Kreml-Chef Wladimir Putin stammt aus einer Welt des Geheimdienstes. Als KGB-Mann kletterte er die Karriereleiter hinauf, aber die Tricks und Mittel aus seinem Agentenleben hat er nie verlernt.
Spionieren, Abhören, Manipulieren gehören zum Alltagsgeschäft Russlands – und doch nimmt Deutschland offenbar die Gefahr nicht ernst. Russland gelingt es, ein internes Gespräch deutscher Luftwaffen-Offiziere abzuhören. Um seine Überlegenheit zu präsentieren, veröffentlicht der Kreml das mitgeschnittene Gespräch: eine Blamage für Bundeswehr und Bundesregierung.
Groß ist die Sorge, dass weitere sicherheitsrelevante Kommunikation deutscher Stellen abgehört worden sein könnte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Wochenende von einer "sehr ernsten Angelegenheit".
In dem abgehörten Gespräch diskutierten hohe Offiziere Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. Kanzler Scholz stellt sich bei der Taurus-Lieferung an die Ukraine quer, weil er eine direkte Eskalation mit Russland befürchtet. "Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein", begründete er seine Entscheidung.
Expertenstimmen gehen davon aus, dass Putin durch das geleakte Gespräch Scholz weiter in die Enge treiben will, damit er bei seinem Nein zur Taurus-Lieferung bleibt.
Der Abhörskandal rückt nun auch den deutschen Geheimdienst wieder in den Fokus. Ist er dem Kreml überhaupt gewachsen? Der US-amerikanische CIA-Experte John Sipher hat dazu ein vernichtendes Urteil.
Im Gespräch mit "Focus" zerreißt Sipher die deutsche Spionageabwehr. Er selbst arbeitete 28 Jahre lang für die CIA. Dabei stand er auch immer wieder in Kontakt mit anderen westlichen Geheimdiensten für Aufträge in Europa und Asien. Wenn es um Russland ging, erinnert er sich an die schwierige Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).
Laut ihm sind die deutschen Geheimdienste in Bezug auf Russland absolut keine verlässlichen Partner. "Die deutschen Agenten werden von ihren Politikern zurückgehalten, die es offenbar nicht wahrhaben wollten, dass Putin etwas Böses vorhaben könnte", meint er. Ihm zufolge haben die deutschen Spione ihre Köpfe in den Sand gesteckt, demnach seien die Russland-Analytiker vom Bundesnachrichtendienst "vollkommen nutzlos".
Auch bei der Zusammenarbeit soll es hapern.
Dem Experten zufolge fehlt es den deutschen Kolleg:innen an Hilfsbereitschaft. "Ich kann mich wirklich an kein einziges Mal erinnern, bei dem die Zusammenarbeit mit den Deutschen funktionierte. Diesen Eindruck teilten auch seine engen Freunde, die ebenfalls mit dem BND zusammenarbeiteten.
Nach Siphers Ansicht wirkt es beinahe so, als wollte der deutsche Geheimdienst gar nicht kritisch mit Russland umgehen, aus Angst, etwas herauszufinden, was sie nicht sehen wollten. Denn dann hätten sie handeln müssen, was vom Kanzleramt und der deutschen Regierung nicht erwünscht gewesen sei. Man habe "jahrzehntelang bewusst beide Augen zugedrückt".
Fehler oder Schwachstellen wollten sie offenbar nicht einsehen. Laut Siphers Erfahrung reagierten deutsche Analytiker:innen und Spitzenleute – meist vom BND – fast immer sehr arrogant. Laut ihm herrschte die Devise: Man verstehe die Russen sowieso viel besser als alle anderen.
Sipher führt aus:
Laut des CIA-Experten empfanden auch die meisten anderen Geheimdienste die Zusammenarbeit mit Deutschland schwierig. "Die Deutschen hörten sich zwar gern die Informationen von anderen über Russlands gefährliche Vorgehen an – aber umgekehrt weigerten sie sich, selbst etwas herauszurücken oder zu kooperieren", sagt er.
Zusätzlich sieht Sipher die Bürokratie als großes Problem bei den deutschen Geheimdiensten, auch fehle es an nötigen finanziellen Mitteln. Seiner Erfahrung nach werden seine deutschen Kolleg:innen von ihrer Regierung nicht ernst genommen. Aber niemand mucke auf, denn das würde der Karriere schaden.
Sein vernichtendes Urteil: "Letztendlich wollte niemand mit den deutschen Nachrichtendiensten zusammenarbeiten, weil es nie irgendetwas brachte."
(Mit Material der dpa)