Wann ist der Schaden größer? Wenn man die Kinder noch länger zu Hause lässt, oder wenn man sie wieder in die Schule schickt? Nachdem beim Corona-Gipfel der Bundesregierung Entscheidungen zur Öffnung von Schulen vertagt wurden, diskutieren die Gäste bei "Maybrit Illner" im ZDF über das Thema. Dabei wird schnell klar: Nicht getroffene Entscheidungen zu bewerten ist gar nicht so einfach.
Gleich zu Beginn zeichnet sich ab: Es wird ein diskussionsfreudiger Abend. Moderatorin Illner zitiert den FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der die Zahlen des Robert-Koch-Instituts als "politisch motiviert" bezeichnet hatte. Ob das nicht eine Unterstellung sei, Bundeskanzlerin Merkel versuche die Wirtschaft bewusst zu schwächen, fragt Illner Kubickis Chef Christian Lindner, der an diesem Abend zu Gast ist.
Der sieht das erwartungsgemäß ganz anders:
Wenn der bayerische Ministerpräsident und das Robert-Koch-Institut am selben Tag unterschiedliche Zahlen präsentieren, spreche das für sich, sagt Lindner. Er sieht Mängel in der Kommunikation des Instituts.
Diese Ansicht teilt Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut der Universität Hamburg, nicht. "Es ist so eine Transparenz, so eine Offenheit in den Zahlen", betont er seine Sicht auf die Dinge. Es gebe zwar bei manchen Zahlen noch Nachbesserungs-Bedarf, aber insgesamt sei die Kommunikation offen und informativ.
FDP-Chef Lindner ist an diesem Abend auf Oppositions-Betriebstemperatur und führt eine kleine Privat-Fehde mit Moderatorin Illner und SPD-Familienministerin Giffey, die ebenfalls zu Gast ist. Der derzeitige Zustand sei "nicht mehr verhältnismäßig", erklärt Lindner. "Ich lasse mir nicht mehr Angst machen von einer möglichen zweiten Welle", führt er aus. Schließlich sei man auf eine zweite Welle besser vorbereitet als im Februar.
Als es dann um Entlastungen für Eltern geht, wirft Giffey die Frage auf, was NRW dafür tun würde mit seinen verhältnismäßig hohen Kita-Gebühren. Daraus entbrennt eine kurze Diskussion, die Lindner mit einem Zwinkern und dem Satz "Wir haben eine rot-grüne Bilanz übernehmen müssen, wir arbeiten dran", beendet.
Entlastungen für Eltern sind auch Katia Saalfrank sehr wichtig. Die Pädagogin erzählt, dass sie Kontakt zu vielen Familien hätte, die es nicht mehr schaffen, ihre Kinder anständig zu betreuen und an der "Gleichzeitigkeit" von Arbeit und Familie verzweifeln würden. Und sie fordert von Familienministerin Giffey Antworten und Lösungen.
"Kinder sind keine Kätzchen, die man irgendwo abgeben kann", sagt sie. Franziska Giffey nimmt die Kritik an, Lösungen präsentieren kann sie aber nicht wirklich. Es gibt schließlich noch keine Beschlüsse.
Christian Lindner springt auf den Saalfrank-Zug auf und kritisiert die Bundesregierung für die seiner Meinung lange Entscheidungsfindung. Je länger man überlege, desto schwieriger sei es, Schulen und Kitas zeitnah wieder ordnungsgemäß "hochzufahren". Robert Giese ist Leiter der "Fritz Karsen Schule" in Berlin, einer Gemeinschaftsschule von Grundschule bis Abitur und steckt mittendrin im Öffnungsprozess.
Bei ihm in der Schule gebe es verschiedene Herausforderungen durch die schrittweise Öffnung, vor allem beobachte man, dass die Schüler, die sich in der Schule noch an alle Corona-Vorgaben halten, nach der Schule "Rudel bilden" und sich umarmen. Er plädiert dafür, den Schulen mehr Vertrauen entgegenzubringen. Und auch das Thema "Sommerschulen", die Schüler auf freiwilliger Basis besuchen könnten und die derzeit in Berlin diskutiert werden, sei eins, bei dem er ein gutes Gefühl habe.