
Markus Söder mit seiner bekannten Masken – natürlich im Bayern-Look.Bild: dpa-Pool / Peter Kneffel
Deutschland
13.08.2020, 08:1913.08.2020, 08:19
Es wären so schöne Bilder geworden am
Donnerstag an der Nordsee: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) und sein Kieler Amtskollege Daniel Günther (CDU) gemeinsam auf
Wattwanderung, gemeinsam auf einer Schifffahrt zu Seehundbänken
draußen im Meer. Ein großer Medien-Tross hätte den Unions-Politikern
viele schöne Fotos, Videos, Texte und auch manch große Schlagzeilen
beschert.
Die großen Schlagzeilen hat Söder nun auch – aber anders: Am
Mittwoch holt die Corona-Krise den 53-Jährigen in schnellem Tempo ein
und bringt seine Staatsregierung und ihn selbst erstmals seit langer
Zeit in schwere Bedrängnis. Söder bleibt nichts anderes, als die
Reise an die Küste abzusagen. "Bayern geht vor", schreibt er auf
Twitter.
Panne in Bayern
Die eigentliche Hiobsbotschaft hatte am späten Nachmittag Söders
Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in einer eilends
einberufenen Pressekonferenz überbringen müssen: Es gibt eine schwere
Panne ausgerechnet bei den Corona-Teststationen an bayerischen
Autobahnen, mit denen Söder mal wieder bundesweit vorgeprescht war,
um sich als zupackender, vorbildlicher Krisenmanager zu profilieren.
"Ein Dienst, den wir für Deutschland machen", sagte er erst am Montag
nach einer außerplanmäßigen Videoschalte seines gesamten Kabinetts.
Schon zu dem Zeitpunkt existieren Berichte und immer neue
Hinweise und Klagen, dass es Probleme mit der Übermittlung von
Testergebnissen an Reiserückkehrer gibt. "Die Verzögerungen müssen
natürlich reduziert und abgestellt werden", verlangte Söder. Er
erklärte die Probleme auch damit, dass Bayern die Tests kostenlos für
alle deutschen Rückkehrer anbiete - Zehntausende Abstriche waren da
schon genommen.
900 Menschen mit Corona infiziert
Zwei Tage später wird nun aber das ganze dramatische Ausmaß der
Panne bekannt: 44 000 Getestete warten noch immer auf ihre
Ergebnisse, wie Huml einräumen muss. Und noch viel schlimmer:
Darunter sind auch 900 positive Corona-Tests. Heißt also: 900
Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehrten, sind
corona-infiziert und wissen es nicht. Und könnten theoretisch Tag für
Tag Menschen anstecken.
Huml verweist darauf, dass für Reiserückkehrer aus definierten
Risikogebieten eine Quarantänepflicht gilt, bis sie ihr Testergebnis
haben. Für Urlauber, die aus anderen Ländern – darunter fast alle
EU-Länder – zurückkehren, gibt es eine solche Pflicht aber nicht.
Diese Männer, Frauen und Kinder könnten also, wenn sie bis zu ihrem
Testergebnis nicht freiwillig zu Hause bleiben, das Virus weiter
verbreiten. Und keiner weiß, Stand Mittwochabend, wo in Deutschland
sie sich aufhalten. Man weiß nur, dass bei einer Stichprobe zuletzt
40 Prozent der Getesteten an Autobahnen aus dem Freistaat kamen - die
übrigen 60 Prozent dagegen irgendwo aus dem restlichen Bundesgebiet.
Wie viel Schuld trifft Söder?
Die Panne hat wohl diverse Ursachen. Darunter auch das Tempo, mit
denen die Teststationen nach Söders Vorpreschen eingerichtet werden
mussten. Zuerst war dies nur mit Unterstützung vieler Ehrenamtlicher
möglich - erst in diesen Tagen wurden die Stationen an private
Dienstleister übergeben, wie dies bei den Stationen an Flughäfen
schon Standard war. Und das Verfahren lief bislang vorwiegend
manuell: schriftliche Testanträge, Formulare, eine händische Eingabe
von Daten. Es gebe eine "Übermittlungsproblematik", "da gibt es
nichts schönzureden", sagt Huml. Sie und der Chef des Landesamtes für
Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf, müssen zudem
eingestehen, dass man die Zahl der Tests unterschätzt habe.
Ungeachtet all dieser Erklärungen und Erklärungsversuche: Für
Söder, der vor allem wegen seines bisherigen Corona-Krisenmanagements
in Kanzlerkandidaten-Umfragen vorne liegt, sind die Zahlen und
Eingeständnisse ein Fiasko. Dass wegen einer bayerischen Panne 900
Infizierte länger als nötig unwissend durch Bayern und den Rest der
Republik reisen können, bringt insbesondere Huml, aber auch die
gesamte Staatsregierung und Söder selbst in Bedrängnis.
Die bayerische Opposition kritisiert die Panne bei den Tests
scharf. Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann spricht von
"eklatantem Regierungsversagen".
"Das ist eine Schocknachricht für Deutschland und kratzt am Nimbus des selbstgefälligen Krisenmanagers Söder."
FDP-Fraktionschef Martin Hagen twittert: "Söders Inszenierung
als Corona-Musterschüler bekommt zunehmend Risse." Und der
SPD-Landtagsabgeordnete und frühere Oppositionsführer Markus
Rinderspacher schreibt: "Dieses Versagen erfordert Aufklärung."
Söder, der mit dem Krisenmanagement des Gesundheitsministeriums
schon länger unzufrieden ist, nennt den "Fehler" bei den Testzentren
"sehr, sehr ärgerlich". "Das muss sofort behoben werden und darf
nicht mehr passieren. Alle Strukturen sind umgehend zu überprüfen",
fordert er. Die weiteren Folgen der Panne sind am Mittwochabend noch
nicht absehbar. Priorität hat aber nun erst einmal eines: dass die
900 positiv Getesteten endlich von ihrer Corona-Infektion
erfahren.
(lin/dpa)