Ein Semester lang kostenlos in der Mensa essen oder eine 600-Euro-Kaffee-Flatrate: Ein Traum, wenn du als Student gerade knapp bei Kasse bist. Mit solchen Gewinnspielen wirbt die Hochschulinitiative Deutschland e.V. im Netz. Laut Website hat der Verein die Aufgabe, "Studierende in den großen Momenten der Studienzeit zu unterstützen und sie in Finanz- und Karrierefragen zu beraten".
Der Verein bietet Seminare und Workshops wie "In 30 Tagen zur Thesis" oder kostenlose Vorlagen für den Lebenslauf. Aber auch zu Finanzfragen und Steuerrecht. Themen, die viele Studenten nicht so wirklich auf dem Schirm haben. Umso besser, wenn sie komplett kostenlos angeboten werden und bis zu 6000 Euro Steuerersparnis versprechen.
Zunächst eine tolle, soziale Idee, die Studenten unterstützt, sollte man denken. Laut eigener Satzung, die watson vorliegt, strebt die Hochschulinitiative e.V. an, "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke" zu verfolgen.
Das Delikate: Erst nach Bestätigung der Teilnahme wird mitgeteilt – hinter den Seminaren steckt der Finanzdienstleister MLP. Denn der führt einen großen Teil der Seminare durch.
Der Verein Hochschulinitiative Deutschland strebt also an, nur gemeinnützige Zwecke zu verfolgen, und wirbt damit, Studenten kostenlos zu unterstützen. Recherchen der NGO "Bürgerbewegung Finanzwende" legen aber den Verdacht nahe, dass die Hochschulinitiative vielmehr einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Nämlich Daten für einen der größten Finanzdienstleister Deutschlands sammeln: die MLP.
MLP ist bekannt dafür, Finanzprodukte an Studenten zu verkaufen. Für diesen Zweck wurde das Unternehmen 1971 gegründet, laut eigener Aussage ist das auch heute noch das Kerngeschäft. Erst vor kurzem sagte ein Bereichsvorstand von MLP gegenüber dem Branchenmagazin "Pfefferminzia": "Die Universität ist das Wohnzimmer von MLP und wird es auch immer bleiben."
Eine Zeitlang war MLP wegen seiner "sehr offensiven Werbestrategie" im Konflikt mit einigen Hochschulen. Das bestätigt unter anderem die Uni Trier. Die Uni Darmstadt sprach Vertretern von MLP sogar ein Hausverbot aus.
Auch die Freie Universität berichtet von Problemen mit Mitarbeitern von MLP:
Studenten berichten davon, dass Vertreter vor Vorlesungen Werbung für Finanzprodukte gemacht und versucht haben, an die Kontaktdaten der Studierenden zu kommen.
Die Verträge, die MLP Studenten daraufhin anbietet, hat Stiftung Warentest 2008 bewertet. Die Verbraucherorganisation kam zu dem Schluss, viele Angebote von MLP seien „teuer oder sogar unsinnig“.
Auch bei Fachschaften hat MLP versucht, Werbung zu machen. Der Studentenrat der HTW Dresden bestätigt gegenüber watson, dass Mitarbeiter der MLP versucht haben, "Studierende für ihre 'kostenlosen' Seminare zu gewinnen. Seminare, in denen ungeniert versucht wird an die Daten der Teilnehmer zu kommen, damit MLP in weiteren Gesprächen, den meist unerfahrenen Studenten, windige Finanzprodukte anbieten kann (...)".
Der Studentenrat der HTW Dresden hat daraufhin die Zusammenarbeit mit Vertretern von MLP ausgeschlossen.
Den Recherchen der "Bürgerbewegung Finanzwende" zufolge hat MLP jetzt mit der Hochschulinitiative Deutschland e. V. eine weitere Möglichkeit entdeckt, Finanzprodukte an Studenten zu verkaufen. Denn den wenigsten Menschen, die die Webseite der Hochschulinitiative e. V. besuchen, dürfte klar sein, dass hinter den Angeboten oft MLP steckt.
In einer Schulungspräsentation des Studentenrats Heidelberg zum Thema Steuererklärung heißt es zum Beispiel: "Einführungsseminare (3h) gibt‘s kostenlos in Heidelberg im Rahmen von der 'Hochschulinitiative'". Gerhard Schick, Vorstand der "Bürgerbewegung Finanzwende", hat den Verein schon länger im Blick:
Ihm zufolge sind Studenten in Finanzfragen oft noch ungebildet. Sie würden sich leicht von den Vertretern überzeugen lassen, ihre Daten weiterzugeben. "MLP nutzt das Vertrauen der Studierenden, das in solchen Seminaren entsteht", so Gerhard Schick.
Auf der Homepage der Hochschulinitiative findet man den Geschäftsführer Klaus (Name von der Redaktion geändert). Klaus ist allerdings nicht nur Vereinsvorstand, sondern gleichzeitig Geschäftsführer der Innospire Group, einer Firma, die auf Online-Marketing und Kundengewinnung spezialisiert ist.
Die Innospire Group steckt auch laut eigenen Aussagen hinter dem Projekt Hochschulinitiative e. V. und sagt über den Verein: "Als eine der größten Studentenplattformen im DACH-Raum fungiert die Plattform als unser Kontaktpunkt zu Studenten und Absolventen." Der Verdacht liegt nahe: Das Projekt Hochschulinitiative e. V. verfolgt einen wirtschaftlichen Zweck, nämlich den Kundenkontakt.
Auch der zweite Geschäftsführer und Gründer der Innospire Group, Franko (Name von der Redaktion geändert), findet sich auf der Seite der Hochschulinitiative e. V. wieder. Dort ist er allerdings Marketing Manager.
Der "Verein" Hochschulinitiative ist nicht das einzige Projekt von Innospire. Ein weiteres Projekt der Gruppe ist Uniwunder, eine Online-Marketing Agentur, deren Geschäftsführer derselbe Klaus ist, der auch Chef von Innospire und der Hochschulinitiative e.V. ist.
Über 49 Prozent der Anteile an Uniwunder hält MLP. Im Geschäftsbericht für 2018 heißt es:
Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende" erkennt ein klares Muster:
Gegenüber watson verteidigt MLP die Zusammenarbeit mit der Hochschulinitiative Deutschland:
Auf den Vorwurf, dass die Hochschulinitiative den wirtschaftlichen Zwecken von MLP nutzt, ging das Unternehmen nicht weiter ein.
Nachtrag: In einer vorherigen Version dieses Artikels hieß es unter Berufung auf deren Satzung, dass die Hochschulinitiative e.V. ein gemeinnütziger Verein sei. Diese Schlussfolgerung war nicht korrekt. In der Satzung heißt es: "Die Hochschulinitiative e.V. verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke (...)."