Putin lockt Männer in Russland mit Geld an die Front in die Ukraine.Bild: Moscow News Agency/AP / Sergei Kiselev
Russland
Noch immer hält der Ukraine-Krieg auch Russlands Bevölkerung in Atem. In den Weiten des Landes, weit entfernt von den Schlachtfeldern der Ukraine, manifestieren sich die Auswirkungen des Krieges in ungewöhnlicher Form. Dort gibt es einen unerwarteten Wohlstandsboom auf den Bankkonten zahlreicher Bürger:innen.
Die Zentralbank argumentiert mit erhöhter Wirtschaftsaktivität. Doch eine Analyse der Zentralbank Finnlands hat enthüllt, dass die Bankeinlagen vor allem in einigen strukturschwachen Regionen des Landes drastisch angestiegen sind. Besonders betroffen sind Gebiete, in denen sich laut Schätzungen des russischen Militärs eine hohe Anzahl von Soldaten hat rekrutieren lassen.
Russland, 2022: Rekruten stehen auf einem Panzer und hören einem Ausbilder zu.Bild: AP / Uncredited
Die Daten geben einen Hinweis darauf, dass der Tod der Soldaten für Familien zumindest finanziell lukrativ sein könnte. Der russische Ökonom Wladislaw Inosemzew behauptet sogar, dass in vielen Regionen Russlands heute "der Tod die lukrativste Nutzung des Lebens" sei.
Soldaten als Wohlstandsgarantie: Putin zahlt großzügig für den Tod
Vergangene Woche veröffentlichte das finnische Forschungsinstitut Bofit eine Analyse der Forscherin Laura Solanko, wie "Meduza" und "Spiegel" berichten. Die Teilrepublik Tuwa, an der Grenze zur Mongolei gelegen, hat den Daten der Analyse zufolge die höchsten Zuwächse verzeichnet. Laura Solanko erklärt dazu: "Nach Beginn der russischen Teilmobilisierung im Herbst 2022 stiegen die Bankeinlagen in Tuwa um 53 Prozent."
Doch auch in anderen strukturschwachen Regionen wie Tschetschenien und Burjatien zeichnet sich ein ähnliches Muster ab, mit Zuwächsen von 30 Prozent bzw. 33 Prozent.
Diese unerwarteten Vermögenszuwächse stehen offenbar im Zusammenhang mit den großzügigen Zahlungen des russischen Militärs an Soldaten und deren Familien. Freiwillige, die sich den russischen Streitkräften anschließen, erhalten eine Sofortprämie von 700.000 Rubel, etwa 7000 Euro. In Tuwa entspricht dies dem 13-fachen des durchschnittlichen Monatsverdiensts im Jahr 2022. Darüber hinaus hat Präsident Wladimir Putin ein Dekret erlassen, das Familien von in der Ukraine gefallenen Soldaten Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu fünf Millionen Rubel verspricht, umgerechnet etwa 50.000 Euro.
Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Wladimir Putin reichen sich die Hände.Bild: Pool Sputnik Kremlin/AP / Alexander Kazakov
Die Ökonomin Solanko betont, dass trotz fehlender formeller Beweise die kriegsbezogenen Zusatzzahlungen die plausibelste Erklärung für den beobachteten Anstieg der Bankeinlagen darstellen. "Kriegsbedingte Zusatzzahlungen sind die plausibelste Erklärung für das, was wir in den Daten sehen", stellt Solanko klar.
Der ungewöhnliche Anstieg der Bankeinlagen: Ein Blick auf die Zahlen
Die Russen verzeichneten im Zeitraum von Dezember 2022 bis Dezember 2023 einen außergewöhnlich starken Anstieg ihrer Bankeinlagen um 18 Prozent. Im ganzen Land. Die russische Zentralbank führt dies auf "erhöhte Wirtschaftsaktivität und Wachstum der Reallöhne" zurück, wie das russische Exilmedium "Meduza" berichtet. Eine differenziertere Betrachtung zeigt, dass in etwa zehn Regionen, darunter Tuwa und Burjatien, die Bankeinlagen der Bürger:innen um mehr als 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr stiegen.
Laura Solanko hebt hervor, dass der Anstieg in diesen Regionen ungewöhnlich sei und sich vor Mitte 2022 kaum von denen im Rest des Landes unterschieden habe. Dies deute darauf hin, dass die hohen Regierungszahlungen an Soldaten und deren Familien die Hauptursache für diesen Anstieg seien.
St. Petersburg: Frauen unterhalten sich beim Vorbeigehen an einem Plakat mit einem russischen Soldaten.Bild: AP / Dmitri Lovetsky
Doppelter Effekt: Die finanziellen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts
Der Krieg in der Ukraine hat viele Russen dazu veranlasst, sich den Streitkräften anzuschließen, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. Familien von gefallenen Soldaten nutzen die Entschädigungszahlungen, um größere Anschaffungen zu tätigen, die zuvor außer Reichweite lagen. Darunter fallen den Berichten zufolge etwa Autos und Häuser, wie "Meduza" schreibt.
Solanko betont die Bedeutung der Bankeinlagen als Indikator für wirtschaftliche Veränderungen in Regionen mit niedrigem Einkommensniveau. Sie erklärt: "Wenn die Leute von Anfang an nicht viel Geld auf ihren Konten haben, führen große Zuflüsse sofort zu einem spürbaren Anstieg."
Zahlreiche Soldaten sterben an der Front in der Ukraine.Bild: AP / Andriy Andriyenko
Für ärmere Regionen ist laut dem russischen Ökonom Wladislaw Inosemzew der Tod die "lukrativste Lebensform", wie der "Spiegel" schreibt. Als Begründung nennt er ein Beispiel: Wenn ein 35-jähriger Mann aus der Provinz sich freiwillig für den Krieg melde und dann sterbe, könnten seine Angehörigen dadurch teils mehr Geld bekommen, "als er über den Rest seines Arbeitslebens bis zur Rente verdient hätte".
Doch welche emotionale Belastung Familien dadurch mitmachen, lässt sich nur erahnen.
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Einige Fragen bleiben in der Analyse offen. Es mangelt an verlässlichen Daten darüber, wie viel jede Art von Zahlungen zum Anstieg der Bankeinlagen beigetragen hat. Ebenso gibt es kaum Informationen darüber, ob die versprochenen Zahlungen an die Familien der Soldaten pünktlich und vollständig geleistet wurden.
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