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Friedrich Merz mit Wahl-Debakel: So groß ist das Problem jetzt

Friedrich Merz C, Alexander Dobrindt und Jens Spahn nach der verfehlten Wahl von Friedrich Merz im ersten Wahlgang für den neuen Bundeskanzler in Berlin am 6. Mai 2025. Wahl des Bundeskanzlers *** Fri ...
Der Herr in der Mitte wäre gerne im ersten Anlauf zum Bundeskanzler gewählt worden.Bild: imago images / emmanuele contini
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Friedrich Merz: Das Wahl-Debakel wird Folgen haben – und keine davon ist positiv

Es ist ein historischer Tag in der deutschen Politik: Friedrich Merz brauchte völlig überraschend zwei Wahlgänge, um zum Bundeskanzler gewählt zu werden. Nicht nur an den Reaktionen ist zu erkennen, wie weitreichend die Konsequenzen sein werden. Ein Kommentar.
06.05.2025, 16:2306.05.2025, 16:23
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Friedrich Merz hat Historisches geschafft: Er ist die erste Person in der deutschen Nachkriegsgeschichte, die als designierte:r Bundeskanzler:in im ersten Wahlgang die Mehrheit im Bundestag verfehlte und einen zweiten Anlauf benötigte.

Selten war der eigentlich ziemlich abgedroschene Spruch so passend: Das war eine schallende Ohrfeige. Nicht nur, weil Merz am heutigen 6. Mai nicht wie geplant auf Anhieb gewählt wurde, sondern weil ihm gleich (mindestens) 18 Abgeordnete von CDU, CSU und SPD die Stimme verweigerten. Bei 328 Parlamentarier:innen von Schwarz-Rot sind das bemerkenswerte 5,5 Prozent.

Rambo Zambo mal anders im deutschen Parlament. Das wird Folgen haben – und keine davon ist positiv.

Man kann das, was heute geschehen ist, natürlich erklären. Denn Gründe, Merz die Gefolgschaft zu verweigern, gibt es zuhauf.

Bei der Union, in der man sich wundern kann, warum Ostdeutsche in Merz' Regierungsteam keine Rolle spielen oder warum ausgerechnet Merz' wichtigster Mann, Carsten Linnemann, im Laufe der Koalitionsverhandlungen eine akute Unlust entwickelte, das nun beschlossene Programm in verantwortlicher Position inhaltlich mitzutragen.

Friedrich Merz: Mindestens 18 Abgeordnete stimmen nicht für ihn

Erst recht in der SPD. Jene:r Partei, die Merz, Linnemann, aber auch Jens Spahn oder CSU-Chef Markus Söder in den vergangenen Monaten der auseinanderbrechenden Ampel-Regierung und des Wahlkampfs mehrfach unter der Gürtellinie attackiert hatten. Und in der viele Abgeordnete nicht vergessen haben, dass Friedrich Merz keinen Schmerz hatte, sich im Bundestag mithilfe von Faschist:innen der AfD kurzfristig bei einer Abstimmung eine Mehrheit zu besorgen.

Hinzu kommt: Der linke Parteiflügel SPD ist nicht glücklich darüber, wie konsequent Lars Klingbeil seine Co-Vorsitzende Saskia Esken in den vergangenen Tagen von der Bühne geschoben hat. Und Esken ist damit in prominenter Gesellschaft: Auch andere einst wichtige Köpfe wie Karl Lauterbach, Nancy Faeser oder Hubertus Heil spielen in der SPD plötzlich keine entscheidende Rolle mehr.

"Alle Bekundungen, wie zufrieden alle Seiten mit dem erzielten Ergebnis der Koalitionsverhandlungen seien, sind Schall und Rauch."

Es ist ein hohes Gut unserer Demokratie, dass die Wahl des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin geheim stattfindet. Weshalb man nur mutmaßen kann und vermutlich nie erfahren wird, warum sich mindestens 18 gewählte Volksvertreter:innen heute dagegen entschieden, Friedrich Merz im ersten Wahlgang ihre Stimme zu geben.

Fakt jedoch ist: Es ist ein Debakel. Für Friedrich Merz, aber auch für die ganze, nun auch offiziell bestätigte Regierung.

All die Bekundungen, wie zufrieden alle Seiten mit dem erzielten Ergebnis der Koalitionsverhandlungen seien, sind Schall und Rauch. Noch bevor Merz ein zweites Mal zur Wahl antrat, musste man feststellen, dass auf Deutschland eine Regierung zukommt, die sich der eigenen Mehrheit im Parlament nicht sicher sein kann.

Man konnte das in den Minuten und Stunden nach der verkorksten Wahl schon eindrücklich beobachten: Die CDU und die CSU betonten, dass sie geschlossen hinter der geplanten Regierung stehen. Die SPD betonte, dass sie geschlossen hinter der geplanten Regierung steht. Und in diversen Live-Tickern war zu lesen, dass die Schwarzen nun auf die Roten sauer seien und gleichzeitig die Roten auf die Schwarzen.

Das Misstrauen innerhalb der geplanten Koalition ist jetzt schon nicht mehr zu übersehen. Das kann ja heiter werden in den kommenden vier Jahren.

Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet der sonst so vollmundig polternde Markus Söder am Dienstagmittag vor die Kameras trat, um zu sagen: "Es ist der falsche Zeitpunkt, um zu streiten."

Es war der vielleicht vernünftigste Satz Söders in den vergangenen Monaten. Denn in der Tat sind Merz' Blamage und die daraus erwachsenden Probleme zu groß, um sich nun mit endlosen Debatten aufzuhalten.

Merz mag am heutigen Tag wie das seltsamste Meme wirken, das jemals Bundeskanzler werden wollte. Doch die Lage ist zu ernst für Hohn, Spott oder wilde Debatten.

Debakel für Friedrich Merz: Die Reaktion von Olaf Scholz spricht Bände

Das war heute auch daran zu erkennen, wie bemerkenswert staatstragend und ernst Wortführer:innen von den Grünen und der Linken auf das überraschende Ergebnis reagierten und wie schnell sie den Weg für einen zweiten Wahlgang freimachten. Man kann Friedrich Merz für die falsche Wahl für Deutschland halten. Doch inhaltliche Kritik rückte heute in den Hintergrund, da es plötzlich um etwas Grundsätzlicheres ging.

So grundsätzlich, dass Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz laut eines Reporters des "Stern" einem Reporter den Vogel gezeigt haben soll, als dieser ihn fragte, ob er sich über Merz' Scheitern freue.

Scholz war mit ungläubiger Miene und sichtbarem Kopfschütteln nach der Verkündung des Wahlergebnisses durchs Plenum gelaufen. Und brachte damit zum Ausdruck, was alle wissen: Man kann Merz kritisieren. Aber ihn nicht zu wählen, machte die Lage nicht besser.

Deutschland brauchte dringend wieder eine handlungsfähige Regierung. Die Probleme in diesem Land und in dieser Welt werden nicht kleiner, auch wenn es zum Teil andere sind als jene, die Merz gerne in den Mittelpunkt rückt.

"Das ist neues Futter für die AfD. Und damit ein Debakel für unser Land."

Eines davon ist der ungebremste Rechtsruck inklusive einer Umfrage, in der die AfD zwischenzeitlich die Union überholt hatte. Jene AfD, die seit vergangener Woche nun auch offiziell gesichert rechtsextremistisch ist. Die fand es selbstredend prima, dass Merz nicht wie geplant zum Bundeskanzler gewählt wurde. Und Alice Weidel war sich natürlich nicht zu blöd, sofort nach Neuwahlen zu krähen.

Seit knapp einer Woche ist in Deutschland die Debatte wieder entbrannt, ob man ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD einleiten sollte. Auffällig war, wer sich am deutlichsten dagegen aussprach: Vertreter:innen der Union, die inhaltlich eher weit rechts stehen.

Der designierte CSU-Innenminister Alexander Dobdrindt sagte: "Ich bin der Überzeugung, man muss die AfD nicht wegverbieten, man muss sie wegregieren." Noch vor der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler musste man ernsthaft anzweifeln, dass die (vermeintlich) neue Bundesregierung dazu in der Lage ist. Das ist neues Futter für die AfD. Und damit ein Debakel für unser Land.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde nach der gescheiterten Wahl veröffentlicht und nach der erfolgreichen Wahl an einigen Stellen angepasst.

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