Militante Palästinenser im Gazastreifen und Israel haben ihre harten gegenseitigen Angriffe am frühen Freitagmorgen vorerst beendet. Eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe trat um 02.00 Uhr (01.00 Uhr MESZ) in Kraft und wurde zunächst von beiden Seiten eingehalten. Der Schlagabtausch kostete 232 Menschen im Gazastreifen und 12 Menschen in Israel das Leben. Im Gazastreifen strömten Tausende Menschen auf die Straßen und machten inmitten von Ruinen ihrer Erleichterung über das Ende des Schreckens Luft.
In den vergangenen Tagen war der internationale Druck vor allem durch die USA für ein Ende des Blutvergießens immer größer geworden. Am Mittwoch hatte US-Präsident Joe Biden Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bei einem Telefonat gesagt, dass er noch im Laufe des Tages eine "deutliche Deeskalation (...) auf dem Weg zu einer Waffenruhe" erwarte. Nach der Vereinbarung der Waffenruhe sagte Biden, nun biete sich eine "wirkliche Chance", im Nahen Osten Fortschritte hin zu einem dauerhaften Frieden zu machen. Ein Sprecher Netanjahus betonte jedoch, die Waffenruhe sei ohne jegliche Vorbedingungen erfolgt.
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte das Ende der Kämpfe und rief alle Seiten auf, sich an die Vereinbarung zu halten. Der Portugiese hatte sich zuvor erschüttert über den Tod vieler Zivilisten geäußert. "Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, ist es das Leben der Kinder in Gaza", sagte er in New York.
In den Stunden vor der Verkündung der Waffenruhe hatte Bundesaußenminister Heiko Maas Israel und die Palästinensergebiete besucht. Dabei stellte er sich erneut mit aller Deutlichkeit an die Seite des jüdischen Staates. "Für uns ist die Sicherheit Israels, genauso die Sicherheit aller Jüdinnen und Juden in Deutschland, nicht verhandelbar", betonte er. Maas schlugen von seinen israelischen Gastgebern Sympathie und Wohlwollen entgegen. Sein Kollege Gabi Aschkenasi sagte: "Ich danke ihm, dass er uns besucht in dieser Zeit, in einer Zeit, wo Raketen fallen."
Die Hamas hingegen verurteilte die Äußerungen von Maas als "parteiisch". "Wir sind schockiert von den Medienerklärungen des deutschen Außenministers (...) im Hinblick auf die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten", schrieb das Büro für internationale Angelegenheiten der Hamas in einer Mitteilung.
Die Folgen des brutalen Schlagabtausches, den die Hamas am 10. Mai mit Raketenbeschuss Richtung Jerusalem begonnen hatte, sind verheerend. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden bis zum Donnerstag 232 Palästinenser getötet, unter ihnen 65 Kinder und Jugendliche. 1900 Menschen erlitten Verletzungen. 1800 Wohnungen und Häuser wurden zerstört, darunter fünf Hochhäuser. Auch zahlreiche Regierungsgebäude wurden in Schutt und Asche gelegt. Israels Angriffe auf das Tunnelsystem der Hamas, die sogenannte Metro, richteten zudem große Schäden an der Infrastruktur an.
Die Hamas sieht sich dennoch als Siegerin. Sie habe sich als die wahre Beschützerin Jerusalems und Kämpferin für die Rechte des palästinensischen Volkes bewährt, sagte das führende Hamas-Mitglied, Muschir al-Masri, am Donnerstag in Gaza. Das richtete sich gegen den im Verhältnis zu Israel kompromissbereitere Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland, der Israel nicht wie die Hamas das Existenzrecht abspricht. Zudem schaffte es die Hamas, schwere Unruhen zwischen jüdischen und arabischen Israelis auszulösen und die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft wieder auf den ungelösten Konflikt zu lenken.
Israel seinerseits wollte das Ende der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Dieses Ziel ist zunächst erreicht, obwohl die Palästinenser nach israelischen Angaben insgesamt 4340 Raketen auf Israel abschossen, wobei 12 Menschen starben und mehr als 300 verletzt wurden. Zudem sollte die Fähigkeit militanter Palästinensergruppen im Gazastreifen für künftige Angriffe auf Israel reduziert werden. Auch das hat die hochgerüstete israelische Armee vermocht, allerdings um einen hohen humanitären Preis, mit dem Israel Kritik auf sich zieht. Und von früheren Schlägen hat sich die Hamas stets nach einigen Jahren erholt.
(andi/dpa)