
Für die Obama-Familie bedeutete das Leben im Weißen Haus einige Einschränkungen – aber auch Vorteile. null / imago images
Analyse
Als Präsident war Barack Obama eine schillernde Figur. Privat plagten ihn aber die typischen Sorgen eines Familienvaters. Wie sich seine Familie mit dem Leben im Weißen Haus arrangierte, erzählt er in seiner Autobiografie. Teil vier der watson-Serie zu Barack Obamas Memoiren.
20.11.2020, 15:0520.11.2020, 15:50

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Sich mit anderen Staats- und Regierungschefs treffen, Militäroperationen autorisieren und im Extremfall den roten Knopf für einen atomaren Vergeltungsschlag drücken. Der Präsident der USA ist nach wie vor der mächtigste Mann der Welt. In der Regel hat er aber noch ein weiteres Amt inne, das manchmal fordernder sein kann, als eine ganze Nation zu lenken: das des Familienvaters.
Ein Präsident ohne Kinder ist in der Geschichte der USA die absolute Ausnahme. Lediglich fünf von bisher 45 Präsidenten hatten keinen Nachwuchs, unter anderem der erste US-Präsident George Washington. Seit Calvin Coolidge Anfang der 1920er Jahre war der US-Präsident stets auch Vater und musste nicht selten parallel zum Amt seinen Nachwuchs managen.
Dass mit dem Präsidenten und First Lady auch noch Kinder ins Weiße Haus zogen, konnte einige Herausforderungen mit sich bringen. Das musste auch Barack Obama erfahren. Welche Sorgen und Ängste er um seine Töchter hatte, die ihre Jugend im Weißen Haus verbringen sollten, erzählt er in seinen jüngst erschienen Memoiren. Watson hat die interessantesten Aussagen herausgesucht und zusammengetragen.

Bild: AFP / CHANDAN KHANNA / watson montage
watson-Serie: Obamas Amerika – Alles zu seinen Memoiren "Ein verheißenes Land"
"Malia und Sasha waren noch so klein"
Nach der Wahl 2008 begann im Januar 2009 der Umzug des designierten US-Präsidenten von Chicago nach Washington. Für die Obamas keine leichte Aufgabe. Innerhalb kürzester Zeit mussten neue Schulen für die beiden Mädchen Malia und Sasha gefunden werden und die Eltern hatten große Sorge – ob die beiden sich in der neuen Umgebung wohlfühlen und ob die Mitschüler die beiden Präsidententöchter anders behandeln oder sogar ausgrenzen würden, wie der ehemalige Präsident in seinen Erinnerungen beschreibt.
Malia war zum Zeitpunkt des Umzugs gerade einmal zehn Jahre alt, Sasha erst sieben. Beide sollten, da Obama 2012 wiedergewählt wurde, die prägenden Jahre ihrer Jugend in den heiligen Hallen des Weißen Hauses verbringen. Ein normales Leben war unter diesen Umständen nicht einfach. Obwohl Michelle Obama, ihrem Mann zufolge, die Hauptlast der Erziehung trug, machte sich auch dieser stetig Sorgen darum, welche Auswirkungen seine Karriere auf seine Töchter haben würde.
"Nicht dass ich Michelles Stress nicht geteilt hätte. Malia und vor allem Sasha waren 2008 noch so klein, mit Zöpfen und Braids und Zahnlücken und Pausbäckchen. Wie würde das Weiße Haus ihre Kindheit prägen? Würde es sie isolieren? Sie launisch und anspruchsvoll werden lassen? Abends hörte ich immer aufmerksam zu, wenn Michelle mir die neuesten Informationen weitergab, die sie eingeholt hatte, und äußerte dann meine Gedanken zu diesem und jenem Thema, das sie beschäftigte. Außerdem versicherte ich ihr, dass eine freche Bemerkung oder irgendein unbedeutender Unfug, den eines der Mädchen angestellt hatte, kein Hinweis auf frühe Auswirkungen davon sei, dass ihre Welt völlig auf den Kopf gestellt worden war."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"

Während der Kandidatur von Barack Obama für das Präsidentenamt 2008 war seine Familie auch bei Wahlkampfveranstaltungen dabei.Bild: imago stock&people / Danita Delimont
Michelles Mutter hilft
Der Start im Weißen Haus war auch nicht ganz einfach. Organisatorische Abläufe und Übergabeprozeduren dauerten an. Die Obamas mussten dreimal umziehen, ehe sie schließlich im Präsidentenpalais unterkamen. Zusätzlich hatte der US-Präsident mit der Planung seiner Präsidentschaft alle Hände voll zu tun.
Auch Michelle Obama war mit den täglichen Aufgaben und Pflichten der First Lady mehr als ausgelastet, weshalb dem Präsidentenpaar die Kindererziehung langsam über beide Köpfe wuchs. Getreu dem afrikanischen Sprichwort "it takes a village to raise a child" (Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen) suchten die beiden sich Unterstützung in der näheren Verwandtschaft. Die Wahl fiel auf Michelles Mutter Marian Robinson.
Obama schreibt, seine Schwiegermutter sei zwar eigentlich sehr heimisch in Chicago und verlasse die Stadt nur einmal im Jahr, um in Las Vegas ein paar Münzen in Automaten verschwinden zu lassen. Doch als sie gebraucht wurde, war sie laut Barack Obama sofort zur Stelle, um ins Weiße Haus zu ziehen, und ihre Enkelinnen – "die sie vergötterte" – zu betreuen. Auch der Herr des Weißen Hauses verstand sich – entgegen landläufiger Clichés über Schwiegermütter – sehr gut mit Marian und wusste ihre Anwesenheit zu schätzen, wie er in seinen Memoiren erklärt:
"Was für ein Geschenk meine Schwiegermutter doch war. Sie wurde für uns zur lebendigen Erinnerung daran, wer wir waren und woher wir kamen. Eine Hüterin von Werten, die wir früher für gewöhnlich gehalten hatten, von denen wir inzwischen jedoch wussten, dass sie seltener waren, als wir uns das je hätten vorstellen können."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"

Urlaub mit der Air Force One: Das kann wohl kaum eine Mitschülerin von Malia (l.) und Sasha (2.v.r.) toppen.Bild: Getty Images North America / Pool
Auf Schritt und Tritt überwacht
Allerdings kamen nach Amtsantritt weitere Schwierigkeiten hinzu: Die Sicherheitsvorkehrungen, die sich Barack Obama und seine Familie unterwerfen mussten, waren erheblich. Der Präsident musste sein geliebtes Blackberry-Handy abgeben und erhielt nach einigem Protest eine "eingeschränkte" Version davon zurück, mit nur rund zwanzig Kontakten, denen er schreiben durfte – die er aber dank ausgebautem Mikro nicht anrufen konnte. Die First Lady nannte es ein "Spielzeughandy" und zog ihren Mann damit auf.
Seinem Amt und dem damit verbundenen hohen persönlichen Risiko Rechnung tragend, wurde der US-Präsident auf Schritt und Tritt von Mitarbeitern des Secret Service überwacht und geschützt. Für Barack Obama wurden die Sicherheitsvorkehrungen bald zum Alltag. Aber auch die Präsidentenfamilie konnte sich nicht so frei bewegen, wie sie es aus der Zeit vor Obamas Präsidentschaft kannte. Seine Frau Michelle hatte einige Probleme, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
"Mittlerweile war sie bei der Erziehung der Kinder mit ganz neuen Schwierigkeiten konfrontiert – man musste bei den Eltern von Freundinnen anrufen, um zu erklären, weshalb der Secret Service ihr Haus in Augenschein nehmen musste, bevor Sasha zum Spielen kam, oder gemeinsam mit Mitarbeitern ein Boulevardblatt dazu bringen, davon abzusehen, eine Aufnahme von Malia mit Freundinnen im Einkaufszentrum zu drucken."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Insgesamt war Barack Obama aber zufrieden mit dem Maß an Privatsphäre, das der First Family verblieb. Obama selbst hatte laut eigener Aussage mit einiger Berichterstattung zu kämpfen, die er für unfair hielt – oder auch mit durchgestochenen Details und Informationen, die seine Arbeit erschwerten und für Misstrauen im Weißen Haus sorgen konnten. Gegenüber seiner Familie empfand er den Umgang allerdings als sehr fair.
"Ich muss Presseangehörigen zugutehalten, dass Malia und Sasha für sie während meiner Präsidentschaft tabu waren. Diesen Beweis grundlegenden Anstands wusste ich sehr zu schätzen."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"

Barack Obama mit Ella Rhodes, der Tochter seines Redenschreibers Ben Rhodes.Bild: imago stock&people / ZUMA Press
"Das Wunder, unseren Töchtern beim Aufwachsen zuzusehen"
Viele von Obamas Befürchtungen, sein Amt könnte seine Familie nachhaltig schädigen oder seine Töchter in ihrem unbeschwerten Heranwachsen behindern, sollten sich als unberechtigt erweisen. Mit der Zeit wussten die Obamas die Annehmlichkeiten des Service im Weißen Haus sogar zu schätzen und wurden Teil einer noch größeren Familie, die rund um die First Family entstand. Barack Obama beschreibt in seinem Buch lebhaft, wie er mit Mitarbeitern des Weißen Haus Karten spielte, Golfen ging oder sich auch einfach mal über Privates unterhielt.
In den kommenden Jahren wuchsen außerdem auch um die Obamas herum Familien heran, die schließlich das sprichwörtliche Dorf bildeten, in dem die Töchter der Obamas aufwuchsen. Eines der ikonischsten Bilder dieser Zeit ist das von Ella Rhodes, der Tochter von Obamas Redenschreiber Ben, die sich vom US-Präsidenten durch die Luft tragen ließ. In den Enkelinnen von Obamas Vize Joe Biden fanden seine Töchter außerdem Freunde. Bald bevölkerten auch zwei Hunde das Oval Office. Der neue Arbeitsplatz im Weißen Haus bot außerdem Vorteile, mit denen Barack Obama nicht gerechnet hatte.
"Unsere neue Wohnsituation brachte eine besonders schöne Überraschung mit sich: Da ich jetzt sozusagen über dem Laden wohnte, war ich im Prinzip den ganzen Tag zu Hause. An den meisten Tagen kam die Arbeit zu mir, nicht umgekehrt. Wenn ich nicht auf Reisen war, achtete ich darauf, jeden Abend pünktlich um halb sieben am Esstisch zu sitzen, auch wenn ich danach vielleicht noch einmal hinunter ins Oval Office gehen musste. Es war eine große Freude zuzuhören, wie Malia und Sasha von ihrem Tag erzählten und von einer Welt aus Dramen unter Freundinnen, schrulligen Lehrerinnen, blöden Jungs, dummen Witzen, neuen Erkenntnissen und endlosen Fragen berichteten. Nachdem wir fertig gegessen hatten und sie losliefen, um Hausaufgaben zu erledigen und sich bettfertig zu machen, saßen Michelle und ich noch eine Weile da und unterhielten uns, weniger über Politik, sondern eher über Nachrichten von alten Freunden, Filme, die wir sehen wollten, und am allermeisten über das Wunder, unseren Töchtern beim Aufwachsen zuzusehen."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"

Groß geworden im Weißen Haus: Heute sind Malia (l., 22) und Sasha (r., 19) junge Frauen.Bild: Getty Images North America / Handout
Trotz allem wusste der US-Präsident, wem er die gelungene Eingewöhnung der Familie ins Weiße Haus zu verdanken hatte: Seiner Frau Michelle, der er – zusammen mit seinen Töchtern – auch sein Buch widmet.
"Von dem Augenblick an, in dem wir im Weißen Haus angekommen waren, hatte sich Michelle voll und ganz ihrer neuen Aufgabe gewidmet und obendrein unserer Familie auch ein Zuhause bereitet. Dank ihr steckten Malia und Sasha den Übergang in unser seltsames neues Leben anscheinend mühelos weg. In dem Gang, der über die gesamte Länge des Wohnbereichs führte, spielten sie Ball, mit den Köchinnen und Köchen des Weißen Hauses buken sie Kekse. Ihre Wochenenden waren angefüllt mit Verabredungen zum Spielen und Geburtstagsfeiern mit neuen Freundinnen, Basketball und Fußballspielen sowie mit Tennisstunden bei Malia und Tanzunterricht und Taekwondo bei Sasha."
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"
Ob es für die Obamas ebenfalls so leicht war, das inzwischen liebgewonnene Leben im Weißen Haus wieder zu verlassen, lässt Obama offen. Das wird er wohl im zweiten Band seiner Memoiren verraten. In ihm soll es auch um seine zweite Amtszeit gehen.

Barack Obamas Memoiren, "Ein verheißenes Land", erschienen am 17.November beim Penguin Verlag.Bild: penguin verlag / random house
Barack Obama: "Ein verheißenes Land"
Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane.
1024 Seiten, mit 32 Seiten Farbbildteil.
Preis: 42 Euro (Hier erhältlich).
Am 17. November im Penguin Verlag erschienen.
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