Die Berliner Polizei ist nach Justizangaben massiv gegen die Organisierte Kriminalität in der Hauptstadt vorgegangen. 77 Immobilien wurden beschlagnahmt, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Zuvor hatten "Spiegel TV" und "Spiegel Online" berichtet.
Der Anstoß zu den aktuellen Ermittlungen gegen einen arabischen Clan und die Beschlagnahmung von Vermögen war ein großer Einbruch in eine Sparkasse im Oktober 2014 in Berlin. Das sagte Staatsanwalt Bernhard Mix am Donnerstag. Mehr als 100 Schließfächer seien damals aufgebrochen worden.
Die Polizei fasste die Täter, die Beute von mehr als neun Millionen Euro blieb aber verschwunden. Dann sei aufgefallen, dass der Bruder eines Täters, der bis dahin nur von Hartz IV lebte, diverse Eigentumswohnungen in Berlin und im Umland kaufte, sagte Mix. Auch Grundstücke seien 2015 gekauft worden. Polizei und Staatsanwaltschaft begannen laut Mix umfangreiche Ermittlungen wegen Geldwäsche, werteten zahlreiche Konten aus und nahmen Einblick in Grundbücher.
Mix sprach von einem "Puzzle" und einer "Heidenarbeit". Immer neue Namen von Verdächtigen seien aufgetaucht. Inzwischen gebe es 16 Beschuldigte, von denen ein großer Teil seit vielen Jahren in Berlin, einige aber auch im Libanon lebten. Alle Verdächtigen würden einer Familie und deren Umfeld zugeordnet.
Nach "Spiegel"-Informationen werden die Immobilien im Wert von etwa zehn Millionen Euro einer arabischen Großfamilie zugerechnet. Die Ermittler gingen demnach davon aus, dass die Objekte mit Geld aus Straftaten gekauft wurden. Neben Wohnungen und Häusern soll auch eine Kleingartenkolonie dazugehören.
Am vergangenen Freitag hätten Finanzermittler des Landeskriminalamtes zwölf Wohnungen und Geschäftsräume aus dem Umfeld der Familie durchsucht. Mitglieder des Clans seien bereits durch spektakuläre Einbrüche in Berlin aufgefallen. So soll auch der Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze mit Mitgliedern der Familie in Verbindung stehen.
Die Münze mit einem reinen Goldwert von 3,7 Millionen Euro war Ende März 2017 aus dem Bode-Museum gestohlen worden. Sie ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Im Juni 2017 waren Haftbefehle gegen vier Verdächtige erlassen worden, inzwischen sind zwei Männer wieder auf freiem Fuß.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte die Aktion von Staatsanwaltschaft und Polizei. Der GdP-Landesvorsitzende Norbert Cioma erklärte, er sei froh über dieses "außergewöhnliche Zwischenergebnis".
In Deutschland gilt seit einem Jahr ein neues Gesetz zur Abschöpfung krimineller Gewinne. Es ermöglicht eine vorläufige Sicherstellung und die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft. Ob Objekte dauerhaft entzogen werden, entscheiden Gerichte.
Der Gewerkschaftschef sagte dazu, nun werde sich zeigen, ob die Gesetzesveränderungen geeignet sind, "um endlich effektiv gegen die kriminellen Machenschaften arabischer Clans vorzugehen und sie da zu treffen, wo es ihnen wirklich wehtut, beim Geld".
Zuletzt hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Dezember 2017 in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betont, wie schwierig es sei, in abgeschottete Strukturen der Clans vorzudringen. Beobachtet werde bei der organisierten Kriminalität eine Zunahme von Wirtschaftsdelikten. Rohheits- und Gewaltvorfälle nehmen laut Senator ab, dafür gibt es zunehmend Versuche, kriminelle Geschäfte in offizielle zu überführen.
Nach Definition von Polizei und Justiz werden zur organisierten Kriminalität Geldwäsche, Menschenhandel und Korruption gezählt. Der Bereich ist demnach von Gewinn- und Machtstreben bestimmt. Mehrere Täter agierten planmäßig und auf Dauer arbeitsteilig. Angestrebt werde Einfluss auf Politik, Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft.
In bestimmten Berliner Bezirken haben Gangs, oft arabischen Ursprungs, Straßen unter sich aufgeteilt. Zwischen 12 und 20 teils kriminelle Großfamilien soll es in Berlin geben, ein Teil davon ist in Neukölln zu Hause. Das Problem ist aber nicht auf Berlin beschränkt. Auch im Ruhrgebiet, in Niedersachsen und in Bremen sind die oft weit verzweigten Clans aktiv.
Viele Mitglieder dieser Großfamilien – auch mit palästinensischer oder libanesischer Herkunft – durften in Deutschland nicht arbeiten, weil sie offiziell staatenlos waren und und ihr Aufenthaltstatus ungeklärt war. Kriminalität wurde zu einer wichtigen Einnnahmequelle mancher Clans.
Nach Angaben der Berliner Polizei richteten sich im vergangenen Jahr 14 der 68 größeren Ermittlungsverfahren zur organisierten Kriminalität gegen Banden mit arabisch-libanesischstämmigen Mitgliedern. Mehr als die Hälfte der Verdächtigen aus diesen Clans habe inzwischen einen deutschen Pass, sagte kürzlich Dirk Jacob, beim Berliner LKA zuständig für organisierte Bandenkriminalität.
(pbl/dpa)