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Bremen-Wahl: Was es mit den Bürgern in Wut auf sich hat

14.05.2023, Bremen: Piet Leidreiter (M), Spitzenkandidat der Wählervereinigung Bürger in Wut, klatscht nach Bekanntgabe der ersten Prognose für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft bei der Wahlparty d ...
Die rechte Kleinpartei Bürger in Wut hat bei der Wahl in Bremen mächtig abgestaubt.Bild: dpa / Philip Dulian
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Bremen-Wahl: Was es mit den Bürgern in Wut auf sich hat

15.05.2023, 15:25
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Die Bremen-Wahl hielt einige Überraschungen bereit: Eine starke SPD, eine stabile Linke – und enormen Zuspruch für eine rechte Kleinstpartei. Mit insgesamt 9,5 Prozent der Stimmen konnten die selbsternannten Bürger in Wut (BiW) ihr Ergebnis von 2019 vervierfachen.

Zugutegekommen ist der Partei, dass die AfD im Zwei-Städte-Staat nicht antreten durfte. Die rechtsaußen Partei ist bei der Wahl 2019 mit 6,1 Prozent der Stimmen ins Parlament eingezogen. Die BiW kamen damals auf gerade einmal 2,4 Prozent.

Gemeinsam kamen die beiden rechten Parteien somit schon 2019 auf 8,5 Prozent: Insgesamt hat das rechte Spektrum in der Bremischen Bürgerschaft also nur einen Prozentpunkt zugelegt.

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Bremerhaven macht einen Schritt nach rechts

Besorgniserregend ist allerdings das Ergebnis, dass die BiW in Bremerhaven erzielen konnten: Dort wurden sie mit 21,5 Prozent der Stimmen sogar drittstärkste Kraft – mit nur zwei Prozentpunkten Abstand zur CDU.

"Das sind nicht einfach nur die Stimmen der AfD von 2019 (die kam damals nur auf 9 Prozent), sondern eine bedenkliche rechtspopulistische Welle an der Nordsee", schreibt Politikberater Johannes Hillje auf Twitter.

Der BiW-Spitzenkandidat für Bremerhaven, Jan Timke, ist sich sicher: Das Ergebnis hat nicht nur mit der AfD zu tun. Wenn man in Bremerhaven 21 Prozent bekomme, "dann können sie nicht nur von der AfD profitiert haben", sagt Timke am Montag in Bremen. Er fährt fort:

"Wir haben massiv auch aus anderen Bereichen dazugewonnen, wir haben auch Nichtwähler in Bremerhaven dazu gebracht, wieder zur Wahl zu gehen. Wir haben Neuwähler akquiriert."

Wählerschaft kommt aus allen politischen Richtungen

Ein Blick auf die Wähler:innen-Wanderung bestätigt Timkes Analyse: Das Ergebnis für die BiW speist sich nicht nur aus der fehlenden Möglichkeit, die AfD zu wählen. Vielmehr haben die Bürger in Wut Zulauf aus allen politischen Richtungen. Die Mehrheit der BiW-Wähler:innen gab allerdings an, dass die Entscheidung sich vor allem aus der Enttäuschung über andere Parteien ergeben habe.

In der Auswertung der Wahlentscheidung wird außerdem deutlich: Die BiW-Wählerschaft ist primär zwischen 35 und 69 Jahren alt, eher männlich als weiblich und verfügt im Großteil über eine einfachere Schulbildung. Aber wer sind die Bürger in Wut eigentlich?

Die Bürger in Wut gibt es bereits seit 2004 – also lange, bevor sich der Ausdruck Wutbürger manifestierte. Laut eigenen Angaben sind die BiW eine bürgerlich-konservative Wählervereinigung. In der Vergangenheit sind immer wieder Politiker:innen der zerstrittenen AfD in der Hansestadt zu den BiW gewechselt. Von Anhänger:innen des völkisch-nationalen Flügels distanziere man sich dort aber klar.

Doch auch diese Distanzierung schützt wohl nicht vor Menschen mit Kontakt zum rechtsextremen Spektrum in den eigenen Reihen. Kurz vor der Wahl musste nämlich Kandidat Heiko Werner die Wählervereinigung verlassen. Grund: Kontakte zu Neonazis und die Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen.

Nachdem die Bremer Taz über diese Verstrickungen berichtet hatte, hat Timke Werner wohl mit den Vorwürfen konfrontiert. Das berichtet "butenunbinnen.de". Werner habe alles eingeräumt und zugestimmt, die Vereinigung zu verlassen. Die BiW, meinte Timke, hätten so klare Kante gegen Extremisten gezeigt.

Allerdings, das legen Recherchen von Endstation Rechts – eine Initiative gegen Rechtsextremismus – nahe, ist Werner nicht der einzige wütende Bürger, der mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht werden kann. Auch Kandidat André Minne hat wohl dubiose Kontakte in die Hooligan- und Rotlicht-Szene.

Arbeitsauftrag für neue Regierung

Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sieht die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts als politische Aufgabe nach dem Wahlerfolg der BiW. Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit müsse noch stärker berücksichtigt werden, sagte er am Montag nach Bürgerschaftswahl in Bremen der Nachrichtenagentur dpa. Und weiter:

"Damit meine ich nicht nur innere Sicherheit und Ordnung, sondern vor allem auch die Frage der sozialen Sicherheit, dass man sich aufgehoben fühlt in der Gesellschaft."

Im Gespräch mit watson erklärten auch Vertreter:innen der Linksjugend und der Grünen Jugend, dass das Ergebnis der Rechtspopulisten ein klarer Arbeitsauftrag für die neue Regierung sei. Bremen ist das ärmste Bundesland, ein Viertel der Einwohner:innen sind von Armut betroffen oder gefährdet. In Bremerhaven ist der Anteil sogar noch höher.

Dönerpreisbremse: FDP erteilt Linken-Vorschlag klare Absage

Dönerpreisbremse – was erstmal lustig klingt, ist ein ernstgemeinter Vorschlag der Linkspartei. Das eigentlich mal sehr günstige und beliebte Gericht ist in den vergangenen Jahren immer teurer geworden. Früher für günstige drei Euro zu haben, zahlen Großstädter:innen in Berlin mittlerweile um die sieben Euro. In Städten wie Hamburg oder München sogar noch mehr.

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