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Was sich in der politischen Kommunikation in der Corona-Pandemie bessern muss

BERLIN, GERMANY - DECEMBER 08: Former German Health Minister Jens Spahn (L) speaks with the new German Health Minister Karl Lauterbach during the official handover at the Health Ministry on December 8 ...
Zwei, die einen Lockdown lange ausgeschlossen haben: Jens Spahn, bis Dezember Bundesgesundheitsminister – und sein Nachfolger Karl Lauterbach.Bild: Getty Images Europe / Pool
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Sag niemals nie: Was sich in der politischen Kommunikation in der Corona-Pandemie bessern muss

23.12.2021, 11:05
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Sie ist ein Hickhack, die Kommunikation deutscher Politikerinnen und Politiker während der Coronapandemie.

Impfpflicht? Auf gar keinen Fall, wird es niemals geben. Diese Meinung haben nicht gerade wenige Politiker im Sommer nach außen hin vertreten. Unter ihnen die damalige Justiz- und heutige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Sie etwa hatte eine allgemeine Impfpflicht noch im Juli in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" ausgeschlossen.

Viele im Bundestag haben ihre Meinung mittlerweile geändert: Mehr als 150 Abgeordnete sprechen sich mittlerweile auf watson-Nachfrage für eine Impfpflicht aus. Die Maßnahme rückt also näher.

Aus Sicht der Pandemiebekämpfung ist das eine gute Entscheidung.

Und auch politischem Spitzenpersonal sollte zugestanden werden, die eigene Meinung zu ändern, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Debatten, Diskussionen und das Finden eines Konsenses stellen das Wesen der Demokratie dar. Da ist es nur recht und billig, auch die eigene Meinung zu reflektieren und zu überdenken, sich selbst überzeugen zu lassen.

"Zurück in die Vergangenheit, könnte man sagen: Zurück zu den Wellen zwei und drei."

Nur müssen es die Entscheider des Landes dann auch schaffen, der Bevölkerung diese Meinungsänderung zu erklären. Und sie sollten sich selbst fragen, ob es nach nun knapp zwei Jahren Pandemie gerechtfertigt ist, irgendwelche Maßnahmen komplett auszuschließen – zum Beispiel einen weiteren Lockdown, wie es CSU-Politiker Alexander Dobrindt noch im Herbst getan hat. Gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" stellte er damals klar: "Es wird keinen weiteren Lockdown geben."

Ja klar, schön wär's gewesen.

Aber müsste nicht auch der politischen Spitze des Landes mittlerweile klar sein, dass das Coronavirus vor allem eins ist: nämlich unvorhersehbar? Wie im vergangenen Winter kommt auch dieses Jahr kurz vor Weihnachten eine neue Variante um die Ecke. Omikron ist ihr Name und das Robert-Koch-Institut hat sie mittlerweile auch für Doppelt Geimpfte, die noch nicht geboostert wurden, als gefährlich eingestuft.

Wenig überraschend soll es nach Weihnachten also doch wieder Kontaktbeschränkungen geben. Sollen auch Geimpfte und Genesene wieder auf Besuche bei Freunden und Familie verzichten. Clubs und Freizeiteinrichtungen werden wieder geschlossen, ebenso der Zugang zu Fußballstadien.

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Auch die Impfpflicht wird nicht länger komplett ausgeschlossen. Bild: iStockphoto / insta_photos

Zurück in die Vergangenheit, könnte man sagen: Zurück zu den Wellen zwei und drei. Gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie keine 4000 Mark ein.

Eine Frage, die man aber stellen kann: warum erst nach Weihnachten? Natürlich, wir alle freuen uns, Familie und Freunde wiederzusehen. Zusammen zu sein, nachdem genau das mit dem zweiten Lockdown im vergangenen Jahr an Weihnachten nicht möglich war.

Aber das Problem ist doch: Auch jetzt schon ist die Omikron-Variante des Coronavirus auf dem Vormarsch. Und Überraschung: Corona sind Feiertage ziemlich schnuppe. Wobei, je gemütlicher große Gruppen beieinander sind, je mehr Menschen bei Gottesdiensten singen, gemeinsam in Restaurants sitzen und wichteln, desto besser kann sich Omikron verbreiten. Aus Sicht des Virus also alles spitzenmäßig.

Und nach Weihnachten kommt dann der große Kater, wie es sich nach Feiertagen gehört.

Diese Befürchtung teilt das Robert-Koch-Institut und fordert deshalb Kontakte bereits zu Weihnachten zu beschränken – am besten bis Mitte Januar, um der nahenden Omikron-Welle Einhalt zu gebieten. Geschlossene Discos, Bars, Stadien, Kulturstätten und auch Gastronomiebetriebe wären die Folge, schon vor den Feiertagen.

"Aber: Zumindest eines hätte besser laufen können, und zwar die Kommunikation."

Mal wieder klafft also die Kommunikation von Politik und Experten auseinander.

Eine weitere Maßnahme, die nahezu ausgeschlossen wird: Schulschließungen. Die Schulen sollen offen bleiben – prinzipiell zumindest ist das der Grundtenor der Kultusministerinnen und Kultusminister. Nach einem Jahr Homeschooling-Betrieb wollen sie nun alles daran setzen, die Kinder nicht wieder vor die Bildschirme zu verbannen. Die Folge dieses Verzichts: viele Klassen sitzen wieder und wieder in Quarantäne; Weihnachtsferien werden vorgezogen.

Luftfilter, die bereits seit geraumer Zeit für virenfreie Klassenräume sorgen sollen, sind in deutschen Schulen nach wie vor Mangelware. Laut ZDF gab es Mitte November 2021 in rund 72 Prozent der Schulen keine Luftfilter. Auch die Maskenpflicht wurde erst im Dezember wieder vollumfänglich eingeführt. Der Newsblog "Das Deutsche Schulportal" sieht aufgrund der Omikron-Welle den Präsenzunterricht wanken.

Und Schulschließungen wären verständlich. Ebenso wie die Kontaktbeschränkungen und Schließungen von Gastronomiebetrieben und Bars. Ebenso wie die Einführung einer Impfpflicht. Ob all das durch striktere oder schnellere Maßnahmen hätte verhindert werden können, kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit beantwortet werden. Aber: Zumindest eines hätte besser laufen können, und zwar die Kommunikation.

"Denn eine Wahrheit der Pandemie ist: Corona verzeiht keine Halbherzigkeit, keine Unachtsamkeit."

Statt nämlich Maßnahmen auszuschließen oder kategorisch abzulehnen, hätten Politiker und Politikerinnen sagen sollen, dass sie alles tun werden, um solche Maßnahmen zu vermeiden. Denn eine Wahrheit der Pandemie ist: Corona verzeiht keine Halbherzigkeit, keine Unachtsamkeit.

Die Politikerinnen und Politiker sollten sich zwar weiterhin darum bemühen, dass all diese Maßnahmen, die uns alle in unserer Freiheit enorm einschränken, nicht eingeführt werden müssen. Statt aber immer wieder zu beteuern, was es alles nicht geben wird, sollte sich die politische Spitze an eine einfache Regel halten: Sag' niemals nie.

Militärische Reform: Was Pistorius mit der Bundeswehr plant

"Kriegstüchtigkeit" ist das erklärte Ziel für die Bundeswehr, auch wenn der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) das Wort während seiner Pressekonferenz am Donnerstagmittag nicht mehr explizit erwähnte. Verabschiedet habe er sich von dem Wort allerdings keineswegs, betonte er auf Nachfrage eines Journalisten. "Ich verstehe, dass sich einige an dem Wort reiben", er werde es aber dennoch weiter benutzen.

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