Politik
Analyse

Trumps Gaza-Plan: Wirtschaftliche Kontrolle statt Freiheit

ARCHIV - 29.09.2025, USA, Washington: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schüttelt US-Präsident Donald Trump nach einer Pressekonferenz im State Dining Room des Weißen Hauses die Hand. Israe ...
Sind halbwegs zufrieden: Israels Präsident Netanjahu und US-Präsident Trump.Bild: AP / Alex Brandon
Analyse

Trumps Gaza-Plan bringt Investoren statt Souveränität

Nach der Freilassung von Geiseln und Gefangenen scheint ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas nahe. Doch während internationale Akteure bereits den Wiederaufbau des Gazastreifens planen, bleibt die palästinensische Bevölkerung außen vor. Statt echter Selbstbestimmung drohen Fremdverwaltung, wirtschaftliche Interessen – und ein Frieden, der vor allem von außen gemacht wird.
14.10.2025, 16:0414.10.2025, 16:04

Die israelischen Geiseln der Hamas sind frei, die palästinensischen Gefangenen ebenso. Eine entscheidende Maßnahme in US-Präsident Trumps Friedensplan wäre damit abgehakt. Damit könnte das Sterben im Gazastreifen bald zu einem Ende kommen, wenngleich die Waffen noch nicht schweigen.

Bisher haben weder Israel noch Hamas ein Dokument zur Waffenruhe unterzeichnet. Ist das besiegelt, folgen die nächsten Schritte. Was diese für die palästinensische Bevölkerung bedeuten könnte, wie der Wiederaufbau Gazas vonstattengeht und wie wahrscheinlich ein langfristiger Frieden auf dieser Basis ist.

Hamas gegen Israel: Wo der Plan scheitern könnte

Erstmal: Noch steht das Friedensabkommen auf der Kippe. Gut möglich, dass die Verhandlungsrunden wie bereits zuvor in einer Sackgasse enden. Israels Regierung will die Hamas zerschlagen, die Hamas bestreitet wiederum das Existenzrecht Israels. Beide sind davon nicht abgerückt.

Die Hamas hat zudem bisher nur vier der 28 toten Geiseln übergeben. Für Verteidigungsminister Israel Katz ein Bruch der Vereinbarung. Verstöße werde die Regierung "entsprechend beantworten". Bis zum Abend hat die Hamas noch Zeit, die restlichen Toten zu überführen. Aus dem Hamas-Umfeld heißt es, man bräuchte noch mehr Zeit, verschüttete Tote zu bergen, berichtet die "Tagesschau".

Es ist eine komplexe Gemengelage. Mindestens genauso komplex sind aber auch die nächsten Schritte nach vereinbarter Waffenruhe.

Gaza: Fremdherrschaft als Lösung?

Gazas Wiederaufbau wird ein gewaltiges Projekt. 69 Prozent der Gebäude im Gazastreifen sind laut UN-Schätzungen zerstört, die Infrastruktur vielerorts quasi nicht mehr existent. Strom, Wasser, Wohnraum, Straßen, Krankenhäuser, Schulen: Bis die zerbombten Gebiete wieder bewohnbar sind, wird es Jahre dauern. Über 50 Tonnen Schutt bedecken die Region, ein Symbol für das Ausmaß der Zerstörung.

Eine Technokraten-Regierung soll laut unveröffentlichten Entwurf des 20-Punkte-Plans den Wiederaufbau koordinieren und die Region verwalten. Internationale Akteur:innen bilden dabei die Strippenzieher. Selbstverwaltung ist erstmal nicht angedacht, sondern die Steuerung durch Donald Trump oder auch Tony Blair, Ex-Premierminister des Vereinigten Königreichs. Eine Wahl, die nicht von irgendwo kommt.

Blair spielte eine zentrale Rolle im Irakkrieg. Nach der Invasion gemeinsam mit den USA kämpfte er für radikale Umformung der irakischen Wirtschaft. Staatliche Betriebe privatisierte er, Wiederaufbauprojekte gab er in die Hand britischer Unternehmen, um den eigenen Markt zu stärken und zudem sah er vor, britischen Firmen den Zugang zu irakischen Öl-Reserven zu sichern. Die Maßnahmen führten zu sozialem Chaos, einer Abhängigkeit vom Westen und massiver Ungleichheit.

Wenngleich Trumps Plan nicht konkret auf die Finanzierung des Wiederaufbaus oder auch dessen Gestaltung eingeht, ist klar, dass Gaza eine Sonderwirtschaftszone werden soll, mit bevorzugten Zoll- und Zugangsgebühren. Für private Investoren sind das attraktive Bedingungen, für die Souveränität Gazas dagegen fraglich.

Der Plan beschreibt einen Weg zu einer palästinensischen Souveränität lediglich am Rande. Und stellt sie unter die Bedingung ausreichender Reformen. Ausgestaltet werden diese aber von einem internationalen Konsortium.

Friedenssicherung soll es ebenfalls durch eine internationale Truppe geben, der ISF. Nahost-Experte Jan Busse sieht entsprechend eine Vielzahl offener Fragen, wie er gegenüber der "Tagesschau" sagt:

"Wann zieht sich Israel mit seinen Streitkräften zurück aus dem Gazastreifen? Wie wird die Hamas entwaffnet? Wie soll eine Übergangsverwaltung aus parteilosen palästinensischen Experten aussehen? Wie soll dieses Friedensgremium, dieses 'Board of Peace', mit Kompetenzen ausgestattet werden? Wie genau erfolgt der Wiederaufbau? Und natürlich auch: Welche Staaten sollen diese internationale Friedensmission mit Truppen ausstatten?"

Klarer Marktfokus in Gaza, Souveränität eher zweitrangig

Der Fokus liegt klar auf wirtschaftlicher Integration und Marktkonformität nach westlicher Vorstellung. "Verwaltung, Finanzen und Sicherheit werden internationalen Kontrollinstanzen unterstellt, wodurch eine tiefgreifende Abhängigkeit von westlicher Finanzierung, Expertise und Legitimation entsteht", schreibt der Völkerrechtler Khaled El Mahmoud im "Jacobin".

Bis es selbst dazu kommt, ist aber noch einiges offen. Erst kürzlich hat das israelische Militär das Feuer auf mehrere Menschen im Gazastreifen eröffnet. Diese hätten die im Rahmen des festgelegten Waffenruhe-Abkommens festgelegte Grenze überquert und stellten israelischen Angaben zufolge eine Bedrohung dar.

Das und der Druck hinsichtlich der toten Geiseln könnten Wege zum Ende des Kriegs blockieren. So oder so: Für die palästinensische Zivilbevölkerung sind die Zukunftsaussichten ungewiss.

Verteidigung gegen Russland: Estlands Start-ups bauen Mini-Raketen gegen Drohnen
Wie ein winziger Raketenwurf die Luftabwehr verändern könnte und warum Estland gerade jetzt aufs Tempo drückt.
Russische Kampfjets über der Ostsee, Cyberangriffe auf Ministerien, Störsignale im GPS: Für Estland und seine baltischen Nachbarn ist die Bedrohung aus dem Osten längst Alltag. Seit Jahren testet Russland an der Nato-Ostflanke die Reaktionen des Westens: mal mit Spionageflügen, mal mit gezielten Provokationen im Luftraum.
Zur Story