Die letzte Episode der Hearings zur 8-teiligen Serie "Sturm auf das Kapitol" haben die letzten Zweifel ausgeräumt: Donald Trump steht im Zentrum der Ereignisse. Nüchtern und faktisch ist nochmals im Zeitraffer aufgezeigt worden, wie es zu dieser Schandtat gekommen ist und wer die Verantwortung dafür trägt.
Schon im Vorfeld hat Trump klargemacht, dass er eine Niederlage auf keinen Fall akzeptieren werde. Zoe Lofgren, Mitglied des Ausschusses, führte aus:
Sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon und sein zwielichtiger Kumpel Roger Stone machten vor laufenden Kameras klar, wie Trump einen Sieg notfalls erzwingen würde. Weil die brieflich abgegeben Stimmen mehrheitlich den Demokraten zugutekommen, und weil sie in vielen Bundesstaaten später ausgezählt werden, werde Trump bei einem knappen Resultat vorzeitig seinen Sieg erklären und die Auszählung stoppen lassen, so der Plan.
Er ging nicht auf.
Deshalb zündete Trump die zweite Stufe und schickte eine Armada von Juristen los. Sie sollten vor Gericht eine angebliche Wahlfälschung beweisen. Auch das misslang. In mehr als 60 Gerichtsverfahren wurden die Trump-Anwälte mehr oder weniger ausgelacht.
Inzwischen hatten Trump nahestehende Kreise wie sein Justizminister William Barr und Pat Cipollone, der Anwalt des Weißen Hauses, ihm unmissverständlich klargemacht, dass kein Wahlbetrug vorliege. Dass er die Wahlen definitiv verloren habe und dass er deswegen endlich seine Niederlage eingestehen müsse.
Der Ex-Präsident ließ nicht locker.
In einem legendären Telefongespräch versuchte Trump, den Staatssekretär des Bundesstaates Georgia zu nötigen, ihm doch "11.780 Stimmen" zu finden. Die brauche er, um seine Niederlage nachträglich in einen Sieg umzumünzen. Ebenfalls ohne Erfolg.
Der zunehmend verzweifelte Trump heckte nun aufgrund eines hanebüchenen Gutachtens des Verfassungsjuristen John Eastman den Plan aus, in den sogenannten Swingstates Listen von alternativen Elektorenstimmen anfertigen zu lassen. Diese sollten an der endgültigen Zertifizierung der Wahlen am 6. Januar 2021 von Vizepräsident Mike Pence anstelle der regulären Stimmen anerkannt und Trump damit zum Sieger ausgerufen werden. Pence stellte sich quer.
Jetzt griff Trump offen zur Gewalt. Schon im Vorfeld des 6. Januars hatte er seine Fans aufgefordert, nach Washington zu kommen und für ihn zu demonstrieren. Es werde wild werden, versprach er auf Twitter, wo er damals noch nicht verbannt war.
Es wurde tatsächlich wild.
Zunächst brachte Trump den Mob mit einer hitzigen Rede in Stimmung. Dann forderte er ihn auf, mit ihm zum Kapitol zu marschieren und dort dem Kongress den Marsch zu blasen. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass einzelne Mitglieder dieses Mobs bewaffnet waren. Zudem war sein Sicherheitsdienst darüber informiert, dass es höchstwahrscheinlich zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen würde.
Der Sicherheitsdienst hinderte Trump in der Folge daran, tatsächlich zum Kapitol zu marschieren. Doch der Ex-Präsident unternahm drei lange Stunden nichts, um dem Mob Einhalt zu gebieten. Er schloss sich ins Esszimmer neben dem Oval Office ein und schaute genüsslich zu, wie Polizisten verprügelt wurden und Parlamentarier in sichere Unterstände fliehen mussten.
All dies wurde am finalen Hearing im Zeitraffer nochmals eindrücklich durchgespielt. Der Ausschuss hat dem Justizminister damit ein Drehbuch für eine Anklage gegen den Ex-Präsidenten wegen Aufruhr in die Hand gegeben.
Als politisches Gremium hat der Ausschuss selbst keine rechtliche Handhabe gegen Trump. Überraschenderweise hat der Ausschuss jedoch einstimmig beschlossen, Trump als Zeugen vorzuladen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Ex-Präsident dieser Aufforderung nachkommen wird. Er wird darauf setzen, dass die Republikaner die Zwischenwahlen gewinnen und der Ausschuss aufgelöst wird.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Nichts ist Trump wichtiger im Leben, als Aufmerksamkeit zu erhaschen. Das zeigt Maggie Haberman, Reporterin bei der "New York Times", in ihrem soeben erschienenen Buch "Täuschung" eindrücklich auf. Sollte Trump tatsächlich als Zeuge vor dem Ausschuss auftreten, dann würde er ein Maximum an Aufmerksamkeit erhalten. Die Einschaltquoten wären höher als beim Finale der Fußballweltmeisterschaften.
Kein Spektakel ist hingegen von Justizminister Merrick Garland zu erwarten. Der Mann ist die juristische Nüchternheit auf zwei Beinen, und so pingelig genau und korrekt, dass er seine Freunde selbst beim Autofahren zum Wahnsinn treibt, wie ihn Franklin Foer im "Atlantic" beschreibt.
Doch gerade deswegen wird Garland höchstwahrscheinlich Trump anklagen. Allerdings: Wie die Anklage lauten wird, ist unklar. Obwohl der Ausschuss eindrücklich aufgezeigt hat, dass Trump politisch für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich war und damit den Strafbestand "Aufruhr" erfüllen würde, ist dies vor einem Geschworenengericht extrem schwierig zu beweisen. Wird der Ex-Präsident daher einmal mehr den Kopf aus der Schlinge ziehen?
Eher nicht, denn Garland hat mit den gestohlenen Dokumenten eine zweite Option für eine Anklage. Zur Erinnerung: Trump hat bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus Dokumente mitgehen lassen – darunter solche, die als "top secret" klassiert sind –, die nicht ihm, sondern den National Archives gehören. Er hat mit anderen Worten einen simplen Diebstahl begangen, und wahrscheinlich auch gegen das Spionage-Gesetz verstoßen.
Zusätzlich hat Trump auch noch den Strafbestand der Behinderung der Justiz begangen. Er hat nämlich seine Anwälte angewiesen, das FBI zu belügen, und er hat eigenhändig geholfen, die Kisten, die er in seiner Residenz Mar-a-Lago eingelagert hatte, in einen anderen Raum zu verfrachten. Das hat einer seiner Mitarbeiter gegenüber dem FBI bestätigt, und Trump kann dies schwerlich abstreiten. Seine eigenen Sicherheitskameras haben ihn dabei gefilmt.
Trump hat sich im Fall der Geheimdokumente verhalten wie ein Bankräuber, der seine Visitenkarte hinterlässt.
Dümmer geht es nimmer.
Er hat öffentlich und fälschlicherweise damit geprahlt, die Dokumente würden ihm gehören, und er hat sich dabei filmen lassen, wie er diese Dokumente vor dem FBI verstecken wollte. Mit anderen Worten: Er hat wissentlich und willentlich gehandelt. Selbst der Supreme Court hat daher gestern seine Einsprache abgewiesen.
Der Ex-Präsident zwingt damit den Justizminister geradezu zum Handeln. Immer wieder hat Garland betont, niemand stehe über dem Gesetz, auch der Präsident nicht. Er hat daher gar keine andere Wahl, als Trump anzuklagen. Und alles spricht dafür, dass er dies im kommenden Frühjahr auch tun wird.