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Grünes Gewölbe: Video zeigt Raub in Dresden - warum die Security nicht eingriff

Der Pretiosensaal im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Der Pretiosensaal im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.Bild: picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/ZB
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Grünes Gewölbe: Video zeigt spektakulären Raub – die wichtigsten Antworten

25.11.2019, 19:5026.11.2019, 07:29
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Bild: watson

Es ist einer der spektakulärsten Einbruchsfälle der vergangenen Jahrzehnte: Unbekannte haben aus der berühmten Schatzkammer Grünes Gewölbe in Dresden Kunstschätze von kaum messbarem Wert gestohlen.

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall.

Wie kamen die Täter in das Residenzschloss und wie lief der Raub ab?

Vermutlich zwei Täter stiegen über ein Fenster in das Residenzschloss in der Dresdner Altstadt ein. Die Kriminalpolizei geht davon aus, dass weitere Täter beteiligt waren. Bis zum Abend gab es offiziell keine Spur von ihnen. Eine eilends einberufene Sonderkommission unter dem Titel "Epaulette" wurde am Nachmittag auf 20 Beamte verdoppelt.

Das Juwelenzimmer, der Tatort, hat nur Fenster zum Großen Schlosshof. Die Täter stiegen vom Theaterplatz in den Pretiosensaal ein und gingen direkt über das Wappenzimmer dorthin. "Sie müssen sich ausgekannt haben", sagte Museumsdirektor Dirk Syndram der Deutschen Presse-Agentur.

Was ist auf dem Überwachungsvideo zu sehen?

Die Überwachungskamera im Juwelenzimmer habe zwei Einbrecher gezeigt, sagte der Leiter der Kriminalpolizei, Volker Lange. Die Täter hätten zuvor ein Gitter durchtrennt und das Fenster eingeschlagen. Anschließend seien sie zielsicher auf eine Vitrine zugegangen und hätten diese mit einer Axt zertrümmert. "In Gänze dauerte die Tat nur wenige Minuten", hieß es am Abend im Polizeibericht.

Die Polizei hat am Abend das Überwachungsvideo veröffentlicht:

Hier räumen die Räuber das Grüne Gewölbe aus:

Was wurde gestohlen?

Das Diebesgut sind nach bisherigen Erkenntnissen Diamanten und Brillanten aus dem 18. Jahrhundert. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sprach von einem "Staatsschatz". Die Schadenshöhe ist derzeit noch unklar. Für die Schäden haftet der Freistaat, eine eigene Versicherung gibt es nicht.

Am Abend wurde bekannt, dass nicht alle Teile der betroffenen Garnituren entwendet wurden. "Wir wissen erst seit ein paar Minuten, nachdem der Tatort nochmal untersucht und die Spurensuche durchgeführt worden ist, dass zum Glück (...) doch eine ganze Menge Objekte noch da sind", sagte Ackermann im rbb-Interview von radioeins.

Der Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, sagte, es handle sich bei den Garnituren "um eine Art Weltkulturerbe".

Ein Absperrband der Polizei hängt vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe. In Dresdens Schatzkammer Grünes Gewölbe ist am frühen Morgen eingebrochen worden.
Ein Absperrband der Polizei hängt vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe. In Dresdens Schatzkammer Grünes Gewölbe ist am frühen Morgen eingebrochen worden.Bild: Sebastian Kahnert/dpa

Warum griffen die Sicherheitsmitarbeiter nicht ein?

Der Einbruch wurde am frühen Montagmorgen gemeldet. Um 04.59 Uhr hätten sie vom Sicherheitsdienst die Information bekommen, dass es einen Einbruch gebe, sagte der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa. Kurz darauf wurde der erste Streifenwagen alarmiert, wenig später waren demnach alle 16 im Stadtgebiet verfügbaren Einsatzwagen mit der Fahndung beauftragt.

Kurios: Laut Polizei verfolgten die Sicherheitsmitarbeiter des Museums den Raub live auf Überwachungskameras. Weil die Mitarbeiter nicht selbst bewaffnet waren, hätten sie nicht eingegriffen und stattdessen die Polizei gerufen. Weltweit ist es Generaldirektorin Ackermann zufolge üblich, dass sich die Mitarbeiter in solchen Fällen keiner Gefahr aussetzen und die Polizei informieren.

Geprüft wird ein möglicher Zusammenhang mit dem Brand eines Stromverteilers im Bereich der Augustusbrücke am frühen Montagmorgen. Dieser hatte für einen Stromausfall gesorgt. Dadurch fielen die Straßenlampen im Bereich des Residenzschlosses aus. "Es herrschte völlige Dunkelheit", so Lange.

Wie entkamen die Täter?

Hinweisen zufolge flüchteten die Einbrecher mit einem Audi A6 vom Tatort. Ein solches Fahrzeug wurde später in einer Tiefgarage im Dresdner Stadtteil Pieschen in Brand gesteckt, nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Der Audi wird nun von Kriminalisten untersucht. Bereits zuvor hatte die Polizei nicht ausschließen wollen, dass die Täter über die Autobahn die Flucht antraten. Die Autobahnauffahrt ist nur wenige Minuten entfernt. Die Bundespolizei wurde eingeschaltet.

Wie hoch ist der entstandene Schaden?

Nach Angaben der Generaldirektorin Ackermann lässt sich der Wert des Diebesguts nicht beziffern. Sie könne das nicht "in einem Wert" auflösen. Die besondere Bedeutung liege weniger im Materialwert als in der Vollständigkeit des Ensembles. Ackermann hofft wie andere Experten, dass das Diebesgut aufgrund der "internationalen Bekanntheit" nicht auf dem Kunstmarkt verkauft werden kann. Andererseits zeigte sie sich besorgt, die Garnituren könnten zerstört und deren Steine einzeln veräußert werden.

Welche Konsequenzen in Sachen Sicherheit wird es geben?

Nach dem Einbruch soll nun das Sicherheitskonzept überprüft werden. "Ein solches Vorkommnis wird natürlich dazu führen, dass man sich die Frage stellen muss, was man noch verschärfen muss, was man anders machen muss", sagte Ackermann. Die Räume des Grünen Gewölbes galten bis dato als streng gesichert.

Auch Polizeipräsident Jörg Kubiessa kündigte an, das Sicherheitskonzept auf den Prüfstand zu stellen. Aber dazu müsse man erstmal wissen, was passiert sei, so Kubiessa. Die Dresdner Polizei hat nach eigenen Angaben Kontakt zu Ermittlern in Berlin aufgenommen. Sie stünden in Kontakt, um zu sehen, "was gibt es für Zusammenhänge, was gibt es für ähnliche Tatmuster", sagte der Leiter der Kriminalpolizei, Lange. In Berlin hatten Unbekannte im Frühjahr 2017 im Bodemuseum eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze gestohlen.

Warum ist das Grüne Gewölbe so berühmt?

Die Räume des historischen Grünen Gewölbes, das seinen Namen durch die teils malachitgrüne Bemalung erhielt, entstanden bereits im 16. Jahrhundert. Ab 1723 baute sie der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke zur Schatzkammer aus. Im Zweiten Weltkrieg wurden das Residenzschloss und mit ihm Teile des berühmten Grünen Gewölbes weitgehend zerstört.

2006 war die Rekonstruktion der Gewölbe beendet. Seitdem zeigt die weltberühmte Schatzkammer ihre Kostbarkeiten. Eines der wertvollsten Stücke des Grünen Gewölbes wird derzeit im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt – der Grüne Diamant. Er fehlt also nicht.

Das Juwelenzimmer gilt als der prachtvollste Raum des Grünen Gewölbes. Täfelungen, Spiegel, Türbekrönungen mit Kurhut und Königskrone, Pilaster und Marmorfußboden wurden nach historischen Quellen rekonstruiert. In vier Hightech-Vitrinen liegen verschiedene Kostbarkeiten mit Brillanten, Diamanten, Smaragden, Rubinen und Saphiren - darunter der weltgrößte blaue Stein dieser Art. Im Juwelenzimmer befinden sich auch die "Juwelen der Königin": drei Meter Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zeigt sich bestürzt von dem Einbruch: "Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen!"

Er betonte: "Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloss zu finden sind, sind von den Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet wurden."

(ll/dpa/afp)