Bürgermeister Andreas Bovenschulte und seine SPD zählen an diesem Wahlabend zu den Gewinner:innen.Bild: www.imago-images.de / imago images
Analyse
Bremen hat gewählt. Die 683.000 Bürger:innen des kleinsten Bundeslands haben ihre Stimmen abgegeben. Seit 77 Jahren stehen die zusammengehörigen Städte Bremen und Bremerhaven unter der Führung der SPD. Die vergangenen vier Jahre stellten SPD, Grüne und Linke gemeinsam den Senat. Der regierende Bürgermeister und damit Ministerpräsident von Bremen: Sozialdemokrat Andreas Bovenschulte.
In Bremen, so viel steht fest, laufen Dinge etwas anders, als in Gesamtdeutschland. Die AfD durfte zum Beispiel gar nicht erst antreten, die SPD lag in Umfragen entgegen dem Bundestrend lange weit vorn. Was wirklich von der Wahl bleibt, klärt watson für euch.
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Der Bovenschulte-Effekt
Offensichtlich macht bisherige SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte in Bremen einiges richtig. Denn das Ergebnis der SPD ist mit 29,8 Prozent nicht nur besser, als im bundesweiten Trend – sondern auch als das Bremen-Wahl-Ergebnis 2019.
Die Zustimmung für Andreas Bovenschulte ist groß.Bild: dpa / Sina Schuldt
Damals bekam die SPD weniger Stimmen als die CDU, trotzdem schaffte es Bovenschulte gemeinsam mit Grünen und Linken eine rot-grün-rote Regierung zu bilden. Bei dieser Wahl allerdings liegt die SPD nach ersten Erkenntnissen rund vier Prozentpunkte vor der CDU (25,7 Prozent).
Dass die SPD so viel stärker als auf Bundesebene ist, liegt unter anderem an der Tradition, meint Sebastian Schmugler. Er ist der Vorsitzende der Jusos Bremen. "Das gute Ergebnis ist aber auch auf die Arbeit der bisherigen Koalition zurückzuführen – mit Bovenschulte an der Spitze", sagt Schmugler.
Jetzt gelte es abzuwarten, wie das amtliche Endergebnis am Ende aussehen wird. Und bis das kommt, könnte es noch einige Tage dauern. Statt eines Wahlzettels gibt es in Bremen nämlich ein ganzes Wahlheft. Insgesamt können die Bürger:innen fünf Stimmen verteilen und so ganze Listen oder auch einzelne Personen wählen. Das bedeutet: Das Auszählen dauert, schließlich müssen alle Hefte darauf überprüft werden, ob sich doch noch irgendwo ein Kreuzchen versteckt.
Klar ist aber auch schon vor dem amtlichen Endergebnis: Die Verantwortung der Regierungsbildung in den Händen der SPD. "Stand jetzt ist keine Koalition gegen uns denkbar, und das ist als Ausgangspunkt für Sondierungsgespräche natürlich sehr gut", sagt Schmugler.
Weiter-So oder Groko?
Und damit stellt sich die Frage: Wird Bovenschulte sich für ein Weiter-So entscheiden? Und werden die finalen Stimmen überhaupt dafür reichen? Nach aktuellen Hochrechnungen dürften rot-grün-rot knapp die erforderliche Mehrheit in der Bremischen Bürgerschaft zusammenbekommen.
Eine Alternative wäre eine Große Koalition aus SPD und CDU. Wobei die Christdemokrat:innen Juniorpartnerin wären. Eine Regierungskoalition, die Wiebke Winter gut gefallen würde. Winter ist gemeinsam mit Frank Imhoff als Spitzenkandidatin der CDU angetreten.
Natürlich habe sich die CDU mehr erhofft, meint Winter. Trotzdem zeige das Ergebnis: Die Christdemokrat:innen können Großstadt. Bovenschulte habe aber einen großen Amtsbonus mitgebracht und hohe Beliebtheitswerte.
Mit einer doppelten Spitzenkandidatur sind Wiebke Winter und Frank Imhoff für die CDU ins Rennen gegangen.Bild: dpa / Hauke-Christian Dittrich
"Ich würde mir wünschen, dass die letzten vier Jahre des Stillstands in Bremen nicht wiederholen", erklärt Winter. Denn SPD und Grüne hätten sich im amtierenden Senat immer mal wieder in die Wolle bekommen. Mit einer Groko, oder wie Winter sie nennt "Koalition der Vernunft", könnte es jetzt nach vorne gehen.
Juso-Chef Schmugler liebäugelt hingegen mit der bisherigen Regierung. Klar sei aber auch: Sondieren muss die SPD mit allen möglichen Partner:innen. Das habe auch mit Respekt vor dem Wähler-Willen zu tun.
Kleine Watsche für die Grünen
Für die im Rest der Republik oft beliebte Kombination aus Schwarz-Grün wird es nicht reichen. Genauso wenig für ein Zweierbündnis von SPD und Grünen. Dafür ist die Öko-Partei mit 11,9 Prozent in der Hansestadt zu schwach. Die Grünen liegen hier unter dem bundesweiten Trend. Und auch im Vergleich zur Bremenwahl 2019 haben sie nach ersten Hochrechnungen knapp fünf Prozentpunkte verloren.
Bei den Bremer Grünen ist die Stimmung am Wahlabend gedrückt.Bild: imago images/ dts Nachrichtenagentur
"Das Ergebnis ist für die Grüne Partei total enttäuschend", sagt Lena Kramer. Sie ist die Sprecherin der Grünen Jugend (GJ) Bremen. Die Umfragen der vergangenen Wochen hatten eine solche Pleite aber bereits angekündigt, deshalb sei sie nicht besonders überrascht. Den Grund für das schlechte Ergebnis sieht Kramer nicht in den sinkenden Sympathien für die Bundes-Grünen.
Bei der Bremenwahl, sagt sie, gehe es ganz stark um kommunal- und landespolitische Themen. "Wir haben einige Wähler:innen dadurch verloren, dass wir in einigen Bereichen nicht das geliefert haben, was wir versprochen haben", sagt sie. Als Beispiel nennt Kramer die Verkehrswende.
Die GJ sei trotzdem guter Stimmung. Die Jugendorganisation habe im Wahlkampf auch eine Kampagne gefahren, mit der sie junge Menschen erreichen und politisieren wollte. Und das ist gelungen, meint Kramer. Jetzt sei die GJ stärker und gewappnet für die vielen Krisen, die noch folgen.
Ein großer Schritt nach Rechts
Obwohl es rechnerisch wohl noch immer für rot-grün-rot und damit für eine linke Regierung reicht, hat die Hansestadt auch einen großen Schritt nach rechts gemacht. Unverhofft gut abgeschnitten hat der Zusammenschluss der Bürger in Wut (BIW).
Die rechte Kleinstpartei hat ihr Ergebnis im Vergleich zu 2019 fast vervierfacht. Rund 9,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben nach ersten Hochrechnungen der ARD den Bürgern in Wut ihre Stimme.
In Bremen durfte die AfD aufgrund interner Streitereien nicht antreten. Eine Lücke, die die BiW offensichtlich füllen konnten. Und sogar noch etwas draufschlagen. 2019 kamen AfD und BiW gemeinsam 8,5 Prozent. Bei der jetzigen Wahl toppten die BiW dieses Ergebnis also. Bremen, so macht es den Anschein, ist nach rechts gerückt.
Das gute Ergebnis der BiW frustriert Dariush Hassanpour. Er ist Kandidat der Linksjugend Solid für die Bürgerschaft. Für ihn ist klar: Der neue Senat muss viele Themen angehen, die Menschen nun offensichtlich dazu getrieben haben, BiW zu wählen. Das bedeute: Auch in Zukunft muss die Regierung mit sozialer Politik die Menschen dort abholen, wo sie sind.
Auch für GJ-Sprecherin Lena Kramer ist das Ergebnis ein klarer Arbeitsauftrag für den künftigen Senat. Sie ist froh, dass es stand jetzt weiterhin für ein linkes Bündnis aus SPD, Grünen und Linken reichen dürfte – eine Groko, meint sie, sei nicht die richtige Koalition, um die drängenden Fragen des sozialen Ausgleichs zu beantworten. Denn Kramer stellt klar: Die Krisen und die Inflation belasten das kleinste Bundesland extrem, auch das könnte ein Grund für das gute Ergebnis der BiW sein.
Linke kann sich freuen während FDP zittert
Auf der anderen Seite des Spektrums sahnt aber auch die Linke ab. Wird die Partei seit einiger Zeit bei Landtagswahlen abgestraft, ist sie in Bremen, wie auch im Stadtstaat Berlin noch immer verwurzelt. Sie konnte ihr Ergebnis mit 11,1 Prozent fast halten.
Claudia Bernhard und Kristina Vogt (v.l.) sind bisher die beiden Senatorinnen der Linken in der Regierung.Bild: dpa / Focke Strangmann
Auch für Hassanpour ist das Ergebnis überraschend, obwohl er auf eine so starke Linke gehofft hat. "Es ist unglaublich, dass wir es geschafft haben, unsere Werte zu verdoppeln in den letzten drei Wochen", freut sich der Solid-Kandidat. Er sagt:
"Wir sind glücklich, dass wir in der Regierung sind und wir stehen geschlossen hinter unseren Spitzenkandidat:innen. Und wenn man so auftritt, dann wird man auch so von den Wählern wahrgenommen."
Grund für das gute Ergebnis sei aber auch sicherlich die gute Arbeit der beiden Linken-Senatorinnen, Claudia Bernhard (Gesundheitssenatorin) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt.
Weniger Grund zur Freude gibt es wohl bei den Liberalen. Mit 5,2 Prozent der Stimmen muss die FDP am Wahlabend noch zittern. Damit setzen die Liberalen ihre Abwärtsspirale fort. Seit der Bundestagswahl 2021 konnte die FDP bei keiner der Landtagswahlen Erfolge feiern.
Im Saarland und in Berlin haben die Freien Demokraten sogar den Einzug in den Landtag verpasst.