Viele Anwohner helfen bei den Aufräumarbeiten in den Überschwemmungsgebieten mit.Bild: dpa / Thomas Frey
Deutschland
21.07.2021, 09:0129.07.2021, 06:40
Eine Woche nach Beginn der
Hochwasserkatastrophe will die Bundesregierung an diesem Mittwoch
millionenschwere Soforthilfen auf den Weg bringen. Damit sollen die
schlimmsten Schäden an Gebäuden und kommunaler Infrastruktur
beseitigt und besondere Notlagen überbrückt werden. Insgesamt geht es
um etwa 400 Millionen Euro, die je zur Hälfte von Bund und Ländern
getragen werden sollen. Außerdem ist ein milliardenschwerer
Aufbaufonds geplant. Über dessen Höhe soll erst entschieden werden,
wenn das Ausmaß der Schäden genauer absehbar ist.
Die Katastrophe mit inzwischen mehr als 170 Todesopfern ist am
Mittwoch zum ersten Mal Thema im Bundeskabinett. Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagten den Flutopfern
bereits unbürokratische Hilfen zu. "Ich hoffe, dass das eine Sache
von Tagen ist", sagte Merkel am Dienstag bei einem Besuch im stark
zerstörten Bad Münstereifel. Finanzminister Scholz versprach in der
"Rheinischen Post": "Der Bund wird alles tun, um alle Betroffenen
schnell und möglichst unbürokratisch zu unterstützen."
NRW will 200 Millionen Euro Hilfsmittel zur Verfügung stellen
Nordrhein-Westfalen wird nach Angaben von Ministerpräsident Armin
Laschet 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Der Bund habe
zugesagt, die Landeshilfe zu verdoppeln, sagte der
CDU/CSU-Kanzlerkandidat am Dienstagabend im ZDF-"heute journal".
Manche Kommunen hätten bereits mit der Auszahlung von Bargeld
begonnen. Zuvor schon hatte Rheinland-Pfalz Soforthilfen bis zu 3500
Euro pro Haushalt beschlossen. Bayern will 50 Millionen Euro für
Hochwasseropfer im Freistaat bereitstellen.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach sich in der
Sendung "Frühstart" von RTL/ntv ebenfalls für eine baldige Auszahlung
der Hilfen aus. Damit Betroffene "nicht monatelang" warten müssten,
solle es eine Sondersitzung des Bundestags geben. FDP-Chef Christian
Lindner forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe einen
Aufbaufonds in Milliardenhöhe wie nach der Hochwasserkatastrophe
2013.
Auch die EU soll mit Unterstützung dienen
Inzwischen gibt es auch eine Debatte, ob die Bevölkerung mit
SMS-Warnmeldungen aufs Handy besser geschützt werden könnte. Der
stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte der
"Bild"-Zeitung: "Wir brauchen ein passives System zum
Bevölkerungsschutz, das auch warnt, ohne dass man eine App aktiv
herunterladen muss." Dazu wird in anderen Ländern ein System namens
Cell Broadcast benutzt. Die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg
sprach sich im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) für die schnelle
Einführung auch in Deutschland aus.
Der Bund will den Ländern auch die Kosten für Rettungseinsätze
von Bundespolizei, Technischem Hilfswerk (THW) und Bevölkerungsschutz
erlassen. Auch Bundeswehreinsätze sollen ihnen nicht in Rechnung
gestellt werden. Zur Bewältigung der Schäden soll auch Geld aus dem
EU-Solidaritätsfonds beantragt werden. Derzeit rechnet der Bund mit
Schäden von mindestens zwei Milliarden allein an den Straßen sowie
bei der Deutschen Bahn.
Insolvenzen könnten ausgesetzt werden
Das Kabinett will außerdem den ersten Teil einer neuen Strategie
für den Bevölkerungsschutz beschließen. Zunächst soll eine "Nationale
Reserve Gesundheitsschutz" aufgebaut werden. Mittelfristig soll aber
auch die Vorsorge für Krisen wie Hochwasser und größere Brände
verbessert werden. Geplant ist ein gemeinsames Krisenzentrum von Bund
und Ländern, in dem auch Hilfsorganisationen mitwirken.
Insolvenzverwalter hatten zudem eine Aussetzung der
Insolvenzpflicht gefordert, um Unternehmen zu entlasten. Der
SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner betonte, durch das Hochwasser
hätten viele Firmen große Schwierigkeiten, rasch zum normalen Betrieb
zurückzukehren. "Wenn Menschen in den Hochwassergebieten ihr Hab und
Gut verloren haben, sollen sie nicht auch noch um den Arbeitsplatz
bangen."
Der Präsident des Städtetags, Burkhard Jung, warnte unterdessen
vor einer Zentralisierung der Kompetenzen beim Katastrophenschutz.
"Wir warnen vor unüberlegten Schnellschüssen. Die föderale Struktur
mit den unterschiedlichen Rollen von Bund, Ländern und Kommunen
bleibt richtig, weil Katastrophen vor Ort auftreten und rasch
bewältigt werden müssen", sagte Jung der "Rheinischen
Post".
(lfr/dpa)