Seit Mitte März befindet sich Deutschland im Corona-Lockdown. Die Stimmen, die eine Rückkehr zu einer Art Normalität fordern, werden immer lauter.
Sandra Maischberger führt in ihrer Sendung den Virologen Alexander Kekulé ein, indem sie sagt, er habe in einem Artikel das Ende des Lockdowns gefordert: Kekulé korrigiert sie aber sogleich. Er habe nur "einen geordneten Übergang" gefordert habe.
Er betont, er vermisse ein "klares Übergangskonzept" für die Zeit bis es die Impfung oder Medikamente gebe. Denn das könne ja noch ein bis zwei Jahre dauern. Er stellt aber auch klar: "Wir würden uns etwas vormachen, wenn wir glauben, dass wir verhindern können, dass es Tote gibt." Das sei ein Automatismus: "Wenn man den Lockdown lockert, wird das dazu führen, dass wir mehr Tote haben." Er stellt in der Sendung noch einmal seinen Lockerungsplan für die nächste Phase der Pandemie vor – und erklärt, warum er diese Maßnahmen eines smart distancing für notwendig hält.
Dieses Mal diskutieren bei Maischberger außerdem:
Woran soll man sich in einer solch schwierigen moralischen Frage orientieren? Für Kekulé ist die Grippe eine taugliche Referenz, was Gefahrenwahrnehmung und akzeptiertes Risiko angeht, weil sie über Jahrzehnte gesellschaftlich erfahren wurde. Kekulé findet: "Leben ist mehr als das Vermeiden von Tod." Er wehrt sich gegen eine "scheinbare Sicherheit, wenn wir dadurch unsere ganze Kultur hinten anstellen" Er schlägt hingegen vor: "Ältere so konsequent schützen, dass man den Jüngeren mehr Freiheiten geben kann."
Er wiederholt nochmal seine Vorschläge, deren Umsetzung er seit einigen Wochen immer wieder fordert: Smart Distancing, Masken, Infektionsketten präzise nachvollziehen, schnell darauf reagieren und mehr testen.
"Dann sind wir, wenn wir keine Dummheiten machen, in der gleichen Phase, wo wir Anfang März waren", sagt Kekulé. Mit Dummheiten meint er: bundesweit alles zu öffnen.
Er warnt zudem: "Wir wissen gar nicht, warum der Lockdown nicht perfekt geklappt hat." "SZ"-Redakteurin Gammelin widerspricht und verweist darauf, dass Bilder wie in Italien in Deutschland vermieden worden seien.
Aber Kekulé ist anderer Meinung – und führt die aktuellen Fallzahlen an. Die werfen für ihn viele Fragen auf:
"Wir haben ungefähr 1300 Fälle jetzt noch am Tag und wir wissen nicht, warum", sagt Kekulé. Seien das Fälle in einer regionalen Situation? "Liegt es daran, dass sich vielleicht Menschen in Deutschland nicht an die Vorschriften halten? Liegt es vielleicht daran, dass unsere Lockdown-Vorschriften nicht gut waren?" Er nennt eine fehlende Maskenpflicht als einen Fehler bei den Vorschriften.
Deswegen halte er es riskant, pauschal über Lockerungen zu sprechen.
Da stimmt ihm TV-Moderator und Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt zu: "Ich finde schon, dass ich das Recht habe auf mein Leben." Er meint damit: ein Leben nach seiner Wahl. Er gehöre mit über 60 Jahren, einer überstandenen Krebserkrankung und zwei Lungenentzündungen im vergangenen Jahr zur Risikogruppe. "Wenn ich das Leben auf das geringste Risikopotential ausrichte, dann ist es nicht mein Leben."
Die Überlegungen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zum Wert des Lebens sei für ihn "eine Befreiung" gewesen. Schäuble hatte in einem Zeitungsinterview gesagt: "Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig."
Meyer-Burckhardt kommentiert: "Er appelliert an meine Selbstbestimmung. Ich definiere nicht mein Leben über das Risiko, das ich eingehe, wenn ich etwas tue, sondern über die Möglichkeit." Auch der Straßenverkehr fordere Todesopfer und er sei ein "durch und durch optimistischer Mensch".
Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz betrachtet die Diskussionen um Lockerungen mit Skepsis. "Ich bin nicht sehr froh darüber, dass jetzt einige so reden, als wär nichts los. Es ist einiges los." Ob die Beschränkungen der Bürgerrechte unangemessen waren? "Ich glaube nicht, dass wir es mit den Maßnahmen übertrieben haben." Ausschließen könne man das aber nicht.
Von den großen moralischen Fragen geht es dann zu Scholz' Fachgebiet: der Wirtschaft. Der Einzelhandel erwartet 50.000 Insolvenzen, trotz der Hilfskreditbürgschaften des Bundes für die Unternehmen. Ein falscher Weg? Scholz denkt das nicht. "Nein, wir retten Hunderttausende, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze." Maischberger wirft ein, dass eine fehlende zeitliche Perspektive fürs Geschäft Unternehmer zögern lässt, einen Kredit aufzunehmen, den man ja auch wieder abzahlen müsse. Scholz sagt, er könne keine zeitlichen Zusagen über Aufhebung von Maßnahmen machen. "Aber wir wissen, dass da bald klare Ansagen notwendig sind", kündigt er an.
Zuletzt hatte es Berichte über Unstimmigkeiten bei der Rettung der Lufthansa gegeben. Der Bund will Aufsichtsratsitze und Aktien im Tausch gegen eine Milliardenbeteiligung. Das lehnt die Lufthansa ab. "Die Verhandlungen finden viel freundlicher statt", als man es in den Zeitungen lese, behauptet Scholz. Allerdings klingt das eher nach diplomatischer Gesichtswahrung für beide Verhandlungspartner.
Denn er sagt auch klar: "Wir werden einige Fehler vergangener Zeiten nicht machen." Also Unternehmen in der Krise mit Steuergeld helfen und bei späteren Gewinnen nicht beteiligt sein.
Und zum Ende geht es noch um die Pläne der Fußballer, den Spielbetrieb möglichst bald wieder aufzunehmen. Schauspieler und Schalke-Fan Peter Lohmeyer und Leverkusens Ex-Manager Reiner Calmund bekommen sich darüber ein bisschen in die Haare.
Calmund beschwört die Freude und Abwechslung, die die Menschen durch Fußball in Corona-Zeiten bekämen. Peter Lohmeyer unterstellt, dass es den Funktionären nur ums Geld gehe. "Die Liga ist wie ein Konzern, der sich immer weiter von uns entfernt hat." Einig werden sie sich nicht.