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"Also lasst sie uns jagen": AfD-Parteitag zeigt Einigkeit bei Feindbildern

Tino Chrupalla (l), AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, gratuliert auf dem Bundesparteitag der AfD Alice Weidel nach deren Wahl zur zweiten, gleichberechtigten Bundessprecherin.  ...
Die beiden neuen Bundessprecher: Tino Chrupalla und Alice Weidel.Bild: dpa / Sebastian Kahnert
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"Also lasst sie uns jagen": AfD zeigt auf Parteitag Einigkeit bei den Feindbildern – und ansonsten viel Chaos

20.06.2022, 06:34
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Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) startete mit Verspätung in ihren 13. Bundesparteitag. Zu wenige der Delegierten waren zum eigentlichen Startzeitpunkt in Riesa anwesend. Pünktlicher war das "Zentrum für Politische Schönheit", ein Bündnis aus Aktionskunstschaffenden.

Sie ließen einen Zeppelin-Ballon des "Flyerservice Hahn" steigen. Ein fiktiver Werbemittelanbieter, den das Bündnis für das Wahljahr 2021 gegründet hat. Der einzige Kunde: Die AfD. Das "Zentrum für Politische Schönheit" vernichtete über diese Scheinfirma fünf Millionen Afd-Flyer – nach eigenen Angaben.

Mit 40 Minuten Verspätung sind dann auch die Delegierten der AfD bereit, in das Parteitagswochenende zu starten. Allerdings erst, nachdem sie noch mehrmals aufgefordert wurden, sich hinzusetzen und ihre "sicherlich sehr wichtigen" Privatgespräche einzustellen.

Was auf dem Bundesparteitag AfD im sächsischen Riesa passiert ist – und was das für die Partei und Deutschland bedeutet – hat watson für euch zusammengefasst.

Inneres Zerfleischen

Die AfD, so macht es den Anschein, ist eine Partei, die nicht nur in den Parlamenten lautstark streitet, sondern auch untereinander. Gute zweieinhalb Stunden diskutierten die Delegierten alleine über die Tagesordnung.

Jeder hatte Angst, dass über den eigenen Antrag nicht mehr gesprochen wird, weil die Delegierten womöglich am Sonntag nicht bis zum Schluss bleiben wollen. Und das, obwohl sie als Gesandte ihrer Landes- und Kreisverbände eigentlich genau deshalb da sind.

Die Kandidierenden für die Bundessprecher sprechen die Zerrissenheit in der Partei immer wieder an. Alice Weidel beispielsweise warb in ihrer Bewerbungsrede dafür, nicht in jede Kamera reinzusprechen, nur weil sie einem vor die Nase gehalten wird. Tino Chrupalla sagte, er erwarte, dass die AfD-Basis ihren Bundesvorsitzenden einen Vertrauensvorschuss schenke.

Der stellvertretende Bundessprecher der Partei, Stephan Brandner, rief seine Partei auf besondere Weise zur Einigkeit auf. "Lassen Sie uns fröhliche Fürze sein", schloss Brandner seine Rede. Er bezog sich mit dieser Aussage auf ein Zitat von Martin Luther, der meinte, dass aus verzagten Ärschen keine freundlichen Fürze kämen. Brandner nutzte diese Metapher, um seine Partei auf gemeinsame Euphorie einzustimmen. Statt gegenseitige Kritik sollten die Parteimitglieder auf die wahren "Feinde" blicken: Die "Schlapphüte" – also den Verfassungsschutz – oder die "Antifanten" – womit sie Linke, Demokraten und Antifaschistinnen meinen.

Wie uneins die Partei ist, zeigte sich spätestens an Tag drei: Der Parteitag wurde auf Wunsch einer Mehrheit der Delegierten abgebrochen, ohne über alle Resolutionen gesprochen zu haben. Die Stimmung war zu aufgeheizt, die Debatten zu laut. Statt weiterer Diskussionen gab es nur noch das Schlusswort der Bundesvorsitzenden und die Nationalhymne.

Erklärter Feind: die Grünen

Nicht nur der Verfassungsschutz und linke Demonstrieren sind der AfD ein Dorn im Auge. Besonders angetan haben es der Partei die Grünen. Oder wie sie sie nennen "grüne Öko-Kommunisten". In vielen Redebeiträgen arbeiteten sich die Parteimitglieder an den Grünen ab. Sei es bei der Frage, ob die AfD von einer Doppelspitze geführt werden soll ("Nein, weil das ist ein Konzept der Grünen und von denen kam noch nie was Gutes.").

Mariana Harder-Kühnel, stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende, sitzt auf dem Bundesparteitag der AfD in einem TV-Studio. Auf dem Delegiertentreffen, das noch bis 19. Juni 2022 dauert, wird der gesamte ...
Rechtsaußenpolitikerin Mariana Harder-Kühnel.Bild: dpa / Sebastian Kahnert

Sei es der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. In seiner Bewerbungsrede für den Beisitzerposten im Bundesvorstand sagte Martin Reichardt:

"Ich bin seit 30 Jahren mit der selben Frau verheiratet und wahrscheinlich aus diesem Grund für den Queerbeauftragten der Bundesregierung ein Rechter."

Diese Rede hat gereicht, um von den Delegierten gewählt zu werden.

Alexander Wolf wiederum schimpfte in seiner Rede auf die "links-grün-woke-Schickeria" und die "Transgenderpolitik". Gewählt wurde er nicht. Stattdessen votierten die Delegierten für Maximilan Krah, der ebenfalls eine Hasstirade auf die Grünen hielt. In der Rede enthalten: Transfeindliche Äußerungen über die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer (lautes Klatschen im Saal) und der Vorwurf, die Grünen verschandelten die Natur wegen des Wetters in 100 Jahren.

AfD-Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel wiederum diffamierte die Grünenpolitikerin und Kulturstaatsministerin Claudia Roth als Antideutsche. Sie hetzte außerdem:

"Wir sind die einzige wirkliche Opposition, also lasst sie uns jagen. Weil wir nicht wollen, dass Deutschland das Land der Deutschlandhasser wird."

Mit ihrer Wortwahl bezieht sie sich auf ein Zitat von Alexander Gauland aus seiner Rede, nachdem die AfD das erste Mal in den Deutschen Bundestag eingezogen war. Harder-Kühnel wurde von den Delegierten nach dieser Wutrede zur stellvertretenden Bundessprecherin gewählt.

Die neuen Co-Vorsitzenden sind altbekannt

Geprägt wurde der AfD-Bundesparteitag von einer diffusen Angst vor Wahlbetrug. Schon zu Beginn, als die elektronischen Abstimmungsgeräte vorgestellt wurden, wurde stark betont, dass diese Manipulationssicher seien. Zu jedem Wahlgang wurden außerdem die Türen verschlossen, damit es keine Beeinflussungen mehr von draußen geben könne. Die Wahlleitenden mussten am Eingang überprüfen, dass auch alles seine Richtigkeit hat.

Tino Chrupalla (l), AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, gratuliert auf dem Bundesparteitag der AfD Alice Weidel nach deren Wahl zur zweiten, gleichberechtigten Bundessprecherin.  ...
Alice Weidel und Tino Chrupalla nach ihrer Wahl als Bundessprechende.Bild: dpa / Sebastian Kahnert

Manipulationsfrei und elektronisch wählten die Delegierten dann das neue Duo an der Parteispitze. Die beiden sind keine Unbekannten: Tino Chrupalla (53,4 Prozent) und Alice Weidel (67,3 Prozent). Chrupalla war auch in den vergangenen beiden Jahren Bundessprecher der Partei, Weidel ist die Fraktionsvorsitzende. Die beiden hatten die AfD bereits in den Bundestagswahlkampf 2021 geführt.

In den engeren Führungszirkel wählte der Parteitag drei Kandidaten, die sich Chrupalla gewünscht hatte: Parteivize Stephan Brandner, der dem Thüringer Landesverband angehört, wurde mit 72,4 Prozent im Amt bestätigt. Neben ihm wurden der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer (55,4 Prozent) und seine Fraktionskollegin Mariana Harder-Kühnel (74,6 Prozent) zu Stellvertretern Chrupallas und Weidels gewählt.

In insgesamt rund neun Stunden wurden außerdem neue Bundesschatzmeister (Carsten Hütter und Harald Weyel), sowie Dennis Hohloch als Schriftführer gewählt. Hohloch ist Kommunalpolitiker in Berlin-Reinickendorf und Lehrer. Auf die Frage, was ihn zum Schriftführer qualifiziere, antwortete er, er könne schreiben.

Der 14-köpfige AfD-Bundesvorstand steht nach seiner Wahl auf dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena auf der Bühne zusammen. Auf dem Delegiertentreffen, das noch bis zum 19. Juni 2022 dauert,  ...
Der neue AfD-Bundesvorstand.Bild: dpa / Sebastian Kahnert

Auch sechs neue Beisitzende wurden gewählt. Marc Jongen, Martin Reichardt, Roman Reusch, Maximilian Krah, Christina Baum und Carlo Clemens. Die Partei ist mit diesen Personalien – gerade mit Christina Baum, Mariana Harder-Kühnel und Maximilian Krah – noch weiter nach rechts gerückt.

Dass damit auch der ganz-weit-rechts-außen-Höcke mehr Mitsprache hat, zeigte sich direkt an Tag drei: Die Vereinigung "Zentrum Automobil", eine Pseudogewerkschaft, die kein Problem damit hat, mit Neonazis auf die Straße zu gehen, wurde von der Unvereinbarkeitsliste der Partei gestrichen.

Höcke hatte in einer Rede für die Streichung geworben, seine Begründung: Nicht der Verfassungsschutz, sondern die AfD entscheide, wer Extremist ist.

Bevor allerdings tatsächlich der neue Bundesvorstand gewählt werden konnte, stimmten die Delegierten für einen Antrag Björn Höckes. Der forderte, in Zukunft nicht mehr drei, sondern nur noch ein bis zwei Bundessprechende zu wählen. Allerdings, so stellte er in seiner begründenden Rede klar, solle auf diesem Parteitag noch eine Doppelspitze gewählt werden.

Die Partei sei "noch nicht bereit", die Macht einer einzelnen Person zu übertragen. Höcke wünsche sich Bundesvorsitzende, die sich nicht dem "Machtnarzissmus" hingeben. In zwei Jahren dann sei die Partei bereit, eine Einzelperson mitsamt Generalsekretär an die Spitze zu wählen.

13. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 18.06.2022 in der SACHSENarena in Riesa Björn Höcke ( Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag ), links - gratuliert Tino Chrupalla ( B ...
Bundesvorsitzende mit Höckes Gnaden: Der thüringer Fraktionschef gratuliert Tino Chrupalla.Bild: Revierfoto / Revierfoto

Vor dem Parteitag blieb unklar, ob Höcke selbst für das Amt kandidieren würde. Er hatte erklärt, wenn er antrete, wolle er eine aktive Rolle spielen. Nun entschied er sich gegen eine Kandidatur. Mit der von ihm initiierten Satzungsänderung hat er aber den Weg frei gemacht, sich beim Parteitag in zwei Jahren zum alleinigen Vorsitzenden wählen zu lassen.

"Wir-haben-es-euch-ja-gesagt"-Spirit

Durch die aktuellen Krisen sieht sich die Partei in vielen ihrer Forderungen bestätigt. An der aktuellen Inflation ist der Euro schuld, wahlweise aber auch der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Europa ist sowieso doof, schließlich raube die EU Deutschland die "Souveränität und Demokratie", wie Norbert Kleinwächter in seiner Rede zusammenfasst.

Dass zumindest Teile der Partei die EU als Konstrukt so richtig doof finden, zeigt auch die eingebrachte Resolution "Europa neu denken". Ihr lautester Verfechter – mal wieder – Björn Höcke. Der Antrag soll die Vision der AfD darstellen, wie Europa in Zukunft aussehen soll. Wie der Dexit (also der Deutschland Exit) gestaltet werden soll. Der Ultrarechte Höcke nannte die EU in seiner Rede ein "institutionalisiertes Anti-Europa" und "Globalisierungsinstanz". Damit nutzte er antismitische Sprache.

Dieser Antrag erhitzte die Gemüter der Delegierten. Es wurde gestritten. Ein Verfahrensantrag jagte den nächsten. Ob der Antrag in die Bundesfachausschüsse übergeben werden soll? Nein. Ob der Antrag in den Bundesvorstand gegeben werden soll? Nein. Ob der Antrag hinten angestellt werden soll? Nein.

Um 15:24 forderte Kay Gottschalk, dass der Parteitag beendet werden soll. "Wir demontieren unseren neu gewählten Vorstand." Nein. Wenn auch knapp: 216 zu 201 Delegierte votierten gegen die verfrühte Beendigung. Zwei der Unterzeichner der Resolution zogen wegen der kontroversen Debatte ihre Unterschrift zurück.

Es war der Parteitag der Ultrarechten.

Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, steht auf dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena in einem TV-Studio.
Björn Höcke bestimmte den Parteitag maßgeblich.Bild: dpa / Sebastian Kahnert

Es war der Parteitag Björn Höckes.

Trotzdem entschieden sich die Delegierten nach mehreren Stunden der Debatte, den "Europa-neu-denken"-Antrag doch an den Bundesvorstand zu übergeben. Allerdings erst, nachdem Tino Chrupalla noch einmal eine eindringliche Rede gehalten hatte.

Auch am russischen Angriffskrieg seien die anderen Parteien schuld, denn mit Diplomatie hätte sicherlich der Einmarsch verhindert werden können. Chrupalla spricht in seiner Bewerbungsrede davon, dass die AfD die einzige Partei sei, die den Krieg nicht wolle. "Die Bundesregierung liefert Waffen und erhöht Sanktionen", sagt er. Daher sei die Inflation hausgemacht.

Die Sanktionen gegen Russland verdeutlichten auch ein weiteres Problem, vor dem die AfD bereits seit Jahren warne: Energieknappheit. Energiesicherheit und der Grüne-Energieminister Habeck sind das gefundene Fressen für die selbsternannte Alternative. Karsten Hilse spricht beispielsweise von einer "Energieunsicherheit durch Grüne-Öko-Kommunisten". Aber auch der Stromimport aus dem Ausland sei "unwürdig".

Die Mitglieder haben stattdessen die Chance gerochen, ein Thema durch ihre Partei zu besetzen: Sie wollen die Kernenergie zurück. Längere Laufzeiten, neue Meiler. Unstimmigkeiten gibt es über die Endlagerproblematik. Manch ein AfDler hält die Lagerung für sinnlos. Nicht aber Christian Blex. Er sagte: "Ein Endlager ist notwendig für mindestens 1000 Jahre." Andere stimmten ihm zu. Laut der beschlossenen Resolution brauche es dennoch nicht zwingend Endlager.

Der Medienplan der Partei

Die AfD fühlt sich ungerecht behandelt. Von einem Teil der Gesellschaft, von anderen Parteien und ganz besonders von den Medien. Oder wie sie sie nennen: den "Haltungsjournalisten", den "Mainstream Medien". Der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter ist auf diesem Parteitag mit seiner Idee, eine eigene Zeitung, einen eigenen Radiosender und ein eigenes Fernsehprogramm zu erstellen, nicht allein.

04 April 2019, Berlin: Stefan Keuter, member of the Bundestag of the AfD, speaks to the members of the Bundestag. Photo: Kay Nietfeld/dpa
Der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter.Bild: dpa / Kay Nietfeld

Zwischenzeitlich wurde darüber fabuliert, ein Medienhaus aufzukaufen, da viele aktuell in der Krise steckten. Rechtlich ist zumindest die Beteiligung an Medien möglich, zumindest hatte das Bundesverfassungsgericht 2008 festgestellt, dass ein absolutes Verbot verfassungswidrig ist.

Der neugewählte Schriftführer Dennis Hohloch sprach von einer "internationalen linken Meinungsmafia", die für die Flaute der AfD verantwortlich ist. Trotzdem diskutierten die Delegiertem am dritten und letzten Tag des Parteitages darüber, ob die Resolutionen nicht doch früher am Tag besprochen werden sollten, solange "die Medienvertreter noch da sind, um darüber zu schreiben."

Gleichzeitig berichten Medienvertretende, die auf dem Parteitag anwesend sind, dass sie in einem kleinen, abgesperrten Bereich ausharren müssen. Strom müsse außerdem bezahlt werden und WLAN gebe es auch nicht.

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