Es ist der Alptraum schlechthin. Man nimmt als Frau ein Taxi oder ein Uber in Anspruch, weil man sich dort sicherer fühlt als in der U-Bahn oder der Straßenbahn. Und dann wird man genau da, in vermeintlicher Sicherheit, sexuell belästigt – oder Schlimmeres.
Sexuelle Belästigung in Taxis oder anderen Fahrdiensten ist ein ernstes Problem. Ein Bericht von Uber brachte nun erstmals konkrete Zahlen ans Licht – allerdings für die USA. Dort wurden 2017 und 2018 jeweils 3000 Fälle von sexuellen Übergriffen gemeldet.
Doch wie ist die Situation in Deutschland?
Oliver Klug, Sprecher von Uber Deutschland, betont, dass es sich bei den Zahlen um einen US-Report handele. "Für Deutschland gibt es zwar keine entsprechenden Erkenntnisse, aber die US-Zahlen lassen sich auch nicht 1:1 übertragen."
Er lobt den Report als einzigartig und wegweisend. "Messungen und Transparenz sind die Grundlage für Verbesserungen." Jeder Fall sei einer zu viel, man müsse aber auch das Verhältnis sehen.
Fast die Hälfte der Übergriffe richte sich übrigens gegen die Fahrer selbst – auch diese gehörten also zu den Betroffenen.
Schon jetzt biete die Uber-App zahlreiche Funktionen, die geeignet seien, das Sicherheitsgefühl von Kundinnen zu erhöhen. Die Fahrer seien registriert und ließen sich jederzeit identifizieren, ebenso wie die Fahrten selbst. Fahrerprofile und Nutzerbewertungen sorgten für Transparenz. Zudem ließen sich Vorfälle sehr einfach melden. Diese Niedrigschwelligkeit helfe gerade im Falle sexueller Belästigung, wo Meldequoten allgemein niedrig sind. Zudem sei es möglich, die Fahrtroute mit Vertrauten zu teilen, auf Wunsch auch automatisiert.
Der grundsätzliche Unterschied zu den USA sei, dass in Deutschland keine Gelegenheitsfahrer für Uber aktiv sind, sondern ausschließlich behördlich zugelassene Mietwagen- oder Taxiunternehmen mit professionellen Fahrern. Diese verfügten alle über einen Personenbeförderungsschein inklusive polizeilichem Führungszeugnis und seien in der Regel fest angestellt.
Falk Sluga, Sprecher des Fahrdienstleisters Free Now, erklärt ebenfalls, die namentliche Registrierung von Fahrern und Fahrgästen leiste bei der Verhinderung und Aufdeckung von sexuellen Übergriffen schon einen wichtigen Beitrag. Alle Fahrer seien persönlich registriert und geschult.
Florian Bachmann vom Taxiverband München erklärt, im bayerischen Raum gäbe es "so gut wie keine gemeldeten Übergriffe sexueller Art aus dem Taxibereich".
Maßnahmen gegen das Problem allerdings sehr wohl. Vor allem im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Fahrern. "Wir bieten immer wieder themenspezifische Seminare und Workshops an, haben aber das Problem, dass diese Maßnahmen freiwillig sind." Anders sei das bei der Grundausbildung: "Dort haben wir mehr Einfluss, hier werden verschiedene kritische Dienstleistungsthemen durchgesprochen" – darunter auch sexuelle Übergriffe.
Jeder Fahrer müsse außerdem alle fünf Jahre ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, um seinen Personenbeförderungsschein zu verlängern. "Auch dies ist sicher ein Grund, dass dieses Thema kein häufiges Taxithema in Deutschland ist."
Bei Mietwagenunternehmen, die u.a. von Uber genutzt werden, bestehe zwar auch eine Pflicht zum Personenbeförderungssschein. "Leider sind aber bei diesen Firmen die Einstellungsbedingungen nicht sehr intensiv", so Bachmann. Das wiederum weist Uber zurück. Der einzige Unterschied sei die Ortskenntisprüfung.
Das habe man zum Beispiel 2018 gesehen, als es in München zu zwei kurz aufeinander folgenden sexuellen Übergriffen gekommen war. In beiden Fällen war es um mutmaßliche Fahrer von Mietwagen- oder Taxiunternehmen gegangen (Anmerkung: In beiden Fällen waren keine Fahrer von Uber-Partnern involviert. In einer ersten Version des Textes las sich das so - Red.).
Der besagte Fall in München gab den Anstoß für ein Projekt namens "Taxis von Frauen für Frauen". Die Taxizentrale München richtete 2018 eine Hotline ein, unter der Frauen ganz gezielt ein Taxi ordern können, das von einer Frau gefahren wird.
Laut Thomas Kroker von der Taxizentrale grundsätzlich der richtige Weg. Das Angebot stoße auf Resonanz.
Zudem arbeite man auch daran, mehr weibliche Fahrer anbieten zu können. "Die Frauenquote wird jedes Jahr besser."
In Köln gibt es gleich zwei ähnliche Projekte. Das eine, "Frauen fahren Frauen", gibt allerdings gegenüber watson an, höchstens eine Fahrt im Monat zu vermitteln. "Manchmal sogar erst alle zwei Monate". Das andere, "Frauentaxi", schreibt auf seiner Internetseite "Wir bieten diesen Service ausdrücklich an, da uns immer wieder Anfragen diesbezüglich erreichen", nennt auf Anfrage von watson aber keine genauen Zahlen.
Fragt man bei der Polizei nach, könnte man den Eindruck gewinnen, sexuelle Übergriffe in Taxis oder anderen Fahrdiensten seien keine große Sache. Die Polizei Frankfurt etwa hat 2017 und 2018 jeweils zwei angezeigte Fälle gezählt. Die Polizei Hamburg berichtet dagegen von 12 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Jahr 2018.
Alles halb so schlimm also? Nicht ganz. Zum einen werden viele Übergriffe nicht zur Anzeige gebracht, die Dunkelziffer dürfte also deutlich höher liegen. Zum anderen können viele Polizeidienststellen keine genauen Auskünfte geben. So wird nicht in allen Bundesländern die Tatörtlichkeit "Taxi" erfasst. Eine Unterscheidung von Taxis und anderen Fahrdiensten wie Uber ist ohnehin nicht vorgesehen.
Bin ich als Frau im Taxi oder in einem Uber sicher? Nimmt man die nüchternen Zahlen sowie die zahlreichen Möglichkeiten zur Meldung und Nachverfolgung von Fahrern, könnte die Antwort lauten: Ja, in den allermeisten Fällen schon. Aber: Angebote wie "Taxi von Frauen für Frauen", das "Frauentaxi" oder "Frauen fahren Frauen" zeigen, dass viele Frauen sich in Fahrdiensten nach wie vor nicht sicher fühlen.
Die Unterschiede zwischen Anbietern wie Uber und herkömmlichen Taxis fallen in Deutschland geringer aus als in anderen Ländern, da aufgrund der gesetzlichen Lage hierzulande keine Gelegenheitsfahrer aktiv sind.
Trotzdem: Frauen leiden vielfach unter Diskriminierung und sexueller Belästigung im öffentlichen Raum – und dazu zählen auch Taxis und andere Fahrdienste. Die bisher getroffenen Maßnahmen sind zu begrüßen, sie reichen aber bei weitem noch nicht aus.