Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sprach am Montagmorgen vorsichtiger über ein mögliches terroristisches Motiv hinter der tödlichen Messerattacke von Würzburg.Bild: AFP / ARMANDO BABANI
Deutschland
28.06.2021, 10:4528.06.2021, 12:05
Ob der Messerangreifer von Würzburg ein Terrorist war, ist nach den Worten des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann noch unklar. "Das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt so noch nicht beurteilen", sagte der CSU-Politiker am Montag im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF. Der 24-Jährige sei zeitweise in psychiatrischer Behandlung gewesen. Zugleich gebe es Hinweise darauf, dass er sich islamistisch geäußert habe. "Wir können da heute noch kein abschließendes Urteil abgeben."
Bei Bild-TV hatte er am Sonntagabend von einem "eklatanten Verdacht" auf einen islamistischen Hintergrund gesprochen. "Es spricht sehr viel angesichts
dessen, was wir aufgefunden haben, dafür, dass es sich um eine
islamistisch motivierte Tat handeln könnte", sagte der CSU-Politiker
da.
Hermann bezeichnete zudem bei Bild-TV die Menschen, die sich dem 24-jährigen Angreifer in den Weg stellten, als "echte Helden". Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erwäge eine besondere Ehrung für sie. Der Innenminister regte als mögliche Auszeichnung die Bayerische Rettungsmedaille an. Diese sei bestimmt für "Menschen, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um andere Menschenleben zu retten".
Die in der Obdachlosenunterkunft des Somaliers gefundenen Handys und Schriftstücke müssten noch ausgewertet und bewertet werden. Nach Herrmanns Worten vom Montag war nicht zu erkennen, dass der polizeibekannte 24-Jährige "zu einer derartig brutalen, gemeingefährlichen Tat schreiten könnte". Es müsse alles sorgfältig aufgearbeitet werden.
Täter hatte drei Frauen erstochen und mehrere Menschen verletzt
Der Flüchtling hatte am Freitagnachmittag in Würzburg drei Frauen
erstochen und sieben Menschen verletzt, fünf davon lebensgefährlich.
Er wurde festgenommen und ist in Untersuchungshaft.
Ermittler hatten in dem Obdachlosenheim, in dem der Mann zuletzt
lebte, Schriftmaterial gefunden, das Hassbotschaften enthalten soll.
Das Material wurde sichergestellt, für die Auswertung müssen die
Unterlagen aber erst übersetzt werden, ebenso wie Nachrichten auf den
Handys des Mannes. Dafür müssten Dolmetscher gefunden werden, die bei
der Auswertung von Handynachrichten oder Schriftstücken helfen
könnten, erklärte ein Sprecher des Landeskriminalamtes.
Die drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren, die der Mann
tötete, waren ihm offensichtlich unbekannt. Zudem verletzte er laut
Polizei drei weitere Frauen (39, 52, 73), ein Mädchen (11) und einen
Jugendlichen (16) lebensgefährlich mit einem Messer sowie einen Mann
(57) und eine weitere Frau (26) leicht. Das 11 Jahre alte Mädchen ist
die Tochter der getöteten 49-Jährigen.
Markus Söder: "Es tut mir unendlich leid"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach bei einer
Gedenkfeier am Sonntag in der Mainstadt von einem brutalen und
verstörenden Verbrechen. "Wo liegt der Sinn dahinter?" Viele Menschen
fragten nach dem Warum. "Wir dürfen eine solche hasserfüllte Tat
niemals mit Hass oder Rache beantworten", sagte er. "Gut und Böse
sind keine Frage von Religion oder Nationalität oder Ethnie."
Er warnte davor, sich vor dem Ende der Ermittlungen in
Vorverurteilungen und Mutmaßungen zu verlieren. "Über die
Hintergründe der Tat wird viel spekuliert." Es müsse alles
aufgearbeitet werden, gegebenenfalls Konsequenzen gezogen werden,
"nicht nur individuell, sondern vielleicht darüber hinaus". Aber es
werde leider nie ganz gelingen, solche Taten zu verhindern. "Es tut
mir echt unendlich leid", sagte er zu den Angehörigen.
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef
Schuster, sagte: "Gerade jetzt halte ich für wichtig, jedem Versuch
zu widerstehen, unsere Gesellschaft zu spalten."
Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) gedachte
der Opfer – und lobte den Mut der Helfer. "Unsere Gedanken sind bei
den Opfern und ihren Angehörigen und auch bei den mutigen Menschen,
die mit viel Zivilcourage eingegriffen haben", sagte Strobl der dpa
am Sonntag. "Wir werden der Gewalt nicht weichen, sondern unsere
freiheitliche Gesellschaft mit allen uns zur Verfügung stehenden
Mitteln verteidigen." Baden-Württemberg stehe an der Seite von
Bayern.
Der Verdächtige sitzt wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und
gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen und vorsätzlicher
Körperverletzung in einem weiteren Fall in Untersuchungshaft. Der
24-Jährige war schon vor der Tat wegen Bedrohung und Beleidigung
polizeibekannt, er kam deshalb zeitweise in eine Psychiatrie.
Bessere Ausstattung des psychiatrischen Bereichs gefordert
Der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian
Fiedler, verlangte eine bessere Ausstattung des psychiatrischen
Bereichs. "Auf vielen Ebenen haben wir erhebliche Probleme mit
psychisch erkrankten Menschen. So waren 35 Prozent der zwischen 2000
und 2015 allein handelnden Attentäter psychisch erkrankt", sagte er
der Funke Mediengruppe.
(nb/dpa)