Analyse
International

Warum Donald Trump die Wahl zu 91 Prozent gewinnen wird

President Donald Trump walks on the South Lawn of the White House in Washington, Wednesday, July 15, 2020, after stepping off Marine One. Trump is returning from Atlanta. (AP Photo/Patrick Semansky)
Sollte sich auf eine unangenehme Überraschung einstellen: Präsidentschaftskandidat Joe Biden.Bild: ap / Patrick Semansky
Analyse

Warum Donald Trump die Wahl zu 91 Prozent gewinnen wird

In Meinungsumfragen steht US-Demokrat Biden aktuell gut da, selbst konservative Medien sehen sie ihn vor Trump. Dabei ist das Rennen um das Weiße Haus längst entschieden. Das glaubt zumindest ein US-Forscher. Es wird seiner Meinung nach anders ausgehen, als Biden, seine Partei und manche Journalisten gerade annehmen.
21.07.2020, 14:3122.07.2020, 10:50
Mehr «Analyse»

Ginge es nach Umfragen, könnte Joe Biden schon sein neues Büro im Weißen Haus vermessen und Vorhänge bestellen. Selbst Fox News sieht den Trump-Herausforderer aktuell vorne: Acht Prozentpunkte beträgt sein Vorsprung laut dem Haus-Sender des US-Präsidenten.

Der Sender gab seinem Präsidenten am Sonntag zwar Gelegenheit, sich als Sieger-Typ zu inszenieren – trotzdem könnte aktuell der Eindruck entstehen, das Rennen ums Weiße Haus sei schon entschieden. Doch die US-Demokraten könnten im November eine unangenehme Überraschung erleben. Nicht umsonst warnte Ex-Präsident Barack Obama vor kurzem seine Partei davor, den Wahlkampf auf die leichte Schulter zu nehmen.

Als er diese Warnung Ende Juni aussprach, hatte Obama vielleicht auch eine Prognose im Kopf, die aktuell einen ganz anderen Wahlausgang vorhersagt, als ihn Meinungsforscher bei liberalen wie konservativen Medien aktuell vorhersehen: Das "Primary Model" von US-Politikwissenschaftler Helmut Norpoth sieht Trump vorne. Weit vorne.

Zu 91 Prozent sind sich das Modell und sein Erfinder sicher, dass Joe Biden im November eher für seinen Keller neue Vorhänge aussuchen wird als für das Oval Office. Denn dort ist der neue gleichzeitig der alte Hausherr.

Nun macht eine Schwalbe bekanntlich keinen Sommer – aber Norpoths Model sagte schon 2016 nicht nur Trumps Sieg 2016 voraus, als – ähnlich wie nun 2020 – die Umfragen den Ex-Reality-TV-Star hinter seiner damaligen demokratischen Gegenspielerin Hillary Clinton verorteten. Das "Primary Model" hat seit dem Jahr 1996 den Sieger im US-Präsidentschaftswahlkampf vorhergesehen. Was macht Norpoth anders, warum stimmten seine Prognosen bisher?

Heikle Wettervorhersagen

Die extrem hohe Trefferrate des "Primary Models" liegt in seiner Methodik. Im Unterschied zu gewöhnlichen Umfragen, verzichtet Norpoth auf Wählerbefragung und konzentriert sich stattdessen auf die Primaries – die Vorwahlen, in denen die US-Parteien ihren Kandidaten bestimmen. Beim Nachrichtenportal "ntv.de" erklärte der Professor dazu: "Die Primaries sind echte Wahlen und keine hypothetische Frage wie 'Wen werden Sie wählen?'."

Die Vorwahlen sind für gewöhnlich offen, was bedeutet, dass Wähler beider Lager abstimmen können. So geben die Vorwahlen ein zuverlässigeres Stimmungsbild ab, als es Umfragen können.

Der USA-Experte Thomas Jäger, Professor am Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik der Universität Köln, sagte watson dazu: "Dass Umfragen ihre Tücken haben, weil Wähler angeblich erwünschte Antworten geben oder ihre Meinung durch heftige Ereignisse rasch ändern können, ist bekannt." Meinungsumfragen sagten "das Wahlwetter immer nur für die nächsten Tage voraus". Jetzt schon Rückschlüsse aus den Prognosen für den Wahlausgang im November zu ziehen, sei daher "heikel".

Der zweite wichtige Aspekt für die Treffergenauigkeit des "Primary Model" ist die Annahme einer Pendelbewegung – demnach bekommt ein Präsident dann eine zweite Amtszeit, wenn sein Vorgänger, in diesem Fall Obama, ebenfalls eine zweite Amtszeit bekommen hatte. "Nach zwei Amtszeiten einer Partei gibt es eine Tendenz, dass das Pendel zur anderen Partei umschlägt", erklärte Norpoth bei "ntv.de". In Kombination mit den Vorwahlen ergebe sich so die Prognose für die Wahl.

"Schlimmes Omen"

Doch warum liegt Trump im "Primary Model" so meilenweit vor seinem Herausforderer? Norpoth begründet die 91 Prozent Wahlsiegchance Trumps vor allem damit, dass Biden in den Vorwahlen miserabel abgeschnitten hat. Insbesondere im traditionell wichtigen New Hampshire, wo Biden weit abgeschlagen hinter seinen Parteikollegen auf dem fünften Platz landete. Zwar sei der Demokrat in der später im Jahr folgenden Vorwahl in South Carolina zurückgekommen, aber Norpoth glaubt trotzdem: "Die Niederlage in New Hampshire war ein schlimmes Omen."

Jäger teilt diese Einschätzung: "Das stimmt vollumfänglich", sagte der USA-Experte zu watson. "In New Hampshire hatte Biden-Kontrahent Bernie Sanders dreimal so viele Stimmen wie Joe Biden, der hinter Sanders, Elizabeth Warren, Pete Buttigieg und Amy Klobuchar fünfter wurde."

Eigentlich, so Jäger, "steigt man dann aus dem Rennen aus." Die Corona-Pandemie habe aber alles verändert und so sei Biden "ohne wirklichen Erfolg aus den Vorwahlen Kandidat geworden". Das zeigten auch Umfragen, in denen zwei Drittel der Befragten angaben, mit ihrer Stimme gegen Trump, aber nicht für Biden stimmen zu wollen, so Jäger. "Bei Trump ist es genau umgekehrt. Die große Mehrheit seiner Wählerschaft will genau und nur ihn."

Trump wird gehen?

Joe Biden ist also der Kandidat, den eigentlich keiner will und den die Menschen vor allem wählen, weil die Alternative noch schlechter ist. Warum geben sich die US-Demokraten so siegesgewiss?

Trumps eigentliche politische Gegenspielerin, Repräsentantenhaus-Mehrheitsführerin Nancy Pelosi, gab im Sender MSNBC erst am Montag ein Interview, in dem sie sagte: "Ob er es nun weiß, oder nicht – Trump wird gehen."

Zwar hob Pelosi damit ab auf Trumps Fox-News-Sunday-Interview, in dem er sich nicht festlegen wollte, ob er denn einen Demokratischen Wahlsieger Joe Biden akzeptieren würde. Doch Pelosi ist Profipolitikerin genug um zu wissen, dass ihr Zitat in zwei Richtungen gelesen werden kann. Woher kommt diese Überzeugung, dass im November die Pennsylvania Avenue 1600 wieder die Adresse eines Demokraten sein wird?

Die Partei sei arrogant geworden und nehme Trump - seinen verkorksten Wahlkampfauftritt in Tulsa im Gedächtnis - nicht mehr ernst, erklärt Jäger. "Die Demokraten sind derzeit siegessicher und das kann sich rächen." Trump lege eine ganze Reihe neuer Themen auf, mit denen er den Stimmungsumschwung erreichen könnte. "Wenn die Wirtschaft in den nächsten Wochen wieder besser läuft und er Joe Biden als Marionette der Linken definieren kann, würde ihm das sehr helfen", schätzt der Experte.

Und dann ist da ja noch der dritte im Bunde, Rapper Kanye West, der gerade einen tränenreichen ersten Wahlkampfauftritt hingelegt hat. Sollte Kanyes Kandidatur, so hoffnungslos sie auch immer sein mag, wirklich Bestand haben, sie könnte Biden empfindlich treffen, erläutert Jäger. Denn Kanye könnte viele Stimmen aus den Reihen der Schwarzen Wähler ziehen – und damit genau jene, die Biden in South Carolina zum Sieg und damit zur Kandidatur für die Demokraten verholfen hatten. Auf sie aber ist Biden angewiesen, denn er hat keine ihm treu-ergebene Basis aus dem Bible Belt, die ihn im November wählen wird, Corona hin, Umfragen her. Trump aber hat die.

Über den Experten

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. In seinem Essay "Das Ende des amerikanischen Zeitalters" schreibt Jäger darüber, was Donald Trumps Außenpolitik nach dem Motto "America First" für Deutschland bedeutet.