Drei Jahre ist der rechtsextremistische Anschlag in Hanau her. Neun Menschen mit Migrationsgeschichte hat der Rechtsextremist erschossen, anschließend seine Mutter und sich selbst. Bis heute sind nicht alle Details dieser Nacht bekannt. Gerade im Bereich der Ermittlungen gibt es bis heute Ungereimtheiten.
Gerade einmal zwölf Minuten hat er gebraucht, um neun Menschen zu töten. Es ist der 19. Februar 2020, 21:50 Uhr. Mit zwei Schusswaffen nährt sich der rechtsextreme Tobias R.
Er soll schon um 21:00 Uhr in der Nähe des Tatorts gewesen sein. Weil er sein Auto aber unrechtmäßig auf einem Behindertenparkplatz abgestellt wurde – und dabei erwischt wurde – musste er noch einmal umparken.
An seinem Ziel, dem Heumarkt in Hanau angekommen, beginnt der Täter, auf die Anwesenden einer Bar und einer Shisha-Lounge zu schießen, drei Tote: Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu und Sedat Gürbüz.
Der Rechtsextremist betritt ein Kiosk am Heumarkt, findet dort aber niemanden vor. Vili Viorel Păun beobachtete ihn dabei, versuchte ihn mit seinem Auto zu blockieren – ohne Erfolg. Er soll den Täter bis zu seinem zweiten Tatort, dem Kurt-Schumacher-Platz, verfolgt haben. Gegen 22 Uhr erschießt der Rechtsextremist sein viertes Opfer: Păun – durch die Windschutzscheibe.
Der Attentäter stürmt in einen Kiosk und erschießt Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der angrenzenden Bar tötet er Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović.
Er flieht in seine Wohnung in Hanau-Kesselstadt und tötet dort erst seine Mutter und dann sich selbst.
Das vierte Mordopfer, Vili Viorel Păun, versucht während der kurzen Fahrt von Tatort eins zu Tatort zwei mehrfach, den Notruf zu wählen. Erfolglos. Das Notruftelefon der Hanauer Polizei war in der Tatnacht nur unzureichend besetzt. Das steht mittlerweile fest. Die Polizeizentrale konnte nicht alle Notrufe, die eingingen, entgegennehmen.
Um 22 Uhr soll die Polizei am ersten Tatort angekommen sein. Um 22:09 Uhr seien die Beamt:innen dann auch am zweiten Tatort eingetroffen. Um 22:50 Uhr gelang es den Einsatzkräften, das Auto des Täters zu identifizieren und ihn zu seinem Haus zu verfolgen.
In den kommenden vier Stunden habe die Polizei das Haus beobachtet. Gestürmt wurde dann um 3:03 Uhr mit einem Spezialkommando des Frankfurter Polizeipräsidiums. Die Polizist:innen fanden den Täter und dessen Mutter tot vor. Der Vater war unverletzt und wurde nach einer Vernehmung und der psychiatrischen Untersuchung freigelassen.
Wie ein Gutachten der Forschungsagentur Forensic Architecture ergibt, hat die Polizei bei ihrem Einsatz einiges falsch gemacht: Das Haus des Täters beispielsweise sei nicht ausreichend bewacht worden. Das berichtete "hessenschau.de".
Der Rechtsextremist hätte so die Möglichkeit gehabt, zu fliehen und weitere Menschen zu ermorden, wenn er das gewollt hätte. Auch die interne Kommunikation sei wohl mehr als dürftig gewesen: Die Piloten der beiden Polizei-Helikopter sollen laut Gutachten die Adresse des Täters nicht gekannt haben. Und auch das SEK hätte früher in das Haus eindringen müssen. Ein Schallexperiment hat wohl ergeben, dass die Einsatzkräfte die Schüsse im Haus hätte hören müssen.
Bei der Bevölkerung hat die Terror-Nacht des 19. Februar 2020 tiefe Wunden hinterlassen. Gerade für People of Colour. "Der rassistische Anschlag in Hanau ist eine Zäsur und hat bei Nicht-Weißen und Menschen mit Migrationsgeschichte zu einer massiven Erschütterung des Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühls geführt", macht Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank deutlich.
Die Orte, die der Attentäter gewählt hatte, seien explizit welche gewesen, an denen viele Menschen of Colour ihre Zeit verbringen – auch, meint Berendsen, weil sie andernorts aus rassistischen Gründen nicht willkommen sind.
Gleichzeitig sei das Attentat im öffentlichen Diskurs sehr präsent – ein großer Teil der Gesellschaft reagiert seither sensibler auf Rassismus. Antirassistische Positionen seien jetzt sichtbarer.