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Ahmad Mansour äußert sich exklusiv zu Vita-Vorwürfen: "Fühle mich hilflos"

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Ein Journalist hegt große Zweifel an Ahmad Mansours Lebenslauf – dieser wehrt sich nun gegen die Anschuldigungen.Bild: imago images / serienlicht
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Ahmad Mansour äußert sich exklusiv zu Vita-Vorwürfen: "Fühle mich hilflos"

05.07.2023, 19:2005.07.2023, 19:48
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Es sind schwere Vorwürfe, die der Journalist James Jackson gegen den Islamismus- und Antisemitismus-Experten Ahmad Mansour anbringt. Er soll seine Vita übertrieben und bei seiner Ausbildung gelogen haben. Der Artikel erschien auf der britischen Online-Plattform "Hyphen" und schlägt seither große Wellen.

Mansour äußert sich im watson-Interview exklusiv zu diesen Vorwürfen und erklärt, warum er die Recherche für antisemitisch hält.

Watson: Herr Mansour, das waren ein paar anspruchsvolle Tage. Wie geht es Ihnen?

Ahmad Mansour: Es wird besser. In den vergangenen zwei Tagen habe ich die kürzeste Midlifecrisis meines Lebens durchlebt. Ich habe am 2. Juli Geburtstag. Und dann habe ich gesagt: "Okay, ich bin jetzt 47 Jahre alt, wie wird das neue Jahr? Welche Ziele habe ich?" Und dann, einen Tag später, kam diese Kampagne. Dadurch war diese Sinnsuche nicht mehr vorhanden.

Weil der Artikel Sie persönlich so belastet hat?

Natürlich ist das sehr belastend, auch für meine Familie. Es ist nicht einfach, das alles bewältigen zu können. Beruflich wie privat. Aber – es ist unschön, das so sagen zu müssen – ich bin ja geübt in solchen Shitstorms. Und ich freue mich, dass ganz viele vernünftige Menschen auf meiner Seite standen. Übrigens auch meine Gegner. Also Leute, die nicht immer meiner Meinung sind und nicht immer alles gut finden, was ich schreibe, die Argumente austauschen und auch widersprechen – aber nicht auf persönlicher Ebene. Diejenigen, die immer wieder der Meinung waren, ich hätte einen problematischen Hintergrund, die finden ihre Bestätigung in solchen Artikeln. Denen kann man nicht so einfach mit Argumenten begegnen.

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Sie haben in einem früheren Interview mit watson auch über Polizeischutz gesprochen. Muss der nun für Sie verstärkt werden?

Das liegt nicht in meiner Hand. Diese Bewertungen obliegen dem LKA. Aber es ist schon heftig, was ich in den letzten zwei Tagen an Nachrichten bekam.

Inwiefern?

Das liegt an den Nachrichten, die ich bekomme, aber auch allein, wenn ich mal fünf Minuten auf Twitter unterwegs bin, sehe ich, wie dieses Thema von islamistischen Gruppen aufgegriffen wird, wie ich als der große Lügner dargestellt werde. Das ist immer ein Anlass für diese sehr massiven Bedrohungen, die leider auch nicht nur online bleiben. Etwa im Supermarkt werde ich oft angesprochen – ich mache das ja schon seit acht Jahren mit. Da muss ich entweder mit Personenschutz unterwegs sein oder dann allein sehr schnell deeskalierend wirken, um etwaige Angriffe zu verhindern.

Was macht das mit Ihnen?

Seit ich Vater bin, ist das natürlich nicht nur eine Verantwortung für mich, sondern für meine Familie. Und da muss man zweimal darüber nachdenken, wo man hingeht, wie man dorthin geht und wen man in sein Privatleben reinlässt.

Sie werfen dem Journalisten James Jackson vor, aus Rache wegen Ihrer Teilnahme an der Kommission zum Thema Antisemitismus in der "Deutschen Welle" gehandelt zu haben. Aber werden solche Recherchen nicht immer von Kritiker:innen in die Wege geleitet? Nehmen wir nur mal die Beispiele Guttenberg oder Baerbock ...

Ich glaube schon. In einer Demokratie soll so etwas auch möglich sein. Dass die Leute kritisiert werden, dass man Hintergrundrecherche macht und schaut, ob das, was die Leute sagen, richtig ist oder nicht. Aber man wahrt dabei immer journalistische Standards. Man versucht, faktenorientiert zu arbeiten. Man versucht, die andere Seite abzubilden in ihren Gegenargumenten. Das ist in diesem Artikel gar nicht vorhanden.

Mansours Tätigkeit in der Prüfkommission
Das Portal "Hyphen", für das der Journalist Jackson schreibt, bezeichnet sich selbst als Online-Angebot, das sich auf Themen konzentriert, die für Muslime im Vereinigten Königreich und in Europa wichtig sind. Eigenen Angaben zufolge arbeitet Jackson zudem für die "Deutsche Welle". Nach einem Artikel der "Süddeutschen Zeitung" über vermeintlichen Antisemitismus im Arabischen Sender der "DW" setzte der Sender eine Prüfkommission ein, der Ahmad Mansour angehörte. Nach den Ermittlungen wurde mehreren Journalist:innen gekündigt.

Hier muss ich einhaken. Herr Jackson sagt, er hätte Sie mehrfach angefragt und Sie hätten nicht geantwortet. War dem nicht so?

Nein. Er hat mich einmal angefragt, in einem sehr gebrochenen Deutsch. Ohne eine Adresse zu nennen, ohne zu schreiben, für wen er arbeitet, mit einer Google-Mail-Adresse. Wenn Sie mir schreiben und sagen "ich schreibe für watson, ich recherchiere zu diesem Thema, können wir darüber einmal sprechen, hier ist meine Telefonnummer", dann rufe ich an und wir sprechen darüber. Wenn ich aber so eine komische E-Mail bekomme, die sogar in meinem Spam-Ordner landet, ist das doch keine journalistische Anfrage. Darin den Beleg zu sehen, die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen, sagt eigentlich schon alles aus.

Der nächste Punkt ist die Faktentreue. Noch im Februar dieses Jahres stand auf Ihrer Website nichts von dem Academic College of Tel Aviv-Yaffo. Sondern: Tel Aviv, Israel, Bachelor Psychologie, Soziologie und Anthropologie. In einer Webseitenversion von 2016 steht die Universität Tel Aviv. Warum dieses Hin und Her?

Ich habe in Tel Aviv studiert. Wenn ich Interviews gegeben habe, ging es um meine Radikalisierungstendenzen und meine Begegnungen mit Menschen. Und diese Begegnungen fanden an der Universität Tel Aviv statt. 1995 und '96 habe ich durch die vielen Begegnungen mit Juden meine Deradikalisierung durchlebt. Und wenn ich darüber nachdenke, dann war das in den Cafés, in den Räumen, in den Gebäuden der Universität Tel Aviv. Ich habe nie geschrieben, dass ich in der Universität Tel Aviv einen Abschluss habe.

"Wenn mich jemand missverstehen möchte und das das einzige ist, das an mir kleben bleibt, bitte schön."

So mutet es aber an – zumindest in der Version Ihrer Website von 2016.

Wenn Sie Interviews von 2019 anschauen, also vor vier Jahren, habe ich immer von der Fachhochschule Tel Aviv-Yaffo gesprochen. Die Webseite wurde 2016 von Mitarbeitern aufgebaut und dann präzisiert.

Von Universität Tel Aviv zu Tel Aviv und dann zur Fachhochschule ...

Eine Fachhochschule, die übrigens nicht irgendeine Hinterhof-Fachhochschule ist. Das ist eine Hochschule, die an der Universität angebunden ist. Das heißt, teilweise waren die Seminare in der Universität. In meinen Büchern "Generation Allah" und "Operation Allah", in den Interviews, wo ich gefragt wurde "Wo haben Sie sich radikalisiert, wie haben Sie sich deradikalisiert?", da habe ich natürlich von der Uni Tel Aviv gesprochen.

01.11.2022, xpsx, Lokal Hanau Extremismusforscher Ahmad Mansour, v.l. Ahmad Mansour, Hanau Hessen Deutschland DEU Roter Saal Schloss Philippsruhe *** 01 11 2022, xpsx, local Hanau extremism researcher ...
Ahmad Mansour tritt häufig in Talkshows als Experte für Extremismus und Antisemitismus auf.Bild: imago images / Patrick Scheiber

Aber Sie verstehen schon, dass der alleinige Bezug zur Universität Tel Aviv zumindest missverständlich ausgedrückt war, oder?

Aber ich war ja da.

Dass das dann bei Hintergrundrecherchen angebracht wird, ist aber doch nur nachvollziehbar.

Wenn mich jemand missverstehen möchte und das dann das einzige ist, das an mir kleben bleibt, bitte schön. Aber ich war da. Ich habe nie über akademische Abschlüsse gesprochen, sondern über Realitäten, Erlebnisse. Übrigens habe ich meine Bachelorarbeit an der Universität Tel Aviv gemacht. Diese Bachelorarbeit wurde auch veröffentlicht.

Ein weiterer Punkt sind mehrdeutige Aussagen zum inneren Beweggrund Ihres Psychologiestudiums. In einer Folge von Daniel Donskoys "Freitagnacht Jews" im WDR erzählten Sie, dass Sie von einem Imam dorthin geschickt wurden, um die nichtmuslimische Gesellschaft zu unterwandern. Der Imam hätte begrüßt, dass Sie Psychologie studieren und hätte Ihnen ein Stipendium angeboten. In einem Interview bei 3Sat sagen Sie, der Imam habe das nicht begrüßt, weil das keine richtige Wissenschaft sei und auch wegen der Gefahr der Ketzerei. Wie erklären Sie das?

Zwischen meinem 13. und 19. Lebensjahr war ich in einer islamistischen Gruppierung, die nah an den Muslimbrüdern war. Ich wurde nicht von einem Imam, sondern von vielen Imamen betreut, die natürlich Einfluss genommen haben auf uns. Und es gab Imame, die das Studium der Psychologie ablehnten. Es ist interessant, dass in diesem Artikel der Professor Muthanna Samara zitiert wird. Der hat zwei Jahre vor mir Psychologie studiert und damit eine Öffnung für dieses Thema ermöglicht. Das hat dann auch andere Imame dazu bewogen, zu sagen: "Ja, mach das, es gibt ja auch andere Brüder, die das machen."

Sie sprachen also in den verschiedenen Interviews von verschiedenen Imamen?

Ja. Und auch, wenn diese Menschen mit Psychologie als Fach nichts anfangen konnten: Jedes neue Fach, das man studiert, ist etwas, das ihnen hilft, Strukturen aufzubauen. Die Muslimbrüder wollen ja soziale Strukturen aufbauen, um dann Einfluss zu nehmen auf die Gesellschaft. Ein anderer Imam, der für mich eine Vaterfigur war, war streng dagegen. Genau wie mein Vater übrigens, der mich nicht mal finanzieren wollte.

Diese Recherche hat große Wellen geschlagen. Sie sagen, der Journalist habe falsche Aussagen getätigt. Werden Sie rechtliche Schritte einlegen?

Diese sogenannte Recherche ist vor allem sofort direkt in sich zusammengefallen, weil allein mit Lügen und Diffamierungen versucht wird, mich zu beschädigen. Das sehen ja auch zahlreiche Medien und sogar meine schärfsten Kritiker so. Ich habe gestern mit meinem Medienanwalt gesprochen. Das wird leider etwas kompliziert und vor allem sehr teuer. Ich muss erst einmal schauen, ob ich das überhaupt finanzieren kann. Aber ich möchte es – weil ich diesen Kampf nicht nur für mich, sondern für alle anderen, die vielleicht eingeschüchtert werden sollen, kämpfe.

Sie werfen dem Journalisten unter anderem Antisemitismus vor. Warum?

Zunächst einmal, weil die Recherche nur wegen meiner Arbeit für die "Deutsche Welle" entstanden ist. Wenn man sich dann anschaut, mit welchen Leuten er gesprochen hat, welche Definition von Antisemitismus er übernimmt, wie er meine Arbeit beim Thema Antisemitismus zitiert und vor allem, welche Quellen er für seine Arbeit nimmt, dann sind sie absolut einseitig und entweder in der Nähe von BDS oder in der Nähe von echtem Antisemitismus.

Was bedeutet BDS?
BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" und ist eine politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will. Das Ziel: Israel müsse die Besetzung und Kolonisierung "allen arabischen Landes" beenden. Die Antisemitismusforschung ordnet die Ziele der Kampagne als antizionistisch, also gegen einen jüdischen Staat gerichtet, und auch in großen Teilen als antisemitisch ein. Auch die Regierungen Deutschlands, Österreichs und Tschechiens haben BDS als antisemitisch eingestuft.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der Journalist stellt Aussagen von Mitarbeitern, die von der "Deutschen Welle" entlassen wurden, unwiderlegt und unwidersprochen als Opfer von Ahmad Mansour dar. Etwa dass eine Art Geheimdienst-Verhörmethoden angewandt wurden, ohne auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen. Ich war im Übrigen auch nicht allein in dieser Kommission. Es war die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger a.D. dabei, die nie verdächtigt wurde, islamophob oder rassistisch zu sein.

Was hier geschehen ist, war eine reine Bestätigung eines Weltbilds: Ahmad Mansour ist ein Israel-Lobbyist, der die Mehrheitsgesellschaft unterstützen will. Die Kritik, die er betreibt, betreibt er nur, weil er von der israelischen zionistischen Lobby beeinflusst wird. Er zitiert Nimer Sultany, jemanden aus meiner Vergangenheit, der meint, mich zu kennen, der übrigens auch bei BDS aktiv ist. Auch er war in den vergangenen Monaten an Diffamierungskampagne beteiligt, die mich auf Arabisch als der große Israel-Lobbyist darstellen. Genau das ist Israel-bezogener Antisemitismus.

"In dem Artikel ist das ein Satz, aber dieser Satz bedeutet, dass meine Eltern dort nicht mehr willkommen sind. Er bedeutet, dass meine Familie bedroht wird."

In einem Tweet werfen Sie dem Journalisten auch mafiöse Methoden vor.

Ich weiß nicht, ob Herr Jackson überhaupt weiß, was er meiner Familie antut, wenn er in meine alte Moschee geht. Das ist diese europäische Brille, die nicht begreift, wie ein arabisches Dorf in Israel funktioniert. Wenn er in eine Moschee geht und sagt: "Wir haben hier einen Menschen, der Ihnen vorwirft, radikal zu sein."

Aber tun Sie das nicht?

Ich habe gesagt, ich habe mich in dieser Moschee radikalisiert. Aber ich habe nicht gesagt, jeder, der in dieser Moschee betet, ist radikal. Dann kommt also dieser Journalist in die Moschee und fragt: "Ist diese Moschee radikal?" Ein Hausmeister kommt zu Wort und reagiert schockiert. In dem Artikel ist das ein Satz, aber dieser Satz bedeutet, dass meine Eltern – und mein Vater betet in dieser Moschee regelmäßig – dort nicht mehr willkommen sind. Er bedeutet, dass meine Familie bedroht wird, dass die sich von mir distanzieren muss, damit sie nicht angegriffen wird.

Das klingt schon sehr drastisch.

Es bedeutet, dass ich in den nächsten fünf Jahren zumindest dieses Dorf nicht mehr besuchen kann. Ich kann meine Familie nicht besuchen, denn ich bin der Böse, der sie in den Dreck zieht.

Um das noch einmal ganz klar zu fragen: Gehen Sie davon aus, dass der Journalist alles, was Sie gerade beschrieben haben, bewusst so provoziert hat?

Ja. Wer monatelang Recherche betrieben hat, wer in meinem Dorf war, der hat schon mitgekriegt, wie dieses Dorf tickt.

Herr Mansour, gibt es irgendetwas an vergangenen Aussagen, das Sie an dieser Stelle nun berichtigen möchten?

Nein.

Sicher?

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der auch auf Twitter nun aufgegriffen wird, um mich zu delegitimieren. Man sagt ja, ich habe meine Biografie so aufgeputscht, damit ich quasi eine Bestätigung habe für die Arbeit, die ich in Deutschland mache. Ich habe meine Geschichte bewusst veröffentlicht und klar gesagt: "Ich war ein Islamist".

Und?

Jetzt meine Biografie infrage zu stellen, gibt anderen Leuten die Möglichkeit, mich anzugreifen. Ich bin nicht stolz, radikal gewesen zu sein. Dass aber nun gesagt wird, ich habe meine Geschichte erfunden oder übertrieben, greift das an, was mich ausmacht. Und ich fühle mich hilflos. Ich habe keine Bilder von der Zeit damals. Ich habe keine Kontakte zu den Leuten, die damals mit mir gebrochen haben, die jetzt sagen könnten: "Ja, wir waren mit Ahmad zusammen und wir waren alle radikal" Ich kann mich hier also nicht wehren.

Einige Belege können Sie aber schon anbringen, oder?

Wo ich mich wehren kann, ist diese Tatsache, dass der Journalist sagt, diese Gruppe, in der ich war, habe nichts mit Muslimbruderschaft zu tun. Ich habe Beweise, dass sie Muslimbrüder waren. Muslimbruderschaft ist eine Ideologie. Und die hat bestimmte Symbole. Und ich habe Artikel aus der Wissenschaft in Israel, die diese Islamische Bewegung als Teil der Muslimbrüder beschreibt. Ich habe Bilder von der Islamischen Bewegung in Tira, zu der ich gehörte, wo sehr deutlich Muslimbruder-Ideologie betrieben wurde.

Dann steht noch der Vorwurf im Raum, der Imam sei kein Imam gewesen.

Ja, aber was heißt Imam? Imam ist eine Respektsperson, ein Vorbeter, jemand, der Islam lehrt. In der salafistischen Szene werden Sie viele Imame in einer Gemeinde sehen. Sind das dann offizielle Imame? Nein, sie werden Imame genannt, weil sie über die Religion sprechen. Und auf dieser Grundlage meine Biografie anzugreifen, ist absolut zu wenig und zu einfach. Was damit gesagt werden soll, ist: "Ahmad Mansour hat gelogen." Übrigens habe ich Beweise dafür, dass die islamische Bewegung über ihn schreibt, er sei ein Pionier gewesen. Einer der ersten Führungskräfte in dieser Bewegung. Jemand, der missioniert hat.

Der auch Sie in Ihrer Denkweise über Juden und Israel beeinflusst hat?

Ja, und da gibt es auch noch eine Sache, die ich klarstellen muss. Darauf bin ich auch nicht stolz. Ich habe immer wieder geschrieben, dass ich nicht nur islamistisch war, sondern eine antisemitische Einstellung hatte. Und dass meine Zweifel an dieser Einstellung während meines Studiums und durch meine Begegnungen an der Universität Tel Aviv wuchsen. Ich habe dort Leute kennengelernt, die mich begleitet haben, die meine Freunde wurden, die meinen Horizont erweitert haben. Ich komme von einem patriarchalischen Dorf und sehe in der Großstadt Partys und Leute, die anders mit Sexualität, mit Männlichkeit umgehen – und das hat mich neugierig gemacht.

Aber?

Diese antisemitische Einstellung begleitete mich trotzdem noch sehr lange, vor allem politisch. Ich habe zwar Juden kennengelernt, die meine Freunde wurden, aber politisch war ich noch immer der Ansicht, Israel ist unser Feind. Ich habe 2002 einen Artikel geschrieben, der in Israel große Diskussionen ausgelöst hat. Mitten in der zweiten Intifada habe ich sinngemäß geschrieben: "Wir brauchen zwei Schicksale: für Araber, die in Israel leben, und für die Palästinenser. Es kann nicht sein, dass unsere politischen Vertreter von den arabischen Israelis immer wieder über Gaza und Westbank sprechen, während in unseren Städten Verwahrlosung, Bildungsprobleme und so weiter herrschen." Zwei Schicksale für zwei Völker, so habe ich das damals genannt. Ich habe dort einen Satz geschrieben, der eigentlich beweist, wie antisemitisch und radikal ich war.

Diesen Satz hat Herr Jackson auf Twitter zitiert. Dort schreiben sie, die Juden Israels seien "die unverschämtesten Menschen in der Geschichte der Menschheit".

Genau. Auf der einen Seite sagt er, ich sei nicht radikal gewesen. Auf der anderen aber nimmt er das als Argument gegen mich. Ich sage es hier noch einmal: Ja, diese Aussage ist absolut antisemitisch. Aber ich habe meinen Antisemitismus und meine eigene Geschichte reflektiert. Meine Arbeit mit jungen Menschen, die Arbeit im Gefängnis, die Arbeit in den Schulen, die Arbeit in Asylheimen: Da zweifelt keiner, weil die merken, dass ich die Sprache spreche, dass ich die Mechanismen kenne. Ich habe über mehrere Jahre eine ehemalige führende Kraft der al-Qaida begleitet – das wäre gar nicht möglich gewesen, wenn er meine Geschichte und meine Expertise angezweifelt hätte. Ich hätte gern eine andere Biografie, aber ich habe nun mal diese. Sie ist ein Teil von mir.

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