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AfD-Wahlsieg in Sonneberg: Ampel und CDU weisen sich gegenseitig die Schuld zu

STICHWAHL ZUM LANDRAT IN SONNEBERG 25/06/2023 - Sonneberg: Die Stichwahl zum neuen Landrat des Landkreises Sonneberg am 25. Juni 2023 in Sonneberg Thüringen. V.l.n.r. Carsten Hütter, Björn Höcke AfD,  ...
Erster AfD-Landrat Deutschlands Robert Sesselmann (2.v.r.) feiert gemeinsam mit seinen Parteikollegen Björn Höcke und Tino Chrupalla den Wahlsieg in Sonneberg.Bild: imago images / Jacob Schröter
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AfD-Wahlsieg in Sonneberg: Ampel und CDU weisen sich gegenseitig die Schuld zu

26.06.2023, 08:30
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"Ein blaues Wunder", verkündet die AfD und gratuliert ihrem Kandidaten Robert Sesselmann zum Wahlsieg in Thüringen. Er ist damit der erste Afd-Landrat Deutschlands. Die Unterstützenden und Wähler:innen haben "heute Geschichte geschrieben", heißt es weiter im Tweet der Partei.

AfD-Bundessprecherin Alice Weidel schreibt auf Twitter, dies sei "erst der Anfang". Ihr Parteikollege Tino Chrupalla meint, so werde man "die Wende zum Guten erreichen" und die AfD-Thüringen jubelt: "Wir holen unser Land zurück!"

Während die einen feiern, hinterlässt das Ergebnis bei der CDU und der Ampel-Parteien wohl ein ungutes Gefühl in der Magengruben. Etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußert sich zum Wahlergebnis der Landratswahlen in Sonneberg mit einer Warnung auf Twitter.

Doch von vorne: Was ist in Sonneberg passiert?

AfD erobert erstes Landratsamt – Präzedenzfall in Thüringen

Bundesweit im Umfragehoch und jetzt auch mit einem zählbaren Wahlerfolg: Die rechtspopulistische AfD hat zehn Jahre nach ihrer Gründung erstmals in Deutschland ein kommunales Spitzenamt erobert. Mit 52,8 Prozent gewann ihr Kandidat Sesselmann am Sonntag die Landratswahl im Thüringer Kreis Sonneberg gegen seinen CDU-Konkurrenten Jürgen Köpper, der nur auf 47,2 Prozent kam.

25.06.2023, Thüringen, Sonneberg: Robert Sesselmann (AfD) steht im Graten des Restaurants Frankenbaude bei der AfD-Wahlparty. Der ehemalige Landrat Hans-Peter Schmitz (parteilos) war aufgrund einer la ...
Robert Sesselmann gewinnt die Stichwahl gegen Jürgen Köpper (CDU) und wird erster AfD-Landrat in Deutschland.Bild: dpa / Martin Schutt

Im Landkreis Sonneberg geht es dabei um einen Landrat in einem Landstrich mit wenig Menschen – gerade einmal 57 000 Einwohner und 48 000 Wahlberechtigte hat der Landkreis im Thüringer Wald direkt an der Grenze zu Bayern. Aber die AfD hat nach eigener Lesart Geschichte geschrieben.

Das Ergebnis zeigt: Mehrheiten für die systemkritische Protestpartei sind möglich – und das in Thüringen, wo der Landesverband mit seinem Chef Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird.

Das macht offenbar SPD-Politiker Lauterbach Sorgen.

Laut Karl Lauterbach schürt AfD nur Angst und Hass

"Das ist ein Tiefpunkt unserer Politik seit dem Fall der Mauer", schreibt er auf Twitter. Für ihn ist klar: Die Bevölkerung müsse besser mitgenommen werden auf dem Weg zu Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit. "Die AfD schürt Angst und Hass, hat aber Lösungen für Nichts", meint er.

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Linke, SPD, Grüne und FDP hatten allesamt für den Gegenkandidaten Köpper getrommelt. Bei den bisherigen Anläufen der AfD auf kommunale Spitzenämter in Schwerin und in Brandenburg hatte das noch gezogen. Doch diesmal reichte selbst diese breite Allianz nicht, um den AfD-Mann zu stoppen.

Anscheinend konnte die AfD, die beim Wahlkampf mit Plakaten und Personal klotzte, viele ihrer Wähler:innen mobilisieren. Die Wahlbeteiligung stieg auf 59,6 Prozent nach 49,1 Prozent im ersten Durchgang. Nun beginnt anscheinend die gegenseitige Schuldzuweisungen für dieses historische Ergebnis.

Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen CDU und Ampel-Parteien

Generalsekretär der CDU Deutschlands Mario Czaja sieht wohl die Verantwortung für dieses "bittere Ergebnis" bei der Bundesregierung. Laut ihm wurde der Wahlkampf in Sonneberg von bundespolitischen Themen überlagert, schreibt er auf Twitter.

Bundesvorsitzender der Jungen Union Johannes Winkel springt auf den Zug auf und zeigt mit dem Finger nach Berlin: "Ohne die Flut an oberschlauen Belehrungen, Warnungen, Appellen", hätte laut ihm der CDU-Kandidat bessere Chancen gehabt.

Darauf mahnt Grünen-Politiker Michael Lühmann, dass die Aussage "die in Berlin seien schuld", eines "jener populistischen Sujets" sei, auf denen der Erfolg der Afd aufbaue. Ihm zufolge habe die CDU die "Brandmauer eingerissen", und damit zum Wahlausgang in Sonneberg beigetragen

Währenddessen weist SPD-Politikerin Sawsan Chebli darauf hin, dass gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Ampel und CDU wohl wenig Sinn mache.

SPD-Politikerin Sawsan Chebli sieht Verantwortung in den Wählern

"Verantwortung für diesen Horror tragen allein die Leute, die einen Afd-Mann gewählt haben", schreibt Chebli auf Twitter. Sie fürchtet: Das war noch nicht alles. "Vielleicht wachen jetzt alle demokratischen Parteien auf, allen voran die SPD, weil ich an sie die größten Erwartungen in solchen Momenten habe", schreibt sie.

Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje warnt in seinem Tweet: Der Wahlsieg in Sonneberg ist ein Triumph für die "Selbstverharmlosungsstrategie der AfD".

Ein Landrat habe zwar wenig politische Macht, aber viel symbolisches Kapital: "Höckes Landesverband bekommt nun diverse Anlässe, um sich mit dem Landrat als bürgernah und bürgerlich zu inszenieren", meint er.

AfD könnte bundesweit durchstarten

Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnet das Wahlergebnis als "Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte". Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott sagt: "Mit dem Wahlergebnis ist klar, dass jetzt wir alle die Aufgabe haben, Lösungen gegen diese Art des Protestes gegen Berlin zu finden."

Denn: Bundesweit liegt die AfD in Umfragen derzeit bei 18 bis 20 Prozent, in den fünf östlichen Bundesländern erzielt sie noch deutlich höhere Werte. In Thüringen sah eine Insa-Umfrage im April die AfD mit 28 Prozent als stärkste Partei vor der Linken mit 22 Prozent. In Sachsen war sie im April mit 28 Prozent bei Insa ebenfalls Nummer eins vor der CDU mit 25 Prozent, in Brandenburg lagen AfD und SPD mit jeweils 24 Prozent gleichauf.

Ist dies nun die Rampe für die Rechte für Wahlsiege auch auf Landesebene? Es ist nicht ausgeschlossen, aber auch längst nicht ausgemacht. Die AfD war bundesweit 2018 schon einmal in einem ähnlichen Umfragehoch, schnitt dann bei der Bundestagswahl 2021 aber mit 10,3 Prozent sogar etwas schlechter ab als vier Jahre zuvor. Als in Sachsen-Anhalt 2021 ein AfD-Sieg drohte, mobilisierte die CDU damit so erfolgreich, dass sie am Ende weit vorne lag.

(Mit Material der dpa)

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