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RBB in der Kritik: So müssen sich Fernsehen und Radio ändern

Der Rundfunk Berlin Brandenburg steht in der Kritik: Senderleiterin Patricia Schlesinger musste gehen.
Der Rundfunk Berlin Brandenburg steht in der Kritik: Senderleiterin Patricia Schlesinger musste gehen.bild; imago images/schöning
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RBB und NDR in der Kritik: Welche Rolle die Rundfunkräte haben – und wo es Defizite gibt

27.08.2022, 16:1419.04.2023, 12:46
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Politische Einflussnahme auf Programminhalte und Korruption in der Führung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: Gleich zwei Sender der ARD stehen in der Kritik. Erst die ehemalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) und nun laut einem Stern-Bericht auch der Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Schleswig-Holstein. Dort sollen leitende Redakteur:innen kritische Berichte über die schleswig-holsteinische CDU unterbunden haben.

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Der Norddeutsche Rundfunk in Schleswig-Holstein soll CDU-kritische Beiträge unterbunden haben.Bild: IMAGO / imagebroker

Was machen Verwaltungsrat und Rundfunkrat?

Kontrollgremien wie Verwaltungsrat und Rundfunkrat haben die Aufgabe, solche Fehlverhalten zu erkennen und zu unterbinden. Bei der Verwendung von Mitteln ist es der Verwaltungsrat – also im aktuellen Fall des rbb. Rundfunkräte sind für die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Anstalten, also vor allem zum Programm im Fernsehen und im Radio zuständig. Das ZDF hat einen Fernsehrat. Der ARD gehören neun Rundfunkanstalten an. Diese haben jeweils einen Rundfunkrat.

"Der Staat hatte damals ungehinderten Zugriff auf die Inhalte. Und genau das sollte in der neuen Medienordnung der Bundesrepublik verhindert werden."
Christiane Eilders, Medienwissenschaftlerin

Die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Christiane Eilders von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf erklärt auf watson-Nachfrage:

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Antwort auf die problematische Rolle der Medien im Nationalsozialismus. Der Rundfunk wurde damals sehr erfolgreich als Propagandainstrument missbraucht. Der Staat hatte damals ungehinderten Zugriff auf die Inhalte. Und genau das sollte in der neuen Medienordnung der Bundesrepublik verhindert werden."

Die Staatsferne der Massenmedien sollte gewährleistet sein: Bei Zeitschriften und Zeitungen ist die Vielfalt durch unabhängige, miteinander konkurrierende Verlagshäuser gewährleistet. Bei Radio und Fernsehen muss die Diversität durch Vielfalt und Ausgeglichenheit im Inneren ausgeübt werden.

Es ist also falsch, von Staatsfunk zu sprechen, wie das Verschwörungs-Anhänger:innen tun. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind kein Staatsfunk, betont Eilders, "gleichwohl sind Parteien als gesellschaftlich relevante Gruppen in unterschiedlichen Anteilen irgendwie repräsentiert."

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Der rbb ist unter anderem im Haus des Rundfunks in Berlin-Charlottenburg untergebracht.Bild: IMAGO / Schöning

Der Rundfunkrat setzt sich mit dem Inhalt der Öffentlich-Rechtlichen auseinander

Der Rundfunkrat hat die Funktion, im Programm die Qualität und den Pluralismus zu kontrollieren, sagt Eilders. Aber auch, ob Werberichtlinien eingehalten werden. "Das macht er, indem er Beschwerden bearbeitet. Das macht er aber auch, indem er selber sich die Fernseh- und Radioprogramme anschaut."

In den Rundfunkrat werden gesellschaftliche Akteur:innen von Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und auch Kirchen entsandt. Das soll für einen Pluralismus im Inneren sorgen, sagt Eilders.

"Es gibt auch wenig Repräsentanz von neuen sozialen Bewegungen. Heute würde man die Klimabewegung für relevanter halten, als die Atomkraftgegner."
Christiane Eilders, Kommunikationswissenschaftlerin

Die Zusammensetzung dieser Gremien steht immer wieder in der Kritik. Das verwundert die Wissenschaftlerin nicht. Es stellt sich die Frage: "Welche gesellschaftlichen Gruppen sollen repräsentiert sein?" Das war in den vergangenen Jahrzehnten andere als jetzt. Beispielsweise waren in den 1950er und 1960er noch Vertreter:innen von Vertriebenenverbände in den Rundfunkräten vertreten.

Eilders sagt:

"Es gibt auch wenig Repräsentanz von neuen sozialen Bewegungen, sei es die Frauenbewegung, sei es die Anti-AKW-Bewegung. Heute würde man die Klimabewegung für relevanter halten, als die Atomkraftgegner."

Repräsentation im Rundfunkrat muss überarbeitet werden

Und wenn eine neue gesellschaftlich relevante Gruppe reinsoll, müsste entweder eine andere dafür wieder raus – oder der Rundfunkrat dementsprechend vergrößert werden. "Das ist immer ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess", erklärt Eilders. Dazu müssten sich die Gruppierungen erst mal organisieren und zu Wort melden. Wer gilt als eine gesellschaftliche Gruppierung, die Anspruch auf Vertreter:innen in Rundfunkräten anmelden könnte?

Da kann sich Eilders vieles vorstellen. "Das könnten beispielsweise auch Hausfrauen oder Hausmänner sein. Entscheiden wird sein, dass diese ein gemeinsames Anliegen formulieren." Das hieße aber nicht, dass sich einfach einige Menschen zusammentun, nur um eine Vertretung bei einem Rundfunkrat einzufordern. "Wenn es kein gemeinsames Anliegen gibt, dann sind sie auch keine so wichtige Stimme in der Gesellschaft. Es muss schon auch ein Anliegen und eine Perspektive dahinter stehen."

Der Rundfunkbeitrag ist im zurückliegenden Jahr auf die Rekordsumme von 8,42 Milliarden Euro gestiegen. Das hat mit dem Beitragssatz zu tun, der um 86 Cent pro Monat gestiegen ist. Im Bild der Eingang ...
Der Beitragsservice in Köln (früher GEZ) ist für die Einnahmen der Rundfunkbeiträge zuständig.Bild: IMAGO / Panama Pictures

Konkret kritisiert der Verein "Neue deutsche Medienmacher:innen" (NdM), dass einige Gesellschaftsgruppen überhaupt nicht in den Rundfunkräten repräsentiert seien. Der Verein bemängelt, dass die Entsendung der Vertreter:innen in die Rundfunkräte fernab der Öffentlichkeit entschieden würde.

Bäuer:innen seien in den Räten genauso gut vertreten wie Eingewanderte und ihre Nachkommen – dabei machen Bäuer:innen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus und Menschen mit Migrationsgeschichte machen mehr als 27 Prozent der Bevölkerung aus.

In ihren Untersuchungen haben sie festgehalten, dass beispielsweise weniger als die Hälfte der ARD-Rundfunkräte eine:n Vertreter:in von Muslim:innen vorweisen kann. Und nur im Südwest-Rundfunk (für die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) gibt es überhaupt eine Person, die Sinti:zze und Rom:nja vertritt, in allen anderen acht Rundfunkräten der ARD-Anstalten fehlt diese Gesellschaftsgruppe gänzlich.

"Alle Rundfunkräte sind stark überaltert: Auf jede Person unter vierzig Jahren kommen zwei, die älter sind als siebzig."
NdM-Studie zur Diversität von Rundfunkräten

Queere Menschen fehlen in Rundfunkräten für Fernsehen und Radio

Weitere Kritikpunkte: Queere Menschen sind erst seit 2015 in Rundfunkräten vertreten und fehlen in der Hälfte aller Rundfunkräte. Menschen mit Behinderung haben nur in sieben Rundfunkräten einen festen Sitz. Im Durchschnitt sind in den Rundfunkräten 44 Prozent Frauen vertreten. Außerdem bilden staatsnahe Mitglieder, wie beispielsweise Regierungsmitglieder oder Landrät:innen, die mit Abstand größte Gruppe in den Rundfunkräten. Das sei nicht mit dem gesetzlichen Gebot der Staatsferne vereinbar, so der Verein.

"Alle Rundfunkräte sind stark überaltert: Auf jede Person unter vierzig Jahren kommen zwei, die älter sind als siebzig", heißt es in der Untersuchung des Vereins. Und auch Kommunikationswissenschaftlerin Eilders kritisiert die Unterrepräsentanz junger Menschen, und zwar auch aus dem Nicht-Akademiker-Milieu: "Eine andere Perspektive ist noch die von den Berufen und Ausbildung." Es könnten beispielsweise Handwerksverbände eine Repräsentanz in den Rundfunkräten einfordern, sagt Eilders.

Luisa Neubauer bei Juso-Kongress: "Brauchen EU als Back-Up"

Es ist ein breites Themenspektrum, das Philipp Türmer an diesem Abend im Willy-Brandt-Haus abarbeiten möchte. Der Juso-Vorsitzende moderiert das Auftakt-Plenum auf dem Europa-Kongress seiner Jugendorganisation. Ein Wochenende lang werden etwa 360 Jungsozialist:innen hier in Berlin gemeinsam ihre Skills für die Arbeit im Jugendverband stärken. Und sich auf die heiße Phase des Europa-Wahlkampfs vorbereiten.

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