SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zieht mit dem Versprechen einer umfassenden ökologischen Erneuerung Deutschlands in den Bundestagswahlkampf. Den Klimawandel aufzuhalten, sei "eine gigantische Aufgabe", sagte Scholz am Sonntag in Berlin. Die SPD will mit vier "Zukunftsmissionen" Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen – unter dem Motto: "Sozial. Digital. Klimaneutral." Dabei demonstrierte Scholz den Schulterschluss mit Industrie und Gewerkschaften.
"Wenn wir 2050 CO2-neutral wirtschaften wollen, dann setzt das die größte technologische Revolution, die größte Periode der Innovation in unserem Land voraus, die man sich seit Langem hat vorstellen können", sagte Scholz. "Das ist möglich."
Ökologie schützt nach Scholz' Lesart die deutsche Wirtschaft vor einer drohenden Krise angesichts der rasant gewachsenen internationalen Konkurrenz bei neuen Technologien. Der Finanzminister sprach von umwälzenden technologischen Verbesserung, die Arbeitsplätze und Wohlstand sicherstellen würde.
Scholz äußerte sich bei einer SPD-Vorstandsklausur. Bei der Bundestagswahl im September gehe es um grundsätzliche Richtungsfragen, heißt es in einem Papier zum "Regierungsprogramm" der SPD von Scholz und den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Als "Zukunftsmissionen" bekennt sich die SPD zu einem klimaneutralen Industrieland, zu einer durchgängig modernen Mobilität, zur Digitalisierung und zu einer Verbesserung des Gesundheitssystems.
Scholz sagte: "2050 CO2-neutral zu wirtschaften bedeutet einen
kompletten Bruch mit der Art und Weise, wie wir unseren Wohlstand in
der ganzen Zeit der Industrialisierung und des industriellen
Fortschritts der letzten 200 Jahre erwirtschaftet haben." Scholz
sagte mit Blick auf die internationale Konkurrenz: "Wir haben in der
Welt nur eine Chance." So könne Deutschland andere Länder nicht daran
hindern, neue Kohlekraftwerke zu planen. Doch es könne Alternativen
entwickeln. "Wenn wir das jetzt nicht machen, dann werden andere das
machen und wir werden deindustrialisiert." Es müsse jetzt etwas
geschehen. Scholz weiter:
Scholz verwahrte sich gegen Vorwürfe, die SPD wolle zu viel Geld ausgeben. "Der größte Teil der Investitionen wird privatwirtschaftlich sein." Dennoch seien zielgerichteten Investitionen nötig – im Umfang von rund 50 Milliarden Euro im Jahr.
Gleichzeitig bemühte sich Scholz, sich als Macher zu präsentieren. "Es muss auch so sein, dass wir dafür sorgen, dass die Sache schnell, schnell, schnell geht." Bei dem gegenwärtigen Tempo werde es zum Beispiel nichts mit dem für den Umstieg auf erneuerbaren Strom nötigen Ausbau des Netzes. "Das kann nicht so bleiben."
Um die Strompreise nicht in die Höhe gehen zu lassen und die Finanzierung der Erneuerbaren Energien zu regeln, solle die EEG-Umlage zum Ende der nächsten Legislaturperiode nicht mehr erhoben werden, kündigte Scholz an. Nötig sei der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft – nicht als Fortsetzung gegenwärtiger Versuche, sondern als "großes industrielles Projekt".
Flächendeckende Digitalisierung zählt zu den weiteren SPD-Zielen. "Ich will, dass Deutschland eine Gigabit-Gesellschaft wird." Jeder Handwerker, jede Bürgerin, jeder Bürger sollten profitieren. "Es darf keine Ausreden geben", sagte Scholz. "Eine flächendeckende Gigabit-Gesellschaft meint jeden Einzelnen und jede Einzelne und alle Unternehmen ihn unserem Land."
BASF-Chef Martin Brudermüller sagte, die SPD gebe mit ihren anvisierten Missionen "die richtigen Antworten". Für die ökologische Erneuerung sei Strom aus erneuerbaren Quellen in großen Mengen und zu einem maximalen Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde nötig. Die Politik müsse Umlagen und Abgaben grundsätzlich reformieren.
Der Vorsitzende der Chemie- und Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, ging auf die Grünen ein, die bisher im Parteienspektrum vor allem für ökologische Erneuerung stehen. Er meinte, die Grünen müssten sich jetzt mit Fragen auseinandersetzen, "die gar nicht zu ihrem genetischen Code gehören". Dazu zähle die soziale Gerechtigkeit in der Transformation. Vassiliadis meinte, die Nachhaltigkeitspolitik im Land unterliege einer "Ernsthaftigkeitssprüfung"
(se/dpa)