Über ein Jahr ist es her, dass Russland auf Geheiß des Präsidenten Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat. Wenige Tage später hielt Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Rede zur Zeitenwende. Die Kernaussage: Die Welt ist nicht mehr, wie sie vor dem Angriff war – und auch Deutschland muss wehrhafter werden.
Teil des angekündigten Paradigmenwechsels war das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr. Aber auch im Beschaffungswesen der Truppe sollte sich etwas tun. Ein Vorschlag, der seither außerdem immer wieder aktuell ist: Eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Diese wurde 2011 ausgesetzt, aber ist noch immer im Grundgesetz festgeschrieben.
Die FDP allerdings liebäugelt mit einer Alternative. In einem Beschluss des Präsidiums – also der Führungsriege der Partei – haben sich die Liberalen nun klar zur Wehrpflicht positioniert. Und konkrete Maßnahmen für die Truppe gefordert.
"Statt in die freie Lebensgestaltung junger Menschen eingreifen, sollten wir die Reserve der Bundeswehr stärken, ihre Attraktivität als Arbeitgeber verbessern und die gesellschaftliche Anerkennung für den Dienst für unser Land stärken", schreibt Parteichef Christian Lindner auf Instagram.
Damit erteilt er der Wehrpflicht eine klare Absage. Diese ablehnende Haltung hat das Präsidium der Partei in ihrem Beschluss mit drei Punkten begründet:
Der Beschluss des FDP-Präsidiums zielt stattdessen auf eine stärkere Reserve ab. Mit einer "gestärkten Reserve" würden Praktiker und Profis in die Bundeswehr eingebunden. "Das reicht von IT-Experten, die zeitweise tätig sind, über mehr Menschen, die in neuen Heimatschutz-Einheiten militärische Kenntnisse und Reserve für Katastrophenschutz vorhalten, bis hin zu Top-Führungskräften, die ihr Know-how einbringen", heißt es in dem Beschluss.
Ziel seien weiterentwickelte Bereiche der Reserve, in denen ein regelmäßiger Einsatz und dauerhafter Wissenstransfer zwischen Bundeswehr, Wirtschaft und Zivilgesellschaft stattfinde. Denkbar wäre außerdem, dass sich Zivilist:innen, freiwillig verpflichten, über einen längeren Zeitraum hinweg monatliche Wehrübungen abzuleisten. Ein Anreiz könne zudem sein, wenn Reservisten wie in den USA auch den Generalsrang erreichen könnten.
Darüber hinaus sei wichtig, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber noch attraktiver wird. In diesem Zusammenhang stellt das Präsidium auch klar, dass es weiterhin möglich sein muss, dass die Truppe auf Berufsmessen und an Schulen wirbt. Die FDP schlägt deshalb vor, dass die Schulminister:innen der Länder sich darauf verständigen, die Präsenz der Bundeswehr an Schulen zu stärken.
Und nicht nur in der Schule muss die Truppe, laut Beschluss, besser ankommen, sondern in der ganzen Gesellschaft. Wie genau das klappen soll? Das Präsidium der Liberalen schlägt dafür die Einführung von "Bürgeroffizieren" vor. Also Truppenmitgliedern, die den gesellschaftlichen Diskurs fördern. Ein weiterer Vorschlag: Gelöbnisse und andere Festakte in die Mitte der Gesellschaft holen. Also Zapfenstreiche an öffentlichen Orten unter Einschluss der Öffentlichkeit.
(Mit Material von dpa)