Hans-Georg Maaßen ist das prominenteste Mitglied der Werteunion. Bild: picture alliance/Michael Reichel/dpa
watson antwortet
Nicht erst seit dem Rücktritt von AKK ist die Werteunion Gesprächsthema. Der Verein mit ungeklärtem Verhältnis zur AfD ist vielen CDU-Mitgliedern ein Dorn im Auge. Watson erklärt, was hinter der konservativen Truppe steckt.
12.02.2020, 14:5812.02.2020, 22:18
oliver marquart
Die Werteunion ist gerade in aller Munde. Sowohl im Zusammenhang mit der Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag als auch im Bezug auf den Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU-Spitze ist derzeit immer wieder die Rede von dieser Vereinigung innerhalb der CDU.
Der Name macht glauben, dass es sich um einen offiziellen Teil der Unionsparteien CDU und CSU handeln könnte. Doch dem ist nicht so. Viele CDU-Mitglieder sehen die Werteunion außerdem sehr kritisch. Als AKK im CDU-Präsidium am Montag ihren Rücktritt angekündigte, entbrannte danach eine heftige Debatte über die Werteunion, wie in diversen Berichten stand. Der ehemalige CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok bezeichnete die Vereinigung in einem Interview nach dem AKK-Rückzug gar als "Krebsgeschwür", ein Wort, das auch während der Sitzung fiel.
Aber was verbirgt sich wirklich hinter dem Namen? Welche Ziele vertritt die Bewegung? Wen unterstützt sie und von wem wird sie unterstützt?
Kurz: Wer oder was ist die Werteunion? Watson hat die Antworten auf eure Fragen.
Bild: watson
Wer steckt hinter der Werteunion?
Die Werteunion ist ein eingetragener Verein – und kein offizieller Teil der CDU: 2018 beschloss der Vorstand, den Verein nicht als offizielle CDU-Organisation anzuerkennen. Die meisten ihrer Mitglieder sind aber konservative und wirtschaftsliberale Mitglieder aus CDU und CSU.
Die Werteunion wurde unter dem Namen Freiheitlich-konservativer Aufbruch (FKA) am 25. März 2017 in Schwetzingen in Baden-Württemberg gegründet. Inzwischen zählt sie rund 4000 Mitglieder. Zum Vergleich: Die CDU zählt derzeit insgesamt etwas mehr als 427.000 Mitglieder.
Prominentestes Mitglied der Werteunion ist derzeit der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der wegen seinen Äußerungen zu rechtsradikalen Hetzjagden in Chemnitz sein Amt aufgeben musste. Weitere bekannte Mitglieder sind der wegen seiner Aussagen über Pegida umstrittene Politikwissenschaftler Werner Patzelt sowie der Sicherheitsdienst-Betreiber und bekennende CDU-Wähler Michael Kuhr (bekannt für seine öffentlichen Streitigkeiten mit Rapper Bushido). Kuhr ist kein Mitglied in der CDU.
Kickboxer und Sicherheitsdienst-Betreiber Michael Kuhr.Bild: picture alliance/Jörg Carstensen/dpa
Was will die Werteunion?
Ihre Gründung war unter anderem eine Reaktion auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die viele Konservative in der CDU als zu liberal empfanden. Der Großteil der Forderungen der Werteunion ist als rechts- oder ultrakonservativ einzuordnen. Sie will die CDU auf einen neuen, konservativeren Kurs bringen. Den unter der ehemaligen Vorsitzenden Merkel eingeschlagenen Weg empfinden sie als zu liberal, zu links.
Die Werteunion bezieht ihren Namen laut ihres Manifests auf ein "Wertefundament, das christlich, freiheitlich und patriotisch ist". Sie tritt für einen "gesunden, weltoffenen Patriotismus" sowie einen "starken deutschen Rechtsstaat" ein. Von Zuwanderern verlangt sie "Assimilation statt Integration", die Menschen sollen sich "an einer europäisch-deutschen Leitkultur" orientieren. Außerdem fordert sie eine Begrenzung der Zuwanderung und eine restriktive Asylpolitik. Eine angebliche Einwanderung in die Sozialsysteme Deutschlands empfindet der Verein als "nicht mehr zumutbar".
Auch das Leitbild der Geschlechtergerechtigkeit und der Klimaschutz sind der Werteunion suspekt. Sie sieht das "Leitbild 'Vater, Mutter, Kinder' als elementaren Grundpfeiler" an, spricht sich gegen "staatliche Förderung der ideologisch motivierten sogenannten Genderforschung" aus und befürwortet "eine Klimapolitik, die frei von ideologischen Instrumentalisierungen Erkenntnisse und Lösungsansätze für die veränderten Lebensbedingungen der Zukunft liefert".
Wie ist das Verhältnis der Werteunion zur AfD?
Nicht eindeutig. Die Werteunion teilt zwar viele Positionen mit der AfD, lehnt Koalitionen der CDU mit der AfD auf Bundes- und Landesebene jedoch ab. Allerdings nur, bis sich die AfD von ihrem "rechtsradikalen Flügel" trennt – das würde nach Auffassung der Werteunion eine Neubewertung erforderlich machen, sagte ihr Vorsitzender Alexander Mitsch in einem Gastbeitrag für "Focus Online" vergangenes Jahr.
Auf regionaler und kommunaler Ebene kann sie sich schon jetzt Bündnisse der beiden Parteien vorstellen. Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD begrüßte sie ausdrücklich.
Außerdem hielt ihr Pressesprecher, der Rechtsanwalt Ralf Höcker, auf der von der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag veranstalteten "1. Konferenz der freien Medien" einen Vortrag zu journalistischer Ethik. Zu der Tagung waren unter anderem auch der neurechte Publizist Götz Kubitschek und Blogger eingeladen, die für den rechtsextremen Blog "PI News" schreiben.
Rechtsanwalt Ralf Höcker, Pressesprecher der Werteunion.Bild: picture alliance/Geisler-Fotopress
Was kritisieren andere CDU-Mitglieder an der Werteunion?
Immer wieder kritisieren CDU-Mitglieder, die Werteunion sei inhaltlich zu nahe an der AfD. Viele wollen die Vereinsmitglieder aus der CDU ausschließen. So erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der CDU, Christian Bäumler, gegenüber dem "Handelsblatt": "Wer die Werte der CDU nicht teilt, hat in der CDU nichts zu suchen. Wir brauchen keine AfD-Hilfstruppe in unseren Reihen."
Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sagte, die Werteunion habe darauf hingearbeitet, Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow "mit Hilfe der faschistischen AfD abzuwählen und feiert das Ergebnis". Die Gruppierung sei als "Partei in der Partei“ im Begriff, die CDU zu zerstören.
Dennis Radtke, Europaabgeordneter und Vorsitzender des Sozialflügels CDA in NRW) hält "die Nähe der Werteunion zur völkisch-nationalistischen AfD" für "unerträglich" und eine Mitgliedschaft in CDU und Werteunion für "unvereinbar".
Der saarländische Mininsterpräsident Tobias Hans sagte am Dienstag der "Rheinischen Post": "Ein Bekenntnis zur Werteunion ist eine Beleidigung für alle CDU-Mitglieder" und stellt fest: "Es braucht keine Werteunion". Die CDU mache Politik auf den Fundamenten ihrer Werte, eine Werteunion sei daher überflüssig.
Welche CDU-Mitglieder stehen der Werteunion nahe?
Führende Christdemokraten, die sich zur Werteunion bekennen, findet man kaum. Allerdings äußerte sich Friedrich Merz über die Werteunion im August 2019 in einem Interview mit der "Märkischen Allgemeinen" recht verständnisvoll.
Er bezeichnete sie als "Hilferuf von unten an die Parteiführung, sich wieder intensiver mit bestimmten Themen zu beschäftigen". Weiter beklagte er eine angeblich fehlende Diskussionskultur und dass es kein Angebot für Konservative in der CDU gebe. Wertkonservative fühlten sich aktuell von der Partei "verlassen".
Das Verständnis beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. Werteunion-Vorsitzender Mitsch hatte der "Rheinischen Post" im Juni 2019 verraten, er halte Merz für einen geeigneten Kanzlerkandidaten: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die CDU mit (...) Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten einen sehr starken Auftritt hinlegen würde."
Friedrich Merz hat immerhin Verständnis für die Werteunion. Die will ihn gerne zum Kanzler machen.Bild: reuters
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss letzte Woche im Bundestag wohl eine große Enttäuschung gewesen sein. Er hatte sich auf eine Debatte mit seinem Erzfeind und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestellt. Dieser fehlte aber spontan aufgrund eines Defekts an einem Regierungsflugzeug und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste für ihn einspringen.