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Interview

AfD-Angriff auf Ganserer: Queere Bundeswehr-Aktivistin spricht offen über eigene Erfahrungen

Anastasia Biefang
Anastasia Biefang ist stellvertretende Vorsitzende bei "QueerBw", einer Interessenvertretung queerer Menschen in der Bundeswehr. Bild: Privat
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Nach AfD-Attacke auf Ganserer: Queer-Aktivistin und Oberstleutnant spricht offen über ihre eigenen Erfahrungen

21.02.2022, 12:5021.02.2022, 15:14
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Nach verbalen Angriffen aus den Reihen der AfD solidarisieren sich Politikerinnen aller demokratischen Parteien mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer. In der Debatte geht es um die grundsätzliche Frage, anhand welcher Kriterien sich Menschen einem bestimmten Geschlecht zuordnen.

Anastasia Biefang kennt Vorbehalte gegen trans* Personen aus eigener Erfahrung. Die stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehr-Vereins "QueerBw" ist als erste offen transidente Bataillonskommandeurin der deutschen Streitkräfte bekannt geworden.

Im Interview mit watson spricht sie über alte Geschlechter-Klischees, Identitätsfragen und amtliche Würdeverletzung.

"Die Diskriminierung kommt von einer politisch motivierten Minderheit, die Stimmung gegen trans* Frauen macht."

Watson: Die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer erlebt Hetze und wird als trans* Person von vielen nicht ernst genommen. Wie empfindest du die Debatte?

Anastasia Biefang: Vor allem im vergangenen Jahr ist das Thema stark in den Fokus rechter und konservativer Kreise gerückt. Auch die Frauenzeitschrift "Emma" nutzt dies, um Transrechte gegen Frauenrechte auszuspielen.

Da findet eine deutliche Verkürzung des Themas statt, die an einer Pathologisierung und Stigmatisierung von transidenten Menschen mitwirkt. So etwas ist mittlerweile fast an der Tagesordnung.

Woher kommen die Vorbehalte, gerade auch in klassisch feministischen Kreisen?

Das weiß ich nicht genau. Ich freue mich, dass zum Beispiel der deutsche Frauenrat kürzlich seine Solidarität erklärt und gesagt hat: trans* Frauen sind Frauen und müssen genauso unterstützt werden wie andere Frauen.

Ich glaube, die Diskriminierung kommt von einer politisch motivierten Minderheit, die Stimmung gegen trans* Frauen und queere Minderheiten macht.

Im Fall von Tessa Ganserer argumentieren manche, sie solle doch ihren Personenstand ändern und sich auch juristisch als Frau anerkennen lassen, statt sich nur "per Sprechakt" zur Frau zu erklären. Wie hast du dies in deinem eigenen Fall gehandhabt?

Das aktuelle Verfahren in Deutschland, das Transsexuellengesetz von 1981, ist mit dem Menschen- und Grundrecht nicht mehr konform.

Das Bundesverfassungsgericht hat dies auch in Teilen für nichtig erklärt, etwa die Annullierung der Ehe, auch die dauerhafte Fortpflanzungsfähigkeit wurde als verfassungswidrig eingestuft.

Es ist wichtig, zu verstehen und zu erkennen, wo das Gesetz herkommt und welches Menschenbild dahintersteckt.

Und welches?

Für mich liegt da kein Menschenbild von selbstbestimmten Bürgerinnen und Bürgern, die man schützen muss, zugrunde. Dazu kommt eine sehr heteronormative und binäre Sicht auf Geschlecht und Sexualität.

Grüne und FDP haben noch in ihrer Rolle als Oppositionsparteien Entwürfe für eine grundlegende Reform des Transsexuellengesetzes mit dem Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes vorgelegt, weg von Fremdbestimmheit, also einer Gängelung durch den Staat, hin zu Selbstbestimmtheit des Individuums.

Der "Sprechakt" ist also ein Teil des verwaltungsrechtlichen Vorgangs und stellt damit die selbst erlebte Identität in den Mittelpunkt.

Was sind zum Beispiel konkrete Verbesserungen?

In den Entwürfen wird auf die bisher erforderlichen entwürdigenden Gutachten und Verfahren verzichtet. Die Kosten für das Verfahren werden gesenkt und am Ende steht eine Personenstands- und Vornamensänderung, die menschenrechtskonform ist und den Bestimmungen der Europäischen Union nachkommt.

Das ist endlich ein wichtiger Schritt, der längst überfällig ist. Darüber hinaus wird dort auch die Vielfalt der Geschlechter anerkannt, also nicht nur die Kategorien männlich und weiblich.

2017 hatte das Bundesverfassungsgericht dazu eine eindeutige Rechtsprechung gemacht, dass es noch eine dritte Option, das sogenannte dritte Geschlecht, geben muss und die binäre Geschlechterordnung nicht mehr die ganze Realität abbildet.

"Sarkastisch könnte man also sagen: trans* Frauen sind zur Zeit die einzigen staatlich geprüften Frauen."

Wie lief der Vorgang in deinem Fall ab?

Ich habe meine Personenstandsänderung im April 2015 beantragt. Im März 2016 wurde dies dann rechtskräftig. Das hat also insgesamt über ein Jahr gedauert und über 2000 Euro gekostet. Dazu musste ich zwei psychologische Gutachten erstellen lassen, die natürlich auch nochmal Zeit in Anspruch genommen haben.

Dabei musste ich mich zu meinem Leben befragen lassen. Ich hatte das Gefühl, dass ich beweisen muss, dass ich eine Frau bin, statt dass mir das einfach geglaubt wird. Meine Glaubwürdigkeit wird also hinterfragt.

Und dann musste ich vor einen Richter treten, der auch nochmal das Recht hatte, mich zu befragen. Sarkastisch könnte man also sagen: trans* Frauen sind zurzeit die einzigen staatlich geprüften Frauen.

Als ich meinen ersten Gutachter getroffen habe, hat er gesagt: Sie wissen, dass wir auf Transsexualität nicht testen können, daher muss ich Ihnen einfach glauben.

Ich habe dann geantwortet, dass wir uns in dem Fall das ganze Verfahren auch einfach sparen könnten. Da hat er mir im Grunde zugestimmt, aber der Gesetzgeber sieht das nun mal anders.

Du hast Fotos von dir gepostet, auf denen du kurze Haare und einen Drei-Tage-Bart trägst. Das hat einige Menschen irritiert, weil es nicht zu ihrem Frauenbild passt. Kannst du das ein Stück weit verstehen?

Ich bin mir bewusst, dass es da Irritationen gibt. Aber wir müssen von dieser starren Vorstellung von Männern und Frauen wegkommen. Diese Bilder sind ja nicht zeitlos, sondern ändern sich immer wieder. Es gibt ein wunderbares Spektrum zwischen den Geschlechtern.

Anastasia Biefang
Bild: Privat

Ich kann mir einen Bart wachsen lassen, weil er mir einfach wächst. Das macht mich nicht weniger Frau. Niemand kann von mir erwarten, dass ich mich einer schmerzhaften Prozedur unterziehe, um den Vorstellungen anderer Leute gerecht zu werden.

Sah übrigens gut aus.

Danke, obwohl der Bart mittlerweile wieder ab ist. Es wäre gut, wenn alle Menschen mal konstruktiv und kritisch über ihr Geschlecht nachdenken und sich dementsprechend hinterfragen würden.

Und schaut: Was für Normen haben wir im Kopf, von denen wir uns unhinterfragt lenken lassen? Wenn man sich das öfter bewusst machen würde, wären wir ein gutes Stück weiter.

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