Die Ampel-Koalitionäre haben bisher schon mindestens zwei ihrer Wahlversprechen eingehalten – und dabei sind sie noch nicht einmal offiziell im Amt. Das erste Versprechen war: Bis zur Nikolaus-Woche soll die neue Regierung stehen.
Check.
Das zweite Versprechen hatte Olaf Scholz während des Wahlkampfes immer wieder wiederholt. Und es war vor allem unter konservativen Kritikerinnen und Kritikern sehr umstritten: Scholz wollte und will die Bundesministerien paritätisch besetzen.
Heißt: Genauso viele Frauen wie Männer sollen die einzelnen Ressorts leiten. Auch dieses Versprechen, das weiß man seit Montag, hat der künftige Kanzler Scholz quasi eingehalten – zählt man ihn als Kanzler nicht mit dazu.
Also: Check.
Ein weiteres Phänomen ist mit der Bekanntgabe der Ministerinnen und Minister nennenswert: Wie es in Medienberichten der vergangenen Wochen hieß, hatte die SPD offenbar ihren Gesundheitsexperten Karl Lauterbach nicht zum Minister machen wollen.
Lauterbach habe zu viele Kritiker in den eigenen Reihen, hieß es etwa. Der künftige SPD-Vorsitzende und (noch) Generalsekretär Lars Klingbeil witzelte noch in der ZDF-Talksendung gegenüber Markus Lanz: "Was würden Sie denn ohne Herrn Lauterbach machen?" Der Gesundheitsexperte habe ja gar keine Zeit für das Amt.
Jetzt wird Lauterbach doch Gesundheitsminister.
Laut einigen Stimmen, vor allem auf Twitter, entschied sich Scholz für den Rheinländer, weil die Bevölkerung laute und heftige Kritik geäußert hatte, nachdem geheime Kabinettslisten öffentlich gemacht worden waren
Auf diesen Listen spielte Lauterbach keine oder zumindest nur eine geringe Rolle. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag von watson wünschte sich sich eine Mehrheit der Deutschen den 58-Jährigen Rheinländer als Gesundheitsminister.
Aber wie reagiert die Politik auf das neue Kabinett? Das wollte watson wissen und hat sich einmal umgehört:
Christine Aschenberg-Dugnus ist gesundheitspolitische Sprecherin der FDP. Auf die Kabinettsliste des Koalitionspartners SPD angesprochen, sagte Aschenberg-Dugnus zu watson: "Es steht mir nicht zu, die Entscheidungen der SPD zu kommentieren." Zur Personalie Lauterbach als Gesundheitsminissagte sie:
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen ist da weniger zurückhaltend. Für sie ist die Entscheidung der SPD für Lauterbach die richtige Entscheidung.
Auf watson-Anfrage schrieb sie: "Es ist richtig, dass während der Pandemie jemand das Gesundheitsministerium übernimmt, der sich mit dem Thema auskennt und es auch versteht, Maßnahmen der Bevölkerung zu vermitteln."
Sie wünsche dem designierten Gesundheitsminister für die nächsten Monate "viel Erfolg bei der schwierigen Aufgabe, die nun vor ihm liegt".
Mit einem Gesamtblick auf das Kabinett schreibt Klein-Schmeink:
Als Münsterländerin sei es für sie schön zu sehen, dass Svenja Schulze dem Kabinett erhalten bleibe.
Nicole Bauer von der FDP freut sich besonders über das paritätisch besetzte Kabinett. Sie ist frauenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag.
Sie schreibt auf watson-Anfrage:
Entscheidend seien Qualifikation und Leistung, und die seien in der Bevölkerung auch zwischen den Geschlechtern gleich verteilt.
"An uns ist es, Strukturen zu schaffen, die Männern und Frauen politisches Engagement und Spitzenämter ermöglichen“, sagte Bauer.
Eine Anfrage von watson an den noch geschäftsführenden Gesundheitsminister blieb unbeantwortet.
Jens Spahn (CDU) gratulierte Lauterbach in einem Tweet öffentlich zum neuen Amt. Darin schrieb er von einer "wichtigen und schwierigen, doch auch sehr schönen Aufgabe".
Es gibt auch viele kritische Stimmen, selbst unter den Koalitionspartnern.
Die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws beispielsweise schreibt auf Twitter, Scholz verkaufe Gleichstellung und Frauen "für blöd". Sein Versprechen eines paritätischen Kabinetts habe er nicht eingehalten.
Der ehemalige Chef der Linken, Dietmar Bartsch, machte auf Twitter darauf aufmerksam, dass Lauterbach 2019 noch jedes zweite Krankenhaus habe dichtmachen wollen.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder gratuliert Lauterbach zum neuen Amt und schreibt auf Twitter, die SPD habe die richtige Entscheidung getroffen.
Zuvor hatte er mehrfach kritisiert, dass Lauterbach nicht auf den Kabinettslisten stand, die im Internet kursierten. Noch bei Anne Will am Sonntag hatte Söder über Lauterbach gesagt, er wünsche ihn sich als Minister.
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, äußerte sich noch am Freitag empört über die kursierenden Kabinettslisten. Auf Twitter schrieb er, Kompetenz spiele offenbar keine Rolle. Nachdem Lauterbach nun doch Gesundheitsminister wird, antwortete der designierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nur trocken:
"Düdüm".
Auch in einem Gespräch mit dem Online-Portal "Focus-Online" hatte Merz die Ampel-Parteien heftig kritisiert. "Da spielt Kompetenz keine Rolle mehr, sondern nur noch Geschlecht", soll Merz im Interview mit "Focus Online" gesagt haben. Lauterbach sei "das Gesicht der Gesundheitspolitik der SPD", sagte Merz. "Er kommt offensichtlich nicht zum Zuge, weil er ein Mann ist."
Die neuesten Entwicklungen kommentierte Merz am Montag zumindest nicht.