Auch im israelischen Beit Lahia feierten palästinensische Frauen die Waffenruhe.Bild: dpa / Mohammed Al-Masri
International
Nach dem brutalen Schlagabtausch zwischen militanten Palästinensern und Israel schweigen die Waffen seit dem frühen Freitagmorgen. Tausende feierten in Gaza die erste Nacht ohne Angriffe seit elf Tagen. Aber die Bilanz ist verheerend und Frieden nicht in Sicht.
Militante Palästinenser im Gazastreifen und
Israel haben ihre harten gegenseitigen Angriffe am frühen
Freitagmorgen vorerst beendet. Eine von Ägypten vermittelte
Waffenruhe trat um 02.00 Uhr (01.00 Uhr MESZ) in Kraft und wurde
zunächst von beiden Seiten eingehalten. Der Schlagabtausch kostete
232 Menschen im Gazastreifen und 12 Menschen in Israel das Leben. Im
Gazastreifen strömten Tausende Menschen auf die Straßen und machten
inmitten von Ruinen ihrer Erleichterung über das Ende des Schreckens Luft.
In den vergangenen Tagen war der internationale Druck vor allem durch
die USA für ein Ende des Blutvergießens immer größer geworden. Am
Mittwoch hatte US-Präsident Joe Biden Israels Regierungschef Benjamin
Netanjahu bei einem Telefonat gesagt, dass er noch im Laufe des Tages
eine "deutliche Deeskalation (...) auf dem Weg zu einer Waffenruhe"
erwarte. Nach der Vereinbarung der Waffenruhe sagte Biden, nun biete
sich eine "wirkliche Chance", im Nahen Osten Fortschritte hin zu
einem dauerhaften Frieden zu machen. Ein Sprecher Netanjahus betonte
jedoch, die Waffenruhe sei ohne jegliche Vorbedingungen erfolgt.
Maas von der Hamas als "parteiisch" verurteilt
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte das Ende der Kämpfe und
rief alle Seiten auf, sich an die Vereinbarung zu halten. Der
Portugiese hatte sich zuvor erschüttert über den Tod vieler
Zivilisten geäußert. "Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, ist es das
Leben der Kinder in Gaza", sagte er in New York.
In den Stunden vor der Verkündung der Waffenruhe hatte
Bundesaußenminister Heiko Maas Israel und die Palästinensergebiete
besucht. Dabei stellte er sich erneut mit aller Deutlichkeit an die
Seite des jüdischen Staates. "Für uns ist die Sicherheit Israels,
genauso die Sicherheit aller Jüdinnen und Juden in Deutschland, nicht
verhandelbar", betonte er. Maas schlugen von seinen israelischen
Gastgebern Sympathie und Wohlwollen entgegen. Sein Kollege Gabi
Aschkenasi sagte: "Ich danke ihm, dass er uns besucht in dieser Zeit,
in einer Zeit, wo Raketen fallen."
Die Hamas hingegen verurteilte die Äußerungen von Maas als
"parteiisch". "Wir sind schockiert von den Medienerklärungen des
deutschen Außenministers (...) im Hinblick auf die Lage in den
besetzten palästinensischen Gebieten", schrieb das Büro für
internationale Angelegenheiten der Hamas in einer Mitteilung.
Verheerende Bilanz der Gewalt
Die Folgen des brutalen Schlagabtausches, den die Hamas am 10. Mai
mit Raketenbeschuss Richtung Jerusalem begonnen hatte, sind
verheerend. Nach Angaben des palästinensischen
Gesundheitsministeriums wurden bis zum Donnerstag 232 Palästinenser
getötet, unter ihnen 65 Kinder und Jugendliche. 1900 Menschen
erlitten Verletzungen. 1800 Wohnungen und Häuser wurden zerstört,
darunter fünf Hochhäuser. Auch zahlreiche Regierungsgebäude wurden in Schutt und Asche gelegt. Israels Angriffe
auf das Tunnelsystem der Hamas, die sogenannte Metro, richteten zudem
große Schäden an der Infrastruktur an.
Die Hamas sieht sich dennoch als Siegerin. Sie habe sich als die
wahre Beschützerin Jerusalems und Kämpferin für die Rechte des
palästinensischen Volkes bewährt, sagte das führende Hamas-Mitglied,
Muschir al-Masri, am Donnerstag in Gaza. Das richtete sich gegen den
im Verhältnis zu Israel kompromissbereitere Palästinenserpräsidenten
Mahmud Abbas im Westjordanland, der Israel nicht wie die Hamas das
Existenzrecht abspricht. Zudem schaffte es die Hamas, schwere Unruhen
zwischen jüdischen und arabischen Israelis auszulösen und die
Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft wieder auf den
ungelösten Konflikt zu lenken.
Mehr als 4300 Raketen aus Gaza
Israel seinerseits wollte das Ende der Raketenangriffe aus dem
Gazastreifen. Dieses Ziel ist zunächst erreicht, obwohl die
Palästinenser nach israelischen Angaben insgesamt 4340 Raketen auf
Israel abschossen, wobei 12 Menschen starben und mehr als 300
verletzt wurden. Zudem sollte die Fähigkeit militanter
Palästinensergruppen im Gazastreifen für künftige Angriffe auf Israel
reduziert werden. Auch das hat die hochgerüstete israelische Armee
vermocht, allerdings um einen hohen humanitären Preis, mit dem Israel
Kritik auf sich zieht. Und von früheren Schlägen hat sich die Hamas
stets nach einigen Jahren erholt.
(andi/dpa)
Die Lage in Nahost droht weiter zu eskalieren. Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und den Erzfeind Israel erstmals direkt angegriffen. 99 Prozent der in der Nacht zum Sonntag abgefeuerten Geschosse seien abgefangen worden, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Er sprach am Morgen von einem "sehr bedeutsamen strategischen Erfolg" gegen mehr als 300 "Bedrohungen verschiedener Art".