Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler, hier bei einer Rede im Bundestag am 8. April. Zu den Vorwürfen gegen die Linkspartei in Hessen gab sie nun eine Erklärung ab.Bild: dpa / Christoph Soeder
Deutschland
Ein "Spiegel"-Bericht über "mutmaßliche Grenzüberschreitungen" sorgt von Wiesbaden bis Berlin für heftige Unruhe in der Linken. Die Bundesvorsitzende Wissler gibt eine persönliche Erklärung ab.
16.04.2022, 10:3411.06.2024, 10:18
In der hessischen Linkspartei soll es jahrelang zu
sexuellen Übergriffen gekommen sein. Nach einem Bericht des
Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" über Fälle von sexualisierter
Gewalt erklärte der geschäftsführende Landesvorstand am Freitag in
Wiesbaden: "Wir nehmen die aufgeworfenen Anschuldigungen sehr ernst."
Die Partei habe Ende November 2021 Kenntnis davon bekommen und
seitdem begonnen, "diese auf allen Ebenen aufzuarbeiten". Die
Bundesvorsitzende Janine Wissler wandte sich entschieden dagegen,
dass "mir unterstellt wird, ich hätte irgendjemanden geschützt". Bei
Twitter wurden die Vorwürfe unter dem Hashtag "#linkemetoo"
diskutiert.
Es gebe Dokumente wie Chatverläufe, Fotos oder E-Mails sowie
eidesstattliche Versicherungen von Betroffenen mit Hinweisen auf
"mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische
Machokultur", berichtete "Der Spiegel" nach Gesprächen mit zehn
Frauen und Männern. "Ein einflussreiches Mitglied der Wiesbadener
Linkspartei" im hessischen Landtag habe Fotos und Videos einer
minderjährigen Frau in sexuellen Posen aufgenommen. Sie habe den
Politiker später wegen Nötigung und Beleidigung angezeigt. Zur Zeit
der Vorfälle sei die jetzige Bundesvorsitzende Janine Wissler
Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen gewesen.
Wissler: "Bin nicht um Hilfe gebeten worden"
Wissler sagte, sie kenne eine der beiden betroffenen Frauen. Diese
habe ihr 2018 mitgeteilt, "dass sie ein sexuelles Verhältnis zu
meinem damaligen Partner hatte." Nach dieser Offenbarung habe sie die
Beziehung beendet. Bei keinem der darauf folgenden Kontakte mit ihr
"wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen
Gewalt erhoben", so Wissler. Auch sei sie nicht um Hilfe gebeten
worden.
In dem anderen Fall habe sie im November 2021 einen
Instagram-Screenshot zugeschickt bekommen, erklärte Wissler. Darin
habe eine ihr nicht persönlich bekannte junge Frau angegeben, "dass
sie vor einigen Jahren durch ein Mitglied der Wiesbadener Linken
sexuell missbraucht und durch ein Mitglied der Wiesbadener SPD
sexuell belästigt worden sei".
Workshop zum Thema "Sexismus-Sensibilisierung"
Wissler betonte, sie nehme Vorwürfe von sexueller Belästigung,
sexueller Gewalt und Missbrauch sehr ernst und habe sofort gehandelt,
als ihr derartige Vorwürfe bekannt geworden seien. Der Parteivorstand
habe im Oktober 2021 eine Vertrauensgruppe eingesetzt, als
Hilfsinstanz für Betroffene.
"Sexualisierte Gewalt und Sexismus dürfen in unserer Partei keinen
Platz haben", hieß es in der Stellungnahme des hessischen
Landesvorstands. Der Vorwurf des Täterschutzes werde zurückgewiesen.
So seien Betroffenen Gespräche angeboten und "ein umfangreicher
Verhaltenskodex" beschlossen worden. Der Kreisverband Wiesbaden
organisiere einen Workshop zum Thema "Sexismus-Sensibilisierung". Zur
nächsten Sitzung des Landesvorstands am 30. April sei die Berufung
einer oder mehrerer Vertrauenspersonen geplant.
Linksjugend: "Schlag in das gesicht der gesamten Bewegung"
Die mit der Partei verbundene Linksjugend Solid sprach von einem
"Schlag in das Gesicht der gesamten Bewegung" und forderte einen
"glaubwürdigen feministischen Wandel in der Partei".
Linksjugend-Bundessprecher Jakob Hammes forderte zudem "den Rücktritt
aller beteiligten Personen, die Täter sind oder von den Taten wussten
und diese gedeckt haben".
(andi/dpa)
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.