Die Appelle der Bundesregierung zum Gassparen greifen offenbar bei vielen Verbrauchern noch nicht. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte am Donnerstag in Bonn: "Der Gasverbrauch ist auch letzte Woche zu stark angestiegen." Nach den Zahlen der Aufsichtsbehörde lag der Gasverbrauch der privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden in der 39. Kalenderwoche mit 618 Gigawattstunden um fast zehn Prozent über dem durchschnittlichen Verbrauchsniveau der Jahre 2018 bis 2021. Auch der Verbrauch der Industriekunden lag laut Bundesnetzagentur in der vergangenen Woche mit 1370 Gigawattstunden nur noch gut zwei Prozent unter dem Niveau der Vorjahre.
Deutschland werde eine Gasnotlage im Winter ohne mindestens 20 Prozent Einsparungen im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich kaum vermeiden können, betonte Müller. "Die Lage kann sehr ernst werden, wenn wir unseren Gasverbrauch nicht deutlich reduzieren."
Die privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden sind in Deutschland für rund 40 Prozent des Gasverbrauchs verantwortlich. Die übrigen 60 Prozent entfallen auf die großen Industriekunden.
In Sachen Gasreserven hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch gute Nachrichten parat. Er rechnet bis Ende Oktober mit dem angepeilten Gasspeicherfüllstand von 95 Prozent. Schon jetzt seien die Speicher gut gefüllt, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Mittwoch. "Ende des Monats erwarte ich den angepeilten Füllstand von 95 Prozent."
Das im März verabschiedete Gasspeichergesetz formuliert verbindliche Einspeicherziele, um trotz des Ausfalls der russischen Lieferungen über den Winter zu kommen. Die Gasspeicher sollten zum 1. Oktober mindestens zu 85 Prozent gefüllt sein und zum 1. November dann zu mindestens 95 Prozent. Am 1. Februar soll der Füllstand noch 40 Prozent betragen.
Die Bundesnetzagentur hatte am Dienstag mitgeteilt, dass die aktuellen Füllstände bei 92,08 Prozent liegen. Die Gasversorgung in Deutschland sei "im Moment stabil".
"Trotzdem muss der Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um mindestens 20 Prozent gesenkt werden", sagte auch der Wirtschaftsminister. "Für Entwarnung ist es da viel zu früh." Alle, auch Länder und Kommunen, seien gefragt, ihren Beitrag zu leisten und für Einsparungen zu werben.
(nik/dpa)