Folgende Szene: Eine Party bei mir Zuhause. Im Hintergrund läuft Musik: Erst Beyoncé, dann Timber Timbre, dann Laura Marling. Der nächste Titel, den ich anmache, ist ein türkischer Song.
Das Lied beginnt, einige Partygäste schauen schon irritiert. Dann kommt das erste Crescendo; die Sängerin geht in die Vollen, die Geigen werden laut.
Und dann macht irgendeiner von euch den Gesang nach:
"Laluahuaa, seniseen, waay"
Jemand, der denkt, so klinge türkischer Gesang
Derjenige verzieht dabei das Gesicht, äfft die Sprache nach und lacht als einziger über sich selbst.
Ha. Ha. Ha. Leider finde ich das so gar nicht lustig.
Eine Hälfte von mir ist türkisch. Beide Hälften sind nicht begeistertBild: giphy.com
Ich unterstelle euch Nachäffern erst einmal keine böse Absicht. Aber ihr wirkt in dem Moment wahnsinnig stumpf, unsensibel und uninteressiert.
Ihr denkt euch jetzt bestimmt: "Ach, das ist doch nur Spaß, die soll sich mal nicht so haben!"
Aber:
Musik ist ein Stück Identität
Ich weiß, diese "anderen" Harmonien im Song klingen total fremd, der Rhythmus ist vielleicht nicht sofort für euch tanzbar, weil die Betonung nicht auf der 1 oder der 3 liegt.
EINS zwei DREI, EINS zwei DREIBild: giphy.com
Ihr müsst das auch nicht verstehen oder gar mögen.
Aber es gibt Momente, in denen sollte man einfach mal die Klappe halten und nur zuhören.
Musik ist ein wichtiger Teil (kultureller) Identität, über Jahrhunderte tradiert, Ausdruck von Haltungen und Lebensthemen.
Über Musik teilt man sich mit und manchmal will man richtig laut aufdrehen, aber vor allem: gehört werden.
Erlebnisse, wie das auf meiner Party haben mich dazu gebracht, einen beachtlichen Teil meiner Musiksammlung und Identität lange zurückzuhalten.
Wie oft saß ich schon da, hatte Lust auf einen türkischen Song, aber das Gefühl ich kann das meinen bio-deutschen Freunden nicht "zumuten".
Zum einen, weil ich unsicher war, ob der Song ihnen gefällt. Zum anderen, weil ich wusste: Wenn sie den Gesang jetzt nachäffen, muss ich sie leider hassen.
Denn es ist einfach rassistisch
Menschen, die türkische Musik nachäffen, jaulen meiner Erfahrung nach auch bei asiatischer Musik, oder machen – am allerschlimmsten – "Uga Uga"-Laute bei afrikanischen Liedern.
Und merken dabei nicht, dass das rassistisch ist.
Warum, fragt ihr?
Ganz einfach: Ihr stellt euch im Nachäffen über den anderen, übertönt die andere Stimme und seid damit im Kern rassistisch. Denn in dem Lachen über die vermeintlich so anders klingende Sprache oder Melodie schwingen Abwertung und Abgrenzung mit. Und muss man sich wirklich wortwörtlich über die Stimme von anderen lustig machen und sie somit nicht ernst nehmen?
Das sind eben manchmal die kleinen Zwischentöne, die bestimmen, ob ihr offene Menschen oder herablassende Arschlöcher seid.
Es hat nichts mit Geschmack zu tun
Und bitte kommt jetzt nicht mit dem Argument: "Aber über Metal- oder Schlagermusik macht man sich doch auch manchmal lustig!"
NOPEBild: giphy.com
Das sind Musikrichtungen, musikalische Subkulturen, die man gut oder schlecht finden kann. Denen man beitreten und aus denen man ganz einfach wieder austreten kann.
Es sind keine ganzen Sprachen oder Kulturen, über die man sich erhöht. Die Sänger und Zuhörer hier können (und wollen) nämlich nicht einfach aus ihrer Position treten.
Fragt mich doch, wovon in dem Song gesungen wird, wer der Interpret oder was das für ein Instrument im Hintergrund ist.
Ernsthaftes Interesse tut immer gut!
Aber wenn ihr euch nur darüber lustig macht, drehe ich das nächste Mal auf volle Lautstärke und übertöne einfach eure schlechte Imitation.
Aber wenn ihr echt mitsingen wollt:
Gerne! Lernt doch mal die Lyrics oder hört einfach nur zu. Danke!
Aus pädagogischen Service-Gründen hänge ich hier auch noch eine zufällig zusammengestellte, kleine Playlist an türkischen Songs ein.