Der bisherige Schattenminister: In der Pandemie war Karl Lauterbach teilweise häufiger in der Öffentlichkeit als der bisherige Gesundheitsminister Jens Spahn.Bild: www.imago-images.de / Florian Gaertner/photothek.de
Analyse
Lauterbach wird Gesundheitsminister, das neue Bundeskabinett ist paritätisch besetzt. Was sagt die Politik dazu?
07.12.2021, 10:1908.12.2021, 08:02
Die Ampel-Koalitionäre haben bisher schon mindestens zwei ihrer Wahlversprechen eingehalten – und dabei sind sie noch nicht einmal offiziell im Amt. Das erste Versprechen war: Bis zur Nikolaus-Woche soll die neue Regierung stehen.
Check.
Das zweite Versprechen hatte Olaf Scholz während des Wahlkampfes immer wieder wiederholt. Und es war vor allem unter konservativen Kritikerinnen und Kritikern sehr umstritten: Scholz wollte und will die Bundesministerien paritätisch besetzen.
Heißt: Genauso viele Frauen wie Männer sollen die einzelnen Ressorts leiten. Auch dieses Versprechen, das weiß man seit Montag, hat der künftige Kanzler Scholz quasi eingehalten – zählt man ihn als Kanzler nicht mit dazu.
Also: Check.
Ein weiteres Phänomen ist mit der Bekanntgabe der Ministerinnen und Minister nennenswert: Wie es in Medienberichten der vergangenen Wochen hieß, hatte die SPD offenbar ihren Gesundheitsexperten Karl Lauterbach nicht zum Minister machen wollen.
Karl Lauterbach hat für sein Engagement in der Pandemie viel Lob erhalten, aber auch viel Gegenwind.Bild: dpa / Michael Kappeler
Lauterbach habe zu viele Kritiker in den eigenen Reihen, hieß es etwa. Der künftige SPD-Vorsitzende und (noch) Generalsekretär Lars Klingbeil witzelte noch in der ZDF-Talksendung gegenüber Markus Lanz: "Was würden Sie denn ohne Herrn Lauterbach machen?" Der Gesundheitsexperte habe ja gar keine Zeit für das Amt.
Jetzt wird Lauterbach doch Gesundheitsminister.
Laut einigen Stimmen, vor allem auf Twitter, entschied sich Scholz für den Rheinländer, weil die Bevölkerung laute und heftige Kritik geäußert hatte, nachdem geheime Kabinettslisten öffentlich gemacht worden waren
Auf diesen Listen spielte Lauterbach keine oder zumindest nur eine geringe Rolle. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag von watson wünschte sich sich eine Mehrheit der Deutschen den 58-Jährigen Rheinländer als Gesundheitsminister.
Aber wie reagiert die Politik auf das neue Kabinett? Das wollte watson wissen und hat sich einmal umgehört:
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): "Seine fachliche Expertise ist unbestritten"
Marie-Agnes Aschenberg-Dugnus schätzt Karl Lauterbachs Expertise.Bild: www.imago-images.de / Political-Moments
Christine Aschenberg-Dugnus ist gesundheitspolitische Sprecherin der FDP. Auf die Kabinettsliste des Koalitionspartners SPD angesprochen, sagte Aschenberg-Dugnus zu watson: "Es steht mir nicht zu, die Entscheidungen der SPD zu kommentieren." Zur Personalie Lauterbach als Gesundheitsminissagte sie:
"Ich kenne Karl Lauterbach von den Koalitionsverhandlungen im Bereich Gesundheit und Pflege. Seine fachliche Expertise ist unbestritten und ich schätze den direkten Austausch mit ihm."
Maria Klein-Schmeink (Grüne): "Richtig, dass jemand das Gesundheitsministerium übernimmt, der sich mit dem Thema auskennt"
Maria Klein-Schmeink freut sich über die Entscheidung der SPD.Bild: Geisler-Fotopress / Frederic Kern/Geisler-Fotopress
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen ist da weniger zurückhaltend. Für sie ist die Entscheidung der SPD für Lauterbach die richtige Entscheidung.
Auf watson-Anfrage schrieb sie: "Es ist richtig, dass während der Pandemie jemand das Gesundheitsministerium übernimmt, der sich mit dem Thema auskennt und es auch versteht, Maßnahmen der Bevölkerung zu vermitteln."
Sie wünsche dem designierten Gesundheitsminister für die nächsten Monate "viel Erfolg bei der schwierigen Aufgabe, die nun vor ihm liegt".
Mit einem Gesamtblick auf das Kabinett schreibt Klein-Schmeink:
"Ich freue mich auf eine konstruktive und engagierte Zusammenarbeit, um den bestmöglichen Weg im Umgang mit der Pandemie zu finden und zugleich die notwendigen Reformen anzugehen."
Als Münsterländerin sei es für sie schön zu sehen, dass Svenja Schulze dem Kabinett erhalten bleibe.
Nicole Bauer (FDP): "Vielfalt sorgt für bessere Lösungen"
Nicole Bauer will bessere Strukturen für Gleichberechtigung in der Politik schaffen.Bild: Geisler-Fotopress / Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
Nicole Bauer von der FDP freut sich besonders über das paritätisch besetzte Kabinett. Sie ist frauenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag.
Sie schreibt auf watson-Anfrage:
"Ich freue mich über ein so divers zusammengesetztes Kabinett, da ich davon überzeugt bin, dass Vielfalt für bessere Lösungen sorgt."
Entscheidend seien Qualifikation und Leistung, und die seien in der Bevölkerung auch zwischen den Geschlechtern gleich verteilt.
"An uns ist es, Strukturen zu schaffen, die Männern und Frauen politisches Engagement und Spitzenämter ermöglichen“, sagte Bauer.
Jens Spahn (CDU): "Die Bewältigung dieser Pandemie bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe"
Jens Spahn wünscht Lauterbach eine "glückliche Hand".Bild: dpa / Kay Nietfeld
Eine Anfrage von watson an den noch geschäftsführenden Gesundheitsminister blieb unbeantwortet.
Jens Spahn (CDU) gratulierte Lauterbach in einem Tweet öffentlich zum neuen Amt. Darin schrieb er von einer "wichtigen und schwierigen, doch auch sehr schönen Aufgabe".
Ulle Schauws (Grüne): "Versprechen gegeben,
nicht gehalten"
Ulle Schauws ist enttäuscht vom neuen Kabinett.Bild: Revierfoto / Revierfoto
Es gibt auch viele kritische Stimmen, selbst unter den Koalitionspartnern.
Die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws beispielsweise schreibt auf Twitter, Scholz verkaufe Gleichstellung und Frauen "für blöd". Sein Versprechen eines paritätischen Kabinetts habe er nicht eingehalten.
Dietmar Bartsch (Linke): "Krankenhäuser sollen zuallererst Menschen gesund machen, nicht Profite"
Bild: imago images / Emmanuele Contini
Der ehemalige Chef der Linken, Dietmar Bartsch, machte auf Twitter darauf aufmerksam, dass Lauterbach 2019 noch jedes zweite Krankenhaus habe dichtmachen wollen.
Markus Söder (CSU): Lauterbach "eine gute Wahl"
Bild: dpa / Matthias Balk
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder gratuliert Lauterbach zum neuen Amt und schreibt auf Twitter, die SPD habe die richtige Entscheidung getroffen.
Zuvor hatte er mehrfach kritisiert, dass Lauterbach nicht auf den Kabinettslisten stand, die im Internet kursierten. Noch bei Anne Will am Sonntag hatte Söder über Lauterbach gesagt, er wünsche ihn sich als Minister.
Friedrich Merz (CDU) mit Spitzen über Parität: "Da spielt Kompetenz keine Rolle mehr"
Am Montag kommentierte Friedrich Merz das neue Kabinett nicht mehr.Bild: dpa / Michael Kappeler
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, äußerte sich noch am Freitag empört über die kursierenden Kabinettslisten. Auf Twitter schrieb er, Kompetenz spiele offenbar keine Rolle. Nachdem Lauterbach nun doch Gesundheitsminister wird, antwortete der designierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nur trocken:
"Düdüm".
Auch in einem Gespräch mit dem Online-Portal "Focus-Online" hatte Merz die Ampel-Parteien heftig kritisiert. "Da spielt Kompetenz keine Rolle mehr, sondern nur noch Geschlecht", soll Merz im Interview mit "Focus Online" gesagt haben. Lauterbach sei "das Gesicht der Gesundheitspolitik der SPD", sagte Merz. "Er kommt offensichtlich nicht zum Zuge, weil er ein Mann ist."
Die neuesten Entwicklungen kommentierte Merz am Montag zumindest nicht.
Das Kabinett des 20. Bundestags.Bild: dpa / Michael Kappeler, Kay Nietfeld
So sieht das neue Bundeskabinett aus
Das sind die Ministerinnen und Minister der
20. Legislaturperiode
SPD:
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts
Karl Lauterbach, Gesundheitsminister
Nancy Faeser, Innenministerin
Christine Lambrecht, Verteidigungsministerin
Hubertus Heil, Minister für Arbeit und Soziales
Svenja Schulze, Entwicklungsministerin
Klara Geywitz, Ministerin für Bauen und Wohnen
Grüne
Robert Habeck, Minister für Wirtschaft und Klima und Vizekanzler
Annalena Baerbock, Außenministerin
Steffi Lemke, Umweltministerin
Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister
Anne Spiegel, Familienministerin
FDP
Christian Lindner, Finanzminister
Volker Wissing, Verkehrsminister
Marco Buschmann, Justizminister
Bettina Stark-Watzinger, Bildungsministerin