Das iranische Regime geht brutal gegen die Protestierenden vor. Mittlerweile befinden sich 14.000 Menschen im Gefängnis – was droht ihnen dort?Bild: www.imago-images.de / imago images
Analyse
08.11.2022, 18:2509.11.2022, 09:08
14.000 Menschen.
14.000 Iraner:innen sitzen derzeit im Gefängnis. Ihr Verbrechen? Sie verlangen nach Rechten, die für uns in Deutschland als selbstverständlich gelten.
"Frau. Leben. Freiheit", unter diesem Slogan protestieren vor allem junge Menschen gegen das autokratische, gewaltsame Regime, das bis heute die Rechte von Frauen mit Füßen tritt. Die angestaute Wut der Iraner:innen explodiert auf den Straßen. Sie protestieren und riskieren damit ihr Leben.
Nun sollen ihnen wohl Massenhinrichtungen drohen.
Konservative Hardliner im Parlament hatten am Sonntag harte Urteile gefordert, bis hin zur Todesstrafe. Der Jurist und Linken-Politiker Niema Movassat warnt auf Twitter: "Iran steht vor dem größten Massenmord seit Gefängnismorden 1988." Damals hat die Regierung tausende Häftlinge hinrichten lassen. Dies könnte Movassat zufolge erneut geschehen. Er schreibt:
"227 Abgeordnete des iranischen Parlaments haben beschlossen, dass alle Protestierenden hingerichtet werden sollen."
Drohen den inhaftierten Iraner:innen Massenhinrichtungen? Zwei Iran-Experten ordnen für watson die angespannte Lage ein.
Der iranische Justizchef hat am Ende das letzte Wort
"Es handelt sich hierbei um eine Stellungnahme von Parlamentariern", sagt Tareq Sydiq auf Anfrage von watson. Die Abgeordneten fordern die Justiz auf, härter gegen die Feinde der Regierung vorzugehen. Sydiq ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg, wo er zu Protestbewegungen im Autoritarismus forscht.
Ihm zufolge besitzt das Parlament nicht die Macht, die Hinrichtungen der verhafteten Menschen anzuordnen. "Der oberste Justizchef trifft diese Entscheidung", sagt Sydiq. Auf ihn gelte es ein Auge zu werfen. Laut Sydiq hat er sich ebenfalls für einen härteren Umgang mit den Protestierenden ausgesprochen. Seine Aussagen seien ernst zu nehmen.
Frauen und Männer protestieren gegen die autokratische Regierung im Iran und riskieren damit ihr Leben. Bild: AP
"Massenhinrichtungen drohen den politischen Inhaftierten schon seit sieben Wochen und werden es auch noch nächste Woche", meint der Iran-Experte. Was ihnen ganz sicher nicht bevorstehe, sei ein fairer Prozess. Sydiq zufolge nutzt das Regime die 14.000 Menschen im Gefängnis als Druckmittel. Es will Angst verbreiten und die Iraner:innen abschrecken, weiter auf die Straße zu gehen.
Aber wirkt das?
"Bislang hat das Regime es nicht geschafft, mithilfe einer großen Bandbreite an Repression den revolutionären Aufstand zu stoppen", sagt Ali Fathollah-Nejad gegenüber watson. Die Unterdrückung der Proteste kann laut des deutsch-iranischen Politologen zweierlei Effekte haben:
- Einerseits entfacht die Brutalität des Staates noch mehr Wut seitens der Demonstrierenden.
- Andererseits entfaltet sie eine Abschreckungswirkung, um mehr Menschen davon abzuhalten, sich den Straßen-Protesten anzuschließen.
Beide Effekte können auch gleichzeitig auftreten, meint Fathollah-Nejad. Auch er schließt mögliche Massenhinrichtungen nicht aus. Dass die große Mehrheit des Parlaments den Justizapparat auffordert, entschlossen gegen Demonstranten vorzugehen, zeige: Die Bereitschaft des Regimes, den Aufstand aufzuhalten und größtmögliche Abschreckung auszuüben, ist groß.
Laut Fathollah-Nejad kommt es auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft an, um mögliche Massenhinrichtungen im Iran abzuwenden.
Auch die internationale Gemeinschaft trägt Verantwortung
Fathollah-Nejad zufolge müsse die internationale Gemeinschaft jetzt alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen – ob politisch, diplomatisch, juristisch oder sogar wirtschaftlich. Auch die europäischen Staaten müssten ein deutliches Signal nach Teheran senden.
Auch in Deutschland protestieren die Menschen gegen das brutale iranische Regime.Bild: www.imago-images.de
Sydiq fordert ein humanitäres Visum für die politisch verfolgten Iraner:innen. "Noch immer ist es schwer, für diese Menschen ein Visum in Deutschland zu erhalten", kritisiert er und fordert die Bundesregierung auf, dies umgehend zu ändern. Auch sei es wichtig, die Lage im Iran immer wieder auf diplomatischer und internationaler Lage anzusprechen. "Die internationale Gemeinde muss hinsehen, was im Iran geschieht."
Auch die Journalistin Düzen Tekkal fordert Deutschland auf, nicht wegzusehen. Seit Beginn der Proteste setzt sie sich für die Menschen im Iran ein. Vor der FDP-Fraktion hält sie am Dienstagmittag eine Ansprache zu der Lage im Iran.
"Alle Beziehungen mit diesem Mörderregime müssen gekappt werden", sagt die Gründerin der Nichtregierungsorganisation "HÁWAR help". Die Menschen gehen noch immer auf die Straßen, obwohl sie dabei sterben oder im Gefängnis landen. "Das ganze Land ist ein Gefängnis", meint Tekkal.
Sie sagt:
"Wie lange wollen wir noch dabei zu sehen, wie Menschen getötet werden? Wir müssen uns uneingeschränkt auf die Seite der Zivilbevölkerung stellen."
Tekkal kritisiert, dass Deutschland der beste Wirtschaftspartner des Irans sei. Ihr zufolge müsse die Bundesregierung eine Wende anstreben.
Nach Ausbruch der landesweiten Proteste im Iran sind nach offiziellen Angaben bereits mehr als 1000 Menschen angeklagt worden. Dies gab ein Justizsprecher am Dienstag bekannt, wie die iranische Nachrichtenagentur Isna berichtete. Mehrere Kriminal- und Revolutionsgerichte befassen sich demnach mit den Fällen. Die Verhandlungen sollen mehrheitlich öffentlich stattfinden.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden bisher fast 15.000 Teilnehmende der Demonstrationen festgenommen. Auslöser der Proteste im Iran war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September.
(Mit Material der dpa)
Am Ende haben nicht Abtreibungen, der Klimawandel oder die Außenpolitik die US-Präsidentschaftswahl entschieden. Wichtigstes Thema waren die Inflation und die Preise. Für 34 Prozent der republikanischen Wähler:innen war es laut einer Umfrage von YouGov ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.