Symbolfoto.Bild: iStockphoto/watson montage
Deutschland
Stundenlang hat ein Bankräuber vor Gericht sein letztes Wort gehalten. Das
ist sein gutes Recht als Angeklagter – solange er sich nicht
wiederholt oder zu sehr abschweift. Für den 71 Jahre alten Bankräuber
vor dem Hamburger Landgericht war das durchaus eine Herausforderung.
"Hab ich das schon erzählt? Ich glaube nicht!"
Diese und ähnliche Sätze waren am Montag vor dem Landgericht Hamburg mehrfach aus dem Mund des Angeklagten zu hören. Nur, um dann im
Strafprozess von einer Episode aus seinem Leben im Gefängnis zu
erzählen, die 1990 an einem Tag mit "strahlend blauem Himmel"
passierte...
Der wegen versuchten Mordes angeklagte Serienbankräuber setzte am
Montag über mehrere Stunden den zweiten Teil seines letzten Wortes
fort.
Dabei schimpfte er vor allem auf die Unfähigkeit der Ermittler,
lobte sich für die schlaue Planung seiner Banküberfälle und
kritisierte die Vorsitzende Richterin für ihre Einwürfe.
Der zuletzt in Kiel lebende Deutsche dazu:
"Mir ist schon klar, dass Sie mir heute mein letztes Wort abschneiden wollen."
Richterin Birgit Woitas reagierte mit klaren Worten.
"Das werde ich
überhaupt nicht tun. Sie haben das Recht darauf. Ich weise Sie darauf
hin, wenn es Wiederholungen sind. Denn die muss ich unterbinden."
Der Hamburger Gerichtssprecher Kai Wantzen erklärt: "Angeklagte haben vor der Verkündung des Urteils das Recht, nicht die
Pflicht, auf das letzte Wort. Das ist in der Strafprozessordnung als
Kernbestandteil der Angeklagtenrechte in der Hauptverhandlung
verankert."
"Im Regelfall geht es um wenige Sätze, es kommt aber vor, dass ein
Angeklagter deutlich mehr zu sagen hat und die Ausführungen Stunden,
teilweise auch über mehrere Hauptverhandlungstage in Anspruch
nehmen", so Wantzen.
Das seien seltene Ausnahmen, es komme aber vor.
Wird einem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt oder es unzulässig verkürzt, kann das ein Revisionsgrund sein.
Die Strafprozessordnung kenne keine ausdrückliche Regelung mit Blick
auf die Länge des letzten Wortes. "Im Prinzip ist die mögliche Dauer
des letzten Worts daher - bis zur Grenze des Missbrauchs, etwa bei
ständigen Wiederholungen, weitschweifigen, abwegigen oder
ehrkränkenden Äußerungen - unbeschränkt", erklärte Wantzen weiter.
Diese Grenze des Missbrauchs nicht zu überschreiten, war für den Angeklagten durchaus eine Herausforderung.
- So verlor sich der 71-Jährige etwa bei den Ausführungen zu seinem Fluchtweg in Details über die Architektur von Häusern sowie den Belag.
- Stunde um Stunde las er dabei auch unzählige Zeitungsartikel über ihn vor. Dabei kritisierte er Medien, die schlecht über ihn berichteten.
- Ohne Redemanuskript arbeitete er sich dafür durch seine Aktenordner.
Auf Wiederholungen und Ausschweifungen musste Richterin Woitas
mehrfach hinweisen.
- "Das haben Sie uns meines Erachtens beim letzten Mal sehr ausführlich erzählt",
- "Das haben wir jetzt schon mehrfach gehört" und
- "Das ist eine Wiederholung", sagte sie deshalb häufiger.
- Als er die mehrseitige Begründung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1993 komplett vorlesen will, lässt Woitas zuvor im Protokoll festhalten, dass sie das als Ausschweifigkeit erachtet.
Bereits der erste Teil seines letzten Wortes hatte mehr als fünf Stunden gedauert.
Auch darin hatte er sich freimütig zu seinen
zwischen Ende 2011 und Anfang 2019 ausgeführten Taten bekannt, von
seinen "wahnsinnig tollen Einbrüchen" geschwärmt und von seiner
langen Bankräuber-Karriere erzählt.
Einiges auf dem Kerbholz!
Der Mann muss sich vor Gericht wegen drei Raubüberfällen auf
Hamburger Banken sowie einen dabei abgegebenen Schuss auf einen
Bankangestellten verantworten.
Bei den drei Überfällen hatte der
71-Jährige rund 25 000 Euro erbeutet. Der Staatsanwalt hatte eine
Haftstrafe von zwölf Jahren und zehn Monaten gefordert und
anschließende Sicherungsverwahrung gefordert.
Und wie geht es jetzt weiter?
Schon in seinem letzten Wort kündigte der 71-Jährige an, dass er -
auch, wenn ihm die Höhe der Strafe völlig egal sei - das Urteil
anfechten werde:
"Ich bereite mich ja schon auf die Revision vor. Die lege ich nicht in andere Hände. Die mache ich selbst."
Der Prozess
wird am 13. September mit weiteren Ausführungen des Angeklagten
fortgesetzt. Zudem legte die Richterin sieben weitere Prozesstermine
fest.
(lj/dpa)