Sich mit anderen Staats- und Regierungschefs treffen, Militäroperationen autorisieren und im Extremfall den roten Knopf für einen atomaren Vergeltungsschlag drücken. Der Präsident der USA ist nach wie vor der mächtigste Mann der Welt. In der Regel hat er aber noch ein weiteres Amt inne, das manchmal fordernder sein kann, als eine ganze Nation zu lenken: das des Familienvaters.
Ein Präsident ohne Kinder ist in der Geschichte der USA die absolute Ausnahme. Lediglich fünf von bisher 45 Präsidenten hatten keinen Nachwuchs, unter anderem der erste US-Präsident George Washington. Seit Calvin Coolidge Anfang der 1920er Jahre war der US-Präsident stets auch Vater und musste nicht selten parallel zum Amt seinen Nachwuchs managen.
Dass mit dem Präsidenten und First Lady auch noch Kinder ins Weiße Haus zogen, konnte einige Herausforderungen mit sich bringen. Das musste auch Barack Obama erfahren. Welche Sorgen und Ängste er um seine Töchter hatte, die ihre Jugend im Weißen Haus verbringen sollten, erzählt er in seinen jüngst erschienen Memoiren. Watson hat die interessantesten Aussagen herausgesucht und zusammengetragen.
Nach der Wahl 2008 begann im Januar 2009 der Umzug des designierten US-Präsidenten von Chicago nach Washington. Für die Obamas keine leichte Aufgabe. Innerhalb kürzester Zeit mussten neue Schulen für die beiden Mädchen Malia und Sasha gefunden werden und die Eltern hatten große Sorge – ob die beiden sich in der neuen Umgebung wohlfühlen und ob die Mitschüler die beiden Präsidententöchter anders behandeln oder sogar ausgrenzen würden, wie der ehemalige Präsident in seinen Erinnerungen beschreibt.
Malia war zum Zeitpunkt des Umzugs gerade einmal zehn Jahre alt, Sasha erst sieben. Beide sollten, da Obama 2012 wiedergewählt wurde, die prägenden Jahre ihrer Jugend in den heiligen Hallen des Weißen Hauses verbringen. Ein normales Leben war unter diesen Umständen nicht einfach. Obwohl Michelle Obama, ihrem Mann zufolge, die Hauptlast der Erziehung trug, machte sich auch dieser stetig Sorgen darum, welche Auswirkungen seine Karriere auf seine Töchter haben würde.
Der Start im Weißen Haus war auch nicht ganz einfach. Organisatorische Abläufe und Übergabeprozeduren dauerten an. Die Obamas mussten dreimal umziehen, ehe sie schließlich im Präsidentenpalais unterkamen. Zusätzlich hatte der US-Präsident mit der Planung seiner Präsidentschaft alle Hände voll zu tun.
Auch Michelle Obama war mit den täglichen Aufgaben und Pflichten der First Lady mehr als ausgelastet, weshalb dem Präsidentenpaar die Kindererziehung langsam über beide Köpfe wuchs. Getreu dem afrikanischen Sprichwort "it takes a village to raise a child" (Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen) suchten die beiden sich Unterstützung in der näheren Verwandtschaft. Die Wahl fiel auf Michelles Mutter Marian Robinson.
Obama schreibt, seine Schwiegermutter sei zwar eigentlich sehr heimisch in Chicago und verlasse die Stadt nur einmal im Jahr, um in Las Vegas ein paar Münzen in Automaten verschwinden zu lassen. Doch als sie gebraucht wurde, war sie laut Barack Obama sofort zur Stelle, um ins Weiße Haus zu ziehen, und ihre Enkelinnen – "die sie vergötterte" – zu betreuen. Auch der Herr des Weißen Hauses verstand sich – entgegen landläufiger Clichés über Schwiegermütter – sehr gut mit Marian und wusste ihre Anwesenheit zu schätzen, wie er in seinen Memoiren erklärt:
Allerdings kamen nach Amtsantritt weitere Schwierigkeiten hinzu: Die Sicherheitsvorkehrungen, die sich Barack Obama und seine Familie unterwerfen mussten, waren erheblich. Der Präsident musste sein geliebtes Blackberry-Handy abgeben und erhielt nach einigem Protest eine "eingeschränkte" Version davon zurück, mit nur rund zwanzig Kontakten, denen er schreiben durfte – die er aber dank ausgebautem Mikro nicht anrufen konnte. Die First Lady nannte es ein "Spielzeughandy" und zog ihren Mann damit auf.
Seinem Amt und dem damit verbundenen hohen persönlichen Risiko Rechnung tragend, wurde der US-Präsident auf Schritt und Tritt von Mitarbeitern des Secret Service überwacht und geschützt. Für Barack Obama wurden die Sicherheitsvorkehrungen bald zum Alltag. Aber auch die Präsidentenfamilie konnte sich nicht so frei bewegen, wie sie es aus der Zeit vor Obamas Präsidentschaft kannte. Seine Frau Michelle hatte einige Probleme, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
Insgesamt war Barack Obama aber zufrieden mit dem Maß an Privatsphäre, das der First Family verblieb. Obama selbst hatte laut eigener Aussage mit einiger Berichterstattung zu kämpfen, die er für unfair hielt – oder auch mit durchgestochenen Details und Informationen, die seine Arbeit erschwerten und für Misstrauen im Weißen Haus sorgen konnten. Gegenüber seiner Familie empfand er den Umgang allerdings als sehr fair.
Viele von Obamas Befürchtungen, sein Amt könnte seine Familie nachhaltig schädigen oder seine Töchter in ihrem unbeschwerten Heranwachsen behindern, sollten sich als unberechtigt erweisen. Mit der Zeit wussten die Obamas die Annehmlichkeiten des Service im Weißen Haus sogar zu schätzen und wurden Teil einer noch größeren Familie, die rund um die First Family entstand. Barack Obama beschreibt in seinem Buch lebhaft, wie er mit Mitarbeitern des Weißen Haus Karten spielte, Golfen ging oder sich auch einfach mal über Privates unterhielt.
In den kommenden Jahren wuchsen außerdem auch um die Obamas herum Familien heran, die schließlich das sprichwörtliche Dorf bildeten, in dem die Töchter der Obamas aufwuchsen. Eines der ikonischsten Bilder dieser Zeit ist das von Ella Rhodes, der Tochter von Obamas Redenschreiber Ben, die sich vom US-Präsidenten durch die Luft tragen ließ. In den Enkelinnen von Obamas Vize Joe Biden fanden seine Töchter außerdem Freunde. Bald bevölkerten auch zwei Hunde das Oval Office. Der neue Arbeitsplatz im Weißen Haus bot außerdem Vorteile, mit denen Barack Obama nicht gerechnet hatte.
Trotz allem wusste der US-Präsident, wem er die gelungene Eingewöhnung der Familie ins Weiße Haus zu verdanken hatte: Seiner Frau Michelle, der er – zusammen mit seinen Töchtern – auch sein Buch widmet.
Ob es für die Obamas ebenfalls so leicht war, das inzwischen liebgewonnene Leben im Weißen Haus wieder zu verlassen, lässt Obama offen. Das wird er wohl im zweiten Band seiner Memoiren verraten. In ihm soll es auch um seine zweite Amtszeit gehen.