Trotz Tankrabatt, der Spritpreis bleibt hoch.Bild: dpa / Daniel Reinhardt
Deutschland
Im Streit um den Tankrabatt droht
Wirtschaftsminister Robert Habeck den Mineralölkonzernen jetzt mit
hartem Durchgreifen: Der Grünen-Politiker will das Kartellrecht
verschärfen und notfalls auch eine Zerschlagung der Unternehmen
ermöglichen. Zudem sollen unrechtmäßige Gewinne leichter abgeschöpft
werden können. Das sieht im Kern ein Positionspapier des
Bundeswirtschaftsministeriums vor, über das am Sonntag zunächst der
"Spiegel" berichtet hatte. Bislang ist so ein Vorgehen an hohe Hürden
geknüpft. "Ein Recht, das nicht genutzt werden kann, ist nicht im
Sinne des Erfinders", sagte Habeck dazu dem "Spiegel".
Zuvor war der Unmut über die geringe Wirkung der Spritpreisbremse
in der Opposition, aber auch in der Ampelkoalition selbst immer
größer geworden. Kraftstoff hatte sich nach dem Preisrückgang infolge
der Steuersenkung am Mittwoch vergangener Woche wieder deutlich
verteuert. Spitzenpolitiker von FDP, CDU, SPD und Linken forderten
Habeck unisono auf, gegen die Mineralölkonzerne vorzugehen. Der
Vorwurf: Zumindest einen Teil des Steuernachlasses stecken sich die
Unternehmen in die eigene Tasche. Die Branche selbst verwies erneut
auf steigende Beschaffungskosten. Das fresse die Steuerentlastung
quasi auf.
"Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung"
Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schaltete sich
ein: "Ich verstehe den Unmut der Bürger, wenn sich viele einschränken
müssen und manche Extragewinne einfahren", sagte Steinmeier der "Bild
am Sonntag". "Den Ärger müssen wir ernst nehmen. So wichtig es ist,
dass wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen, dass der Staat nicht jede
Teuerung wird ausgleichen können, so wichtig ist es auch, dass wir
dafür sorgen, dass nicht einige ungerechtfertigt Vorteile aus der
Situation ziehen können." Die Frage nach dem richtigen Instrument
müsse aber die Regierung beantworten.
Auch nach Habecks Ansicht haben die Mineralölkonzerne die Senkung
der Energiesteuer nicht ausreichend an der Zapfsäule weitergegeben.
Die ersten Datensätze des Bundeskartellamts zum Tankrabatt zeigten,
dass die Abstände zwischen Rohöl- und Tankstellenpreisen seit
Monatsbeginn stark gestiegen seien. "Es ist offenkundig das
eingetreten, wovor viele Experten gewarnt hatten: Die
Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und
Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung", sagte Habeck.
Habeck wird von allen Seiten zum Handeln aufgefordert.Bild: imago images
Das Wirtschaftsministerium will nun die Überarbeitung des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf dieses Jahr vorziehen.
In den kommenden Wochen soll es konkrete Vorschläge geben.
Grundlegendes Ziel ist es, die Waffen des Kartellamts zu schärfen.
Allerdings wurde auch betont: "Eine solche Verschärfung des
Wettbewerbsrechts kann zwar nicht kurzfristig in der aktuellen
Situation wirken, aber dem Staat die nötige Stärke geben, zukünftig
besser einzugreifen."
Insgesamt wüssten die Unternehmen über die Preise ihrer
Wettbewerber an den Tankstellen Bescheid, weil der Markt sehr
transparent sei. "Das heißt, auch ohne eine kartellrechtswidrige
Absprache werden die Preise sehr schnell einander angeglichen; ein
Missbrauch des Wettbewerbsrechts ist schwer nachweisbar." Deshalb
soll künftig auch eine "missbrauchsunabhängige Entflechtung" möglich
sein, "um Wettbewerb auf verfestigen Märkten zu schaffen".
Steigende Spritpreise: Union kritisiert Ampel
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hatte am Samstag in
der "Bild" gefordert: "Minister Habeck muss jetzt Druck machen und
gemeinsam mit dem Bundeskartellamt dafür sorgen, dass die Entlastung
greift." Es müsse verhindert werden, dass die Mineralölwirtschaft den
Tankrabatt nicht vollständig weitergebe. Auch der stellvertretende
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) forderte den Wirtschaftsminister
zum Handeln auf: "Der milliardenschwere Tankrabatt versickert, und
die Ampel schaut zu. Die Ölmultis zum Rapport bestellen ist das
Mindeste, was Wirtschaftsminister Habeck tun kann."
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnte gleichzeitig
vor "vorschnellen Urteilen". Es sei Aufgabe des Kartellamts zu
prüfen, dass die Konzerne ihre Marktmacht nicht ausnutzten, sagte er
dem Nachrichtenportal t-online. Den Preis an der Zapfsäule bestimmten
mehrere Faktoren - etwa die Entwicklung an den Weltmärkten, aber auch
die Verfügbarkeit von Raffineriekapazitäten. "Wir wissen schlicht
nicht, wie der Spritpreis wäre, wenn die Energiesteuer voll erhoben
würde. In jedem Fall höher", betonte Lindner.
Der ADAC hält es für richtig, die Rolle des Bundeskartellamts zu
stärken. "Wenn übereinstimmende Analysen zu dem Schluss kommen, dass
Preise im Energiebereich massiv überteuert sind und der Wettbewerb
aufgrund der Marktstrukturen nicht hinreichend funktioniert, muss das
auch Konsequenzen haben", sagte eine Sprecherin der dpa. Alles andere
sei für Verbraucher nicht nachvollziehbar und führe zu Verdruss und
Vertrauensverlust. Ob eine Stärkung der Kompetenzen des
Bundeskartellamtes gegenüber der Mineralölindustrie rechtssicher
gestaltet werden könne, müsse die Politik eingehend prüfen.
SPD-Chefin Esken bringt auch Tempolimits und Fahrverbote ins Spiel
SPD-Chefin Esken betonte, der Steuerrabatt beim Sprit koste die
Steuerzahler rund drei Milliarden Euro. "Dass die Mineralölkonzerne
jetzt diese Preiserleichterung nicht vollständig an die Verbraucher
weitergeben, das stinkt zum Himmel." Das Kartellamt müsse
einschreiten. Esken hält auch ein befristetes Tempolimit und
Sonntagsfahrverbote für denkbar. Sie verwies im Berliner
"Tagesspiegel" auf das Energiesicherungsgesetz. Es erlaube der
Regierung, solche befristeten Maßnahmen anzuordnen.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch lehnte Fahrverbote ab. "Robert
Habeck sollte die Mineralölkonzerne zum Spritgipfel vorladen und die
Preise ab sofort streng kontrollieren", sagte er dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Statt eines Fahrverbots, das
die Bürger treffe, brauche es zeitweise staatliche Höchstpreise an
den Zapfsäulen. "Wettbewerb kann darunter stattfinden, zugunsten der
Verbraucher und zulasten der Gewinne der Mineralölkonzerne."
SPD-Chefin Saskia Esken erwägt auch radikalere Schritte.Bild: dpa / Christophe Gateau
Bundesverkehrsminister Volker Wissing betonte im Deutschlandfunk,
das Bundeskartellamt sei in der Pflicht, etwaige Gewinnmitnahmen zu
prüfen. Änderungen am Tankrabatt oder gar eine Abschaffung schloss
der FDP-Politiker aus. Für die Senkung der Energiesteuer auf
Kraftstoffe habe es ein Gesetzgebungsverfahren gegeben. Daher könne
man die Regelung nicht kurzfristig ändern.
Der Tankstellen-Interessenverband TIV warf den Mineralölkonzernen
vor, die eigenen Gewinne hochzutreiben. Der von der Bundesregierung
beschlossene Steuernachlass sei schon im Vorfeld über höhere Preise
weitgehend neutralisiert worden. Der Mineralölwirtschaftsverband MWV
wies dies erneut zurück. Hauptgeschäftsführer Christian Küchen
verwies im Deutschlandfunk auf höhere Beschaffungskosten./hgo/DP/mis
(fas/dpa)
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