Emily Büning appelliert an alle demokratischen Parteien, sich unterzuhaken, um die aktuellen Krisen zu überstehen.Bild: imago images / Daniel Kubirski
Interview
Sie ist Politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen. Am Freitag erst wurde sie in ihrem Amt bestätigt. Im Gespräch mit watson spricht sie über die Einigkeit ihrer Partei und die Herausforderungen der Ampel.
watson: Frau Büning, wie geeint kann eine Partei in einer solchen Lage, in der sich Deutschland angesichts der Haushaltssperre derzeit befindet, sein?
Emily Büning: Ich nehme unsere Partei als sehr geschlossen wahr. Es gibt immer ein Ringen um inhaltliche Positionen. Aber gerade die Vorstandswahl am Freitag hat gezeigt, dass wir Rückenwind haben von unserer Partei. Der Bundesvorstand und sein Kurs wurden mit sehr guten Ergebnissen bestätigt.
Vor allem die FDP hat Ihre Partei in den vergangenen Monaten zu zahlreichen Kompromissen gedrängt. Ein Vorwurf jetzt: Die Grünen haben keine klare Linie mehr.
Die einen werfen uns vor, wir würden zu viele Kompromisse machen, die anderen, wir würden uns zu sehr in die Nische begeben. Beides stimmt nicht.
Sondern?
Na ja, genau in der Mitte, manchmal mehr Kompromiss und manchmal mehr klare Kante. Wir fahren genau den richtigen Kurs. Wir sind unseren Werten treu, machen Kompromisse und handeln im Hier und Jetzt. Diese Zeiten bedürfen es, dass man dieses Land verantwortungsvoll führt.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Grünen zuletzt immer mehr zu Kompromissen gedrängt.Bild: dpa / Michael Kappeler
Unter der Haushaltssperre leiden vor allem gerade Themen und Fonds, für die Robert Habeck kämpft. Das könnte Frustration unter den Wähler:innen auslösen und auf die Partei abfärben.
Es geht um finanzielle Mittel für die Zukunft unseres Landes, nicht um grüne Themen.
Aber auch.
Es geht um Themen, die für das gesamte Land bedeutsam sind: um Investitionen in unsere Wirtschaft, um die Frage, ob wir es schaffen, den deutschen Wirtschaftsstandort zukunftsfähig zu machen. Klimaschutz ist kein alleiniges Ziel der Grünen, es gilt für alle Parteien.
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Überzeugt sind die Menschen gerade offenbar nicht von der Ampel. Und auch in den Parteien selbst rumort es. Die FDP muss aller Voraussicht nach ihren Mitgliedern die Koalitionsfrage stellen und manche SPDler:innen liebäugeln mit der GroKo. Wie blicken Sie auf die Diskussionen um Neuwahlen?
Es ist kein Geheimnis, dass es besser laufen könnte in der Ampel. Wir müssen endlich das Getöse abschalten und uns darauf konzentrieren, die vielen guten Projekte, die wir machen, auch gemeinsam zu machen. Die Menschen brauchen gerade in diesen Zeiten Sicherheit. Da ist die Regierung mehr gefragt denn je, den richtigen Weg aufzuzeigen und sich nicht so viel mit sich selbst zu beschäftigen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) (v.l.), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) müssen derzeit hart verhandeln.Bild: dpa / Michael Kappeler
Dennoch gibt es die Forderung nach Neuwahlen.
Wir sind angetreten, um in einer schwierigen Situation dieses Land zu führen. Das haben wir die letzten zwei Jahre getan und werden es auch weiter tun.
Sind Sie erleichtert, dass die SPD offensichtlich ihren Weg weg von einer reinen Kanzlerpartei, hin zu einer sozialdemokratischen Partei findet und damit Verbündete gegen die FDP sein könnte?
Grundsätzlich haben wir schon festgestellt: Wir sind die Kraft, die für soziale Gerechtigkeit in dieser Regierung streitet. Und natürlich würden wir uns freuen, wenn die SPD dabei noch deutlicher an unserer Seite stehen würde.
"Die Union muss sich wirklich entscheiden, ob sie konservative Opposition oder destruktive Kraft sein will. Unter Friedrich Merz ist sie bisher letzteres."
Würden Sie sich auch mit der SPD zusammentun, um die Schuldenbremse zu kippen?
Alles, was in der Regierung entschieden wird, wird gemeinsam verhandelt. Da entscheiden nicht zwei Parteien gegen eine Partei, sondern es muss gemeinsam ein Kompromiss gefunden werden. Und den wird es auch in diesem Fall geben.
Oppositionsführer Friedrich Merz freut sich aktuell über seinen Erfolg vor dem Karlsruher Verfassungsgericht.Bild: dpa / Bernd Weißbrod
Gut verhandelt wurde im Falle des Nachtragshaushalts für 2021 allerdings nicht. Auch wenn es viele so wahrnehmen – die Union ist nicht Schuld am Karlsruher Haushaltsurteil. Die Ampel hat schlampig gearbeitet.
Dieses Verfassungsgerichtsurteil ist ein Urteil, das weitreichende Folgen hat. Es ist immer das gute Recht, das Verfassungsgericht anzurufen. Das trifft dann seine Entscheidungen eben, wie es sie trifft und wir müssen mit den Ergebnissen umgehen.
Und wie?
Für 2024 muss eine Lösung gefunden werden. Die Koalitionspartner sind dazu sehr eng im Austausch und ich bin zuversichtlich, dass das klappt. Langfristig ist unsere Position zur Schuldenbremse bekannt: Wir brauchen eine Reform. Das müssen wir angehen.
Könnten die Grünen dennoch von der Krise profitieren, wenn die Menschen merken, dass Friedrich Merz' Klage vor dem Karlsruher Verfassungsgericht auch negative Auswirkungen auf ihr Leben haben wird?
Niemand profitiert davon, wenn dieses Land in eine Krise gerät. Und die Union muss sich wirklich entscheiden, ob sie konservative Opposition oder destruktive Kraft sein will. Unter Friedrich Merz ist sie bisher letzteres und das ist kein guter Weg für dieses Land.
Und der wäre stattdessen?
Wir brauchen einen demokratischen, gern kontroversen Diskurs – gerade in diesen Zeiten. Wir haben momentan starke rechtsextreme Kräfte, die nach vorne drängen. Darum müssen jetzt alle demokratischen Parteien, auch die CDU, ein Minimum an Verantwortungsgefühl zeigen und alle darauf hinarbeiten, dass dieses Land gut durch die Krisen der aktuellen Zeit kommt.
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