Seit über einem Jahr sind FDP, SPD und Grüne am Drücker: Welche ihrer Vorhaben sind bereits umgesetzt – wo hakt es?Bild: dpa / Kay Nietfeld
Analyse
02.01.2023, 08:5902.01.2023, 15:25
"Mehr Fortschritt wagen" ist der Titel des Koalitionsvertrags, mit dem die Ampelregierung 2021 an den Start gegangen ist. Die selbsternannte Fortschrittskoalition hatte ambitionierte Pläne. Gerade in den Bereichen Klimaschutz, Marktwirtschaft und Gesellschaft.
Dann kam der russische Angriff auf die Ukraine. Krieg in Europa. Energiekrise, Inflation. Ein alter Koalitionsvertrag in einer neuen Zeit. Immer wieder stehen die Koalitionäre vor Entscheidungen, die sie im Koalitionsvertrag nicht festgehalten haben.
Trotzdem stellt sich die Frage: Was hat die Koalition bisher umgesetzt? Watson macht für euch den Check in den Kategorien Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichberechtigung und Chancengleichheit.
Was hat die Ampel angestoßen, um Nachhaltigkeit zu fördern?
Klimaschutz sollte laut Koalitionsvertrag zur Querschnittsaufgabe werden. Also wichtig für alle Bereiche der Regierung. Geplant waren unter anderem Klimachecks, mit denen die einzelnen Ministerien Gesetze auf Klimaverträglichkeit prüfen sollen. Dieser Kontrollmechanismus wurde bisher nicht eingeführt. Laut dem "Spiegel" soll das Konzept für diese Checks im ersten Halbjahr 2023 kommen.
Ein weiterer Punkt im Koalitionsvertrag: Der Kohleausstieg. Idealerweise soll dieser acht Jahre vorgezogen werden, also schon 2030 erfolgen. Das Wirtschaftsministerium sollte eigentlich im Sommer 2022 eine Überprüfung vorlegen, was ein früherer Ausstieg für die Versorgungssicherheit bedeuten würde – das Ministerium von Minister Robert Habeck (Grüne) hat das zeitlich allerdings nicht geschafft. Nun soll dieser Bericht 2023 vorgelegt werden.
Der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen wurde aber tatsächlich bereits auf 2030 vorgezogen.
Obwohl der Kohleausstieg in NRW vorgezogen wird, muss das Dorf Lützerath dem Kohleabbau weichen.Bild: dpa / Federico Gambarini
Geplant war auch, bis 2030 zumindest 80 Prozent des Energiebedarfs mittels Solar- und Windanlagen zu decken. Aus diesem Grund werden aktuell Beschleunigungsverfahren auf den Weg gebracht – auch auf EU-Ebene gibt es nun eine Notfallverordnung, die die Genehmigungen beschleunigen soll.
Im Februar soll außerdem das geplante Wind-an-Land-Gesetz in Kraft treten. Es soll den Ausbau von Windkraftanlagen deutschlandweit vorantreiben und nimmt dafür die Länder in die Pflicht. Die EEG-Umlage wurde bereits im Sommer 2022 ausgesetzt.
Das versprochene Klimaschutzsofortprogramm hat die Regierung bisher nicht vorgelegt.
Dafür hat sich Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) beim Weltnaturgipfel, wie im Vertrag festgelegt, für den weltweiten Artenschutz starkgemacht. Mit Erfolg: Die 193 Staaten haben sich im Dezember darauf geeinigt, Artenschutz voranzutreiben und 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen. Auch in Deutschland gibt es jetzt ein neues Artenschutzprogramm.
Ist Deutschland schon diverser geworden?
Weil die größte Gefahr von Rechts ausgeht, hat es sich die Ampelregierung zur Aufgabe gemacht, entschieden gegen demokratiefeindliche Tendenzen vorzugehen. Auch, indem die Zivilgesellschaft gestärkt wird. Geplant war dafür ein Demokratiefördergesetz. Und der Gesetzentwurf wurde vom Kabinett im Dezember tatsächlich beschlossen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt die Zivilgesellschaft das "Bollwerk gegen den Extremismus".
Ziel des Gesetzes ist es, zivilgesellschaftliches Engagement und Projekte zuverlässig zu fördern. Bislang waren nur kurze Förderperioden möglich. Durch das Gesetz soll der Bund aber explizit den Auftrag bekommen, demokratische Initiativen zu fördern.
Für Geflüchtete, wie diese beiden Männer aus Algerien, soll es leichter werden, sich in Deutschland ein Leben aufzubauen.Bild: dpa / Philipp von Ditfurth
Mit dem beschlossenen Chancenaufenthaltsrecht und der Einbürgerungsreform, die die Innenministerin anstrebt, hat die Ampel zwei weitere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst. Es wird sich zeigen, ob die Regierungsparteien mit ihren Plänen zur Einwanderung durchkommen – die Union übt harte Kritik am Entwurf.
Ein weiteres Versprechen im Koalitionsvertrag: Trans* Personen sollen es leichter haben, selbstbestimmt leben zu können. Und die Ampel hat zumindest den Anfang gemacht. Bereits im Sommer stellten Justizminister Marco Buschmann und Familienministerin Lisa Paus den Gesetzentwurf vor. Damit soll das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980 abgelöst werden. Die Änderung von Namen und Geschlecht soll künftig im Standesamt möglich sein.
Angestoßen hat die Koalition auch den "Nationalen Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt". Damit soll unter anderem mehr Aufklärung an Schulen geleistet werden.
Die Queer-Community geht am Christopher-Street-Day jährlich für mehr Gleichberechtigung auf die Straße.Bild: IMAGO/Fotostand
Eigentlich wollten sich die Koalitionäre auch zügig dafür einsetzen, dass Schwule problemlos Blut spenden dürfen. Denn auch dieses Verbot ist diskriminierend. Bisher ist hier aber noch nichts passiert. Die geplante Verantwortungsgemeinschaft, die der Ehe gleichgestellt sein soll, dürfte ebenfalls frühestens Ende 2023 kommen.
Wie hat die Ampel im ersten Jahr Gleichberechtigung vorangetrieben?
Den größten geplanten Schritt in puncto Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen ist die Ampel bereits gegangen: Die Abschaffung des Paragrafen 219a – dem Verbot für Ärzt:innen, auf ihren Websites über Abbrüche zu informieren – sehr zum Unwillen von Union und AfD. Trotzdem steht der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor im Strafgesetzbuch, direkt hinter dem Straftatbestand Mord.
Und da hört der Weg zur Gleichberechtigung dann auch fast schon auf. Die Ampel plant im Koalitionsvertrag zwar einen Gleichberechtigungscheck für neue Gesetze und ein Ende der Gender-Data-Gap in der Medizin. Passiert ist in diesen Bereichen allerdings noch nichts.
Um den Gender-Pay-Gap zu schließen, war außerdem ein neues Entgelttransparenzgesetz geplant, das die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen vorantreiben soll. Nachgeschärft wurde hier bisher noch nichts. Auch das Führungspositionengesetz, das die Wirtschaft bei der Besetzung von Posten in die Pflicht nimmt, wurde noch nicht angetastet.
Was hat die Regierung für die Chancengleichheit getan?
Aus der angekündigten sozialpolitischen Reform des Jahrzehnts wurde am Ende ein Reförmchen. Dennoch: Die Ampelregierung hat in ihrem ersten Jahr das Bürgergeld durchgebracht. Der Hartz-IV-Nachfolger soll 2023 in Kraft treten. Beziehende bekommen dann zum einen 50 Euro mehr im Monat, außerdem werden die Zuverdienstgrenzen angehoben. Gerade für Kinder aus Bezugsfamilien bedeutet das: Das Geld, das sie beispielsweise bei Ferienjobs verdienen, dürfen sie behalten.
Arbeitsminister Hubertus Heil hat 2022 eine Sozialreform durchgesetzt.Bild: dpa / Britta Pedersen
Bis es die Kindergrundsicherung, die die Regierung im Koalitionsvertrag versprochen hat, gibt, dauert es noch ein bisschen. Geplant ist aber nach wie vor, Kindergeld und Zusatzleistungen für Familien mit geringem Einkommen künftig zusammenzufassen. Wohl aber nicht vor 2024.
Um Studierende und Auszubildende besser zu unterstützen, hat die Koalition außerdem eine Bafög-Reform angestoßen. Mehr Menschen bekommen nun höhere Beträge. Bisher ist die staatliche Unterstützung allerdings noch immer nicht elternunabhängig, obwohl die Ampel das geplant hat. Und nicht nur in die Ausbildung junger Erwachsener wollte die Regierung mehr Geld stecken, sondern auch in Schulen und Kitas. Bisher ist hier aber noch nicht sehr viel passiert.
Im Herbst 2022 wurde der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Die Regierung hat damit ihr Versprechen eingelöst – wobei die Steigerung aktuell von der Inflation gefressen wird.
Das erste Viertel der Legislaturperiode ist nun abgelaufen, in den kommenden drei Jahren hat die Ampel-Regierung also einiges zu tun.
Susan Wiles wird die mächtigste Frau Washingtons. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump gegen die Demokratin Kamala Harris tüftelt er bereits fleißig an der Aufstellung seines Kabinetts. Seine Wahlkampfleiterin Susan Wiles ernennt er zur Stabschefin des Weißen Hauses. Damit ist sie die erste Frau, die diesen Posten übernimmt.