CDU-Parteichef Friedrich Merz gibt sich auf dem Bundesparteitag seiner Partei staatsmännisch.Bild: dpa / Michael Kappeler
Analyse
Es soll ein Wohlfühl-Event werden – kein Streit, "ein tolles Bühnenbild", "Friedrich Merz wird sich staatsmännisch geben". Damit hat der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, im Vorfeld des 36. Bundesparteitags vor Pressevertreter:innen nicht zu viel versprochen.
Partei-Chef Friedrich Merz steht vor einer überdimensionalen und zwei kleineren blauen Leinwänden – Cadennabia-Türkis, der neuen Parteifarbe der Konservativen, auf die sie sehr stolz sind. Das unterstreicht auch ein Wegweiser in der Aussteller-Halle des Bundesparteitags im Berliner Nobel-Hotel Estrel. Es zeigt nach Cadennabia, einem Ortsteil am italienischen Comer-See. Dem Lieblings-Urlaubsort Konrad Adenauers, so heißt es.
Über dem Parteivorsitzenden prangt "Zukunft gemeinsam gewinnen" und der Schriftzug "In Verantwortung führen". Die neuen Leitsätze der Partei. Blöd nur, dass es für Merz "Gemeinsam Zukunft gewinnen" heißt.
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CDU-Chef Friedrich Merz gibt sich staatsmännisch
Fast 90 Minuten lang spricht er. Doch nicht etwa polternd, stichelnd oder ätzend. Nein, Merz gibt sich ebenso staatsmännisch, wie Linnemann es angekündigt hatte. 27 Seiten lang war seine Rede. Am Ende: mehrere Minuten lang lauter, anhaltender Applaus.
Merz lässt sich – anders als bei seiner "Deutschland-Tour" vor ein paar Wochen – nicht so wie ein Rockstar feiern. Damals protzte er mit "Levels" von Avicii als Einlaufmusik, minutenlangen Standing Ovations noch bevor er überhaupt an das Mikro trat.
Carsten Linnemann (l.), Friedrich Merz und die stellvertretende Generalsekretärin Christina Stumpp sind guter Dinge.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
Diese Rede ist anders. Merz gibt sich gelassen. Das war offenbar in den vergangenen Monaten anders.
Der "Spiegel" veröffentlichte vor einigen Tagen einen Bericht darüber, dass Merz wegen NRWs Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) eigentlich hinwerfen wollte. "Ich sag' gleich im Bundesvorstand, dass Wüst das machen soll. Soll der doch auch morgen die Rede halten. Das ist eine Schweinerei", wird er in dem Bericht zitiert. Grund dafür sei ein Debattenbeitrag von Wüst in der "FAZ" im Juni 2023 gewesen sein. Auch über den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther soll sich Merz echauffiert haben.
Auf dem Bundesparteitag richtet Wüst warme Worte an den Parteivorsitzenden nach dessen Rede.
CDU auf Erhaltungskurs – bloß nicht weiter verlieren
Ambitionen, die sinkenden Zustimmungswerte der CDU wieder nach oben zu korrigieren, sind auf dem Parteitag kaum spürbar. Man will wahren, was man hat. Rund 30 Prozent, bloß nicht weiter verlieren. So macht es jedenfalls den Anschein.
Merz' Botschaft an die Menschen in Deutschland: Nur keine Panik, wir sind da. Er ist sich sicher, wenn es seine Partei nur richtig anstellt, könne sie "in Deutschland Wahlen auf jeder politischen Ebene und gegen jede politische Partei" gewinnen.
Eigentlich wiederholt der Parteichef seit Wochen gebetsmühlenartig: "Wir wollen nicht gewählt werden, weil die anderen so schlecht sind, wir wollen gewählt werden, weil wir besser sind." Doch er die Haltung zur Ampel wird natürlich auch auf dem Parteitag deutlich: "Maximal vier Jahre Ampel sind genug", sagt Merz in seiner Rede. "Jeder Tag früher, den dieses Schauspiel ein Ende findet, ist ein guter Tag für unser Land."
So geeint ist die Partei hier jedoch offenbar nicht. Denn in einer Probeabstimmung zu Beginn des Parteitags wurde die Frage gestellt: "Hält die Ampel bis zur Bundestagswahl 2025?" Von 847 Stimmen waren sich 456 Delegierte sicher: ja, 372 stimmten für nein.
Merz bringt sich in Position als Kanzlerkandidat der CDU
"Die CDU ist wieder da", man habe einen klaren Plan für die Zukunft, wird Merz nicht müde zu betonen.
Die Konservativen geben sich auf diesem Parteitag erstmals nach 17 Jahren ein neues Grundsatzprogramm – CDU pur, so verspricht es die Parteispitze, mit einem deutlichen Stempel des Partei-Chefs. Mit Merz-Profil also.
Bei seinen Worten zum Grundgesetz, das in diesem Jahr 75 Jahre alt wird, zum Frieden und zur Freiheit könnte man beinahe meinen, es spricht der Bundeskanzler. Kanzler Merz. Und nicht etwa der Oppositionsführer.
Aus seinen Ambitionen auf eine mögliche Kandidatur macht der Parteivorsitzende seit Jahren keinen Hehl. Doch auch Hendrik Wüsts und Daniel Günthers Namen kursiert in den Diskussionen um die K-Frage der Unionsparteien. Der Zwist zwischen Merz und den beiden Ministerpräsidenten, den der "Spiegel" beschrieben hat, verspricht Zündstoff in der Debatte.
Die Entscheidung wird wohl erst nach den Landtagswahlen in diesem Herbst endgültig fallen.
Daniel Günther (l.) und Hendrik Wüst applaudieren auf dem Bundesparteitag ihrer Partei.Bild: dpa / Michael Kappeler
Nach Merz' Rede auf dem Bundesparteitag hört man auf den Fluren des Estrel trotz tosendem Applaus vereinzelt: Etwas mehr Rumms hätte der so besonnenen Rede nicht geschadet.
Sie ist dennoch als Vorgeschmack darauf zu werten, was der Parteichef zur Bundestagswahl plant: Merz for Bundeskanzler. Wegweisend dafür ist auch sein Wahlergebnis auf dem Parteitag.
Merz im Amt bestätigt: Die CDU ist zufrieden mit ihm
Im Vorfeld zeichnete sich bereits ab: 80 Prozent wäre gerade noch akzeptabel, darunter desaströs, 90 Prozent hingegen wünschenswert. Diese Anforderung hat Friedrich Merz auf dem Parteitag erfüllt: Mit rund 90 Prozent wird er zum zweiten Mal zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Von 972 gültigen Stimmen sackt Merz 873 Stimmen ein.
Seine Partei ist zufrieden mit ihm.
Genau das kann man auch von Carsten Linnemann behaupten, es wurde jedoch auch nichts anderes erwartet. So wird ihm nicht nur zugeschrieben, die Parteizentrale wieder schlagkräftig gemacht zu haben. Auch die Arbeit am Grundsatzprogramm hat er als Chef dessen Kommission maßgeblich vorangetrieben. Mit 91,4 Prozent wird er in seinem Amt bestätigt.
Carsten Linnemann (l.) holte bei der Wahl ein paar Prozent mehr als sein Chef Friedrich Merz.Bild: dpa / Michael Kappeler
In seiner Rede zu Beginn des Parteitags gab er sich noch reißerisch, heizte die Stimmung an, fand klare, scharfe Worte. Richtung Ampel, Richtung links, Richtung rechts. Umso schlichter seine Worte zum Wahlergebnis: "Danke für das Vertrauen, schönen Abend noch." Damit erntet er einige Lacher. Doch so schnell lässt ihn Merz nicht vom Rednerpult. "Einfach mal aufmachen" steht auf einer Box, die er seinem Partei-Kollegen entgegenstreckt. Neue Laufschuhe. Weiter, immer weiter, so kann man das Geschenk verstehen.
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