdrückung durch die Geheimdienste", so Al Hakim. "Auch diese Wahlen sind Scheinwahlen, aber ehrlich gesagt auch ein Umbruch. Es zeigt sich ganz klar, dass die jetzigen Machtverhältnisse sich gefestigt haben und es wird vielleicht über Jahrzehnte hinaus so bleiben."
Generalstreiks aus Protest
Oppositionelle Medien und Aktivisten berichteten aus dem Süden Syriens, dort hätten viele Menschen eine Stimmabgabe abgelehnt. Demnach kam es in einigen Ort aus Protest zu einem Generalstreik. In der von Rebellen kontrollierten Stadt Idlib im Nordwesten Syriens demonstrierten Hunderte gegen die Präsidentenwahl und stimmten Sprechchöre gegen "das Mörder-Regime von Baschar al-Assad" an.
"Es handelt sich hier um ein Volk in Geiselhaft. Keiner darf seine Meinung frei aussprechen."
Normalerweise unterhalte man sich nicht direkt über die Wahlen, so Al Hakim. Denn in Syrien herrsche Angst. "Es ist sehr gefährlich darüber zu sprechen, ein Verdacht auf Regime-Untreue reicht, um von den Geheimdiensten verhaftet, entführt, gefoltert und im schlimmsten Fall umgebracht zu werden."
Natürlich gebe es aber auch noch Assad-Anhänger. Dafür gebe es ganz unterschiedliche Gründe. Zum Großteil hätten die Menschen im Land aber keine Wahl. Sie dürften öffentlich, beispielsweise gegenüber Journalisten, nichts anderes sagen und müssten die volle Unterstützung für das Regime zeigen. "Das ist für uns traurig, es handelt sich hier um ein Volk in Geiselhaft. Keiner darf seine Meinung frei aussprechen."
An Syrien denkt Al Hakim jeden Tag. Er liest Berichte, hört sich alle Nachrichten aus dem Land an. "Ich werde unter Assad nie nach Syrien zurückkehren. Aber natürlich ist es unser Traum, dass unser Land wieder normal wird und dass wir es irgendwann wiedersehen können. Es schmerzt jeden Tag", sagt er.
(mit Material von dpa/afp)
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