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Drohnen über Deutschland und Europa: Wie Angst zur Waffe wird

04.10.2025, Bayern, München: Blick auf den Flughafen. Nach den Drohnensichtungen hat der Münchner Flughafen den Betrieb am Morgen wieder aufgenommen. Der Flughafen München hat am Abend wegen möglicher ...
München: Blick auf den Flughafen. Er wurde wegen Drohnen-Sichtungen zeitweise gesperrt.Bild: onw-images / Enrique Kaczor
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Drohnen über Deutschland: Experten warnen vor psychologischer Wirkung

Die Berichte über Drohnen-Sichtungen in Nato-Luftraum nehmen zu. Die Flugobjekte über Europa sollen in die Köpfe der Menschen. Sie sollen verunsichern und Grenzen austesten. Expert:innen erklären die Strategie.
06.10.2025, 20:0906.10.2025, 20:09

Drohnen über Litauen, Polen, Dänemark, Norwegen und Deutschland: In den vergangenen Wochen berichten Menschen quer durch Europa von Lichtern am Nachthimmel. Vor allem über Großstädten, Flughäfen und Militärstützpunkten tauchten die Flugobjekte. Zuletzt der Flugbetrieb am Flughafen München mehrfach gesperrt.

Bislang ist ungeklärt, wer für die Drohnenvorfälle der vergangenen Tage verantwortlich ist. Ein zweifelsfreier Nachweis ist schwierig. Kanzler Friedrich Merz vermutet Russland hinter vielen Flügen.

Moskau weist jede Beteiligung zurück. Als ein Moderator den russischen Präsidenten jüngst scherzhaft fragte, warum er Drohnen über Dänemark schicke, antwortete Wladimir Putin lachend: "Ich mache das nicht mehr"und fügte hinzu, die Nato sei ohnehin ein "Papiertiger".

Für Sicherheitsexpert:innen ist der Verdacht dennoch klar.

Danish police and Danish Security and Intelligence Service (PET) are present at DSB on Kystvejen by Copenhagen Airport, Tuesday, Sept. 23, 2025, after drones flew over Copenhagen Airport on Monday eve ...
Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen nach einer Drohnen-Sichtung am Flughaben Kopenhagen.Bild: Ritzau Scanpix Foto / Steven Knap

Zweifelsfrei ist, dass die häufigen Berichte von Drohnen über Nato-Luftraum Wirkung zeigen. Sie machen etwas mit den Menschen in Europa. Sie schüren Unsicherheit und Angst. Das ist genau der Effekt, den sie auch haben sollen. Ein Experte sieht eine Parallele zu Geisterflügen aus vergangenen Zeiten.

Angst als Waffe: Drohnen verstärken Unsicherheitsgefühl

Wenn Menschen diese Drohnen mit eigenen Augen sehen, verändert sich das innere Gefühl von Sicherheit. So wie beim Norweger Vegard Rabban. Er und sein Sohn beobachteten dem "Guardian" zufolge kürzlich nachts ein rotes Licht, das sie für eine Drohne hielten, mit einer Spannweite von geschätzt 1,5 Metern.

Rabban nutzt selbst Drohnen und kennt die Flugverbotszonen rund um den nahegelegenen Nato-Stützpunkt Ørland. Die Sichtung irritierte ihn: Denn diese Drohne flog mitten in der Nacht und niemand wusste, wem sie gehörte. "Ich bin nicht wirklich ängstlich", sagt er der Zeitung. "Aber ich glaube, jemand beobachtet uns. Vielleicht, um zu sehen, wie wir reagieren."

Dieser Effekt ist typisch und weit verbreitet. Obwohl niemand verletzt wurde und es keinen Einsatz von Waffen gab, wirken die Operationen psychologisch: Die Drohnen platzieren sich im Zwischenraum zwischen Bedrohung und Irreführung. So erklärt es Dr. Beryl Pong, Leiterin des Projekts Centre for Drones and Culture an der Universität Cambridge, dem "Guardian": "Diese Zwischenfälle sollen verunsichern und provozieren. Drohnen operieren in einer Grauzone: Sie zeigen, dass man verletzlich ist, ohne in einen offenen Angriff überzugehen."

Ihr Kollege, der Kulturwissenschaftler Dr. Richard Carter, beschreibt den Effekt so: "Seit der Mensch das Fliegen im Krieg nutzt, hat sich der Himmel von einem friedlichen Ort in eine ständige Bedrohung verwandelt. Diese Drohnen stören unseren Alltag, sie verändern, wie Menschen ihre Welt sehen. Plötzlich ist der Himmel nicht mehr sicher."

Luftraum als Bedrohung: "Ich liebe den blauen Himmel nicht mehr"

Im Frühjahr zeigte das Imperial War Museum in London eine Installation mit dem Titel "Beware Blue Skies", zu Deutsch: "Hüte dich vor blauen Himmeln". Sie basiert auf der Aussage eines 13-jährigen Jungen aus Pakistan, der unter US-Drohnenüberwachung aufwuchs: "Ich liebe blaue Himmel nicht mehr. Ich mag graue Himmel, denn bei grauem Himmel fliegen die Drohnen nicht."

Diese Worte bringen auf den Punkt, was auch in Europa langsam zu spüren ist: die Vorstellung, dass der Himmel nicht sicher ist.

Was heute Drohnen sind, waren früher Lichter, Flugzeuge oder Raketen. Immer dann, wenn die politische Lage angespannt war, blickten Menschen in Europa mit Misstrauen in den Himmel. Sie sahen dort damals schon Bedrohungen, die manchmal keine waren.

Der Psychologe Robert Bartholomew von der Universität Auckland ordnet das im "Guardian" so ein: "Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich", sagt er. "Was wir jetzt über Europa erleben, ist ein Reim auf frühere Epochen."

Experte sieht Parallele zu "Geisterraketen"

Schon in den 1930er-Jahren berichteten Menschen in Schweden und Norwegen von sogenannten "Geisterflugzeugen", die sie für sowjetische Spionage hielten. In den 1940ern folgte eine Welle der "Geisterraketen". Es gab tausende Sichtungen, viele davon wurden später als Meteoriten oder Polarlichter erklärt.

"Es gibt keine Beweise, dass die Sowjetunion damals gezielt Panik auslösen wollte", sagt Bartholomew. "Aber die Reaktion war dieselbe: Angst vor einem unsichtbaren Gegner."

Heute, so der Forscher, funktioniere der Mechanismus ähnlich, nur mit echter Technologie. Die Drohnen, die derzeit über Europa auftauchen, erinnern an alte Ängste, nur dass sie diesmal real sind.

"Die Provokationen sind regelmäßig", sagt Egert Belitšev, Chef der estnischen Grenzschutzbehörde, gegenüber ERR News. "Sie dienen dazu, unsere Fähigkeiten zu testen. Zu sehen, wie wir reagieren." Die Szenarien passen zu dem, was Fachleute als "graue Zone" bezeichnen: Aktionen, die Bedrohung signalisieren, aber unterhalb der Kriegsschwelle bleiben.

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