In Florida ist Republikaner Ron DeSantis mit seiner "Anti-woke"-Agenda auf der Erfolgsspur. Mit diesem politischen Kurs könnte er den Sprung ins Weiße Haus wagen. Bild: IMAGO/ZUMA Wire / Brian Cahn
Analyse
Traut er sich oder nicht?
Die Augen sind wohl derzeit vor allem auf einen Republikaner in den USA gerichtet. Und nein, diesmal ist es nicht Ex-Präsident Donald Trump. Der hat die Katze bereits aus dem Sack gelassen und seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 verkündet. Nun bleibt es spannend, wer sich aus den Reihen der Republikaner gegen ihn aufstellt.
Eine Republikanerin hat den Schritt schon gewagt: Nikki Haley wirft den Hut in den Ring. Laut Expert:innen hat das politische Leichtgewicht Haley allerdings wenig Chancen gegen Trump. Viel mehr liegt das Augenmerk auf dem Gouverneur in Florida: Ron DeSantis. Der auch als "Trump mit Hirn" bekannte Republikaner lässt die Gerüchteküche dampfen, ob er als Präsidentschaftskandidat antritt.
Zwischen Ron DeSantis und Donald Trump könnten stürmische Zeiten aufziehen.Bild: AP / Evan Vucci
DeSantis kann mit Unterstützung der Republikaner rechnen
"Dass er so offensichtlich sondiert, zeigt, dass er eine Kandidatur ernsthaft erwägt", sagt USA-Experte Thomas Greven auf watson-Anfrage. Ihm zufolge testet DeSantis seine Möglichkeiten aus. Statt sich Trump und dessen Anhängern direkt beim CPAC, der US-amerikanischen Konservativen-Konferenz, zu stellen, suche er hinter den Kulissen nach (Groß-)Spendern und Amtsträgern, die ihn öffentlich unterstützen würden.
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Anscheinend mit Erfolg, meint der Politikwissenschaftler von der FU Berlin und Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Er sagt:
"Erstaunlich viele Amtsträger, die dem Trump-Lager zuzuordnen sind, halten sich derzeit mit öffentlicher Unterstützung für diesen zurück – mutmaßlich, weil sie überlegen, gegebenenfalls DeSantis zu unterstützen."
Auch die kürzliche Buchveröffentlichung DeSantis' "Courage to Be Free" heizt die Gerüchte weiter an. Denn: Oft bringen Politiker:innen noch ein Buch heraus, bevor sie für die Präsidentschaftswahl antreten. Hat der Republikaner "the courage to be president?" – den Mut, sich der Präsidentschaftswahl zu stellen?
"Er liegt gut im Rennen, aber eine Ankündigung ist noch nicht nötig", sagt der Politologe Andrew Denison gegenüber watson.
US-Experte: DeSantis bringt mehr Wirbel als Wandel
Spekulationen sorgen für mehr Schlagzeilen, meint der Direktor von "Transatlantic Networks". DeSantis wisse gut, mit den tradierten Feindbildern der republikanischen Basis zu hantieren. Dabei gehe er laut Denison immer wieder an den Rand des Akzeptablen, aber in der Umsetzung sei er eher inkonsequent. Mehr Wirbel als Wandel.
Doch dieser Wirbel wirkt offenbar. Sein Ass im Ärmel für zahlreiche Wählerstimmen ist wohl sein selbst ausgerufener Krieg gegen die "woke" Welt.
Ron DeSantis ruft den Krieg gegen "Wokeness" aus. Bild: imago / Joe Burbank
DeSantis ruft Krieg gegen die "woke" Welt auf
"Florida is where 'woke' goes to die", verkündete DeSantis unter dem Applaus der Menge. In seiner Rede zum Gouverneur-Wahlsieg im November rief DeSantis regelrecht zum Kreuzzug gegen alles auf, was 'woke' ist.
"Wir lehnen die 'woke' Ideologie ab", sagte er. Florida bekämpfe sie in den Schulen und Konzernen. Der Sunshine State werde sich niemals dem "woken Mob" ergeben. Diesem Kampf hat sich DeSantis offenbar voll und ganz verschrieben.
In der Sendung "Life Liberty und Levin" von dem konservativen Nachrichtensender Fox News erklärte DeSantis, warum er im Kulturkrieg in die Offensive geht. "In den vergangenen Jahren hat der Staat Florida wirklich Freiheit in den USA repräsentiert", sagte er. Viele Leute würden aus den "gescheiterten Staaten" der linken Politik nach Florida ziehen.
Oft bekommt er von den Leuten zu hören: "Ich wünschte, unser Land würde so wie Florida handeln." Mit anderen Worten: DeSantis, zieh ins Weiße Haus und regiere die USA wie Florida? Laut Denison denken die Menschen in Florida, ihr Staat ist die USA. Allerdings sind sie "zu glatt, wie geleckt", meint der aus Wyoming stammende Amerikaner. Und sie teilen offensichtlich DeSantis Abscheu vor "Wokeness".
DeSantis' faschistische Vibes mit gefährlichem Potenzial
DeSantis treibt seine "Anti-woke"-Agenda vor allem im Bildungswesen voran. Mit dem "Don't Say Gay"-Gesetz verbannt er die Aufklärung über Homosexualität an Schulen. Das Schulfach "African American Studies" verschwindet an den Highschools. Es behandelt die Geschichte und Kultur von Afroamerikaner:innen. Laut Bericht der britischen Zeitung "Independent", verstößt der Kurs gegen geltendes Recht und "es fehle ihm erheblich an pädagogischem Wert".
Ron DeSantis unterzeichnet das "Don't Say Gay"-Gesetz im März 2022.Bild: ap / Douglas R. Clifford
DeSantis' Bildungsgesetz könnte etwa auch Gender Studies und Diversity-Programme an Universitäten in Florida verbieten, berichtet das US-amerikanische Magazin "Time". Fächer in "Critical Race Theory" und Gender Studies würden der Vergangenheit angehören.
Der Kulturkampf von DeSantis hinterlässt auch zunehmend Spuren in Floridas Bibliotheken. Videos von leeren Bücherregalen gehen viral: Alles, was "woke" versprüht, muss offenbar raus. Aber Beweise sollen anscheinend nicht in die Öffentlichkeit dringen.
Nach Video-Post verliert Lehrer in Florida seinen Job
Laut des Journalisten Judd Legum wurde ein Lehrer aus Florida entlassen, nachdem er ein Video von leeren Bücherregalen gepostet hatte. DeSantis habe den Inhalt als "gefälschte Erzählung" bezeichnet. Zur gleichen Zeit waren Lehrer:innen in Florida aufgerufen, Bücher in öffentlichen Schulen zu entfernen oder abzudecken, um den neuen staatlichen Gesetzen zu entsprechen.
DeSantis' Florida nimmt demnach wohl die freie Meinungsäußerung in die Zange. Denn es geht munter weiter: Blogger:innen, die über DeSantis und andere Gesetzgeber schreiben, sollen sich in Zukunft erst beim Staat registrieren. Der Gesetzentwurf des republikanischen Senators Jason Brodeur verlangt zudem von Blogger:innen, ihre finanziellen Einnahmen offenzulegen.
"Eindeutig verfassungswidrig", schreibt der US-amerikanische Journalist Richard Stengel auf Twitter. Es schränke die Pressefreiheit ein und ermögliche die Inhaftierung von Personen, die Kritik gegen die Regierung üben.
"Mit diesen die Basis mobilisierenden Ablenkungsmanövern liegt DeSantis voll im Trend der Politik der Republikaner seit vielen Jahren", meint Greven. Abgelenkt werde von der Tatsache, dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Republikaner für die große Mehrheit der Amerikaner:innen nachteilig ist.
DeSantis habe diese Strategie nicht erfunden, spitze sie nur ins Extreme zu. "Bis hin zur Konfrontation mit großen Unternehmen, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre", sagt der Experte. So legt sich DeSantis auch mit einem der größten privaten Arbeitgeber des Bundesstaates an: Disney World.
Disney World zieht jährliche Millionen Besucher:innen nach Florida.Bild: AP / Ted Shaffrey
Gouverneur weist "woken" Disney-Konzern in die Schranken
"Ein neuer Sheriff ist in der Stadt", lautet die Botschaft von DeSantis an den Disney-Konzern. Der weltbekannte Freizeitpark in Florida hatte sich öffentlich gegen das umstrittene "Don't Say Gay"-Gesetz ausgesprochen. Die liberale Haltung des Konzerns ist DeSantis wohl ein Dorn im Auge.
Nach einer monatelangen Fehde weist DeSantis den Freizeitpark in die Schranken und entzieht ihm die Eigenverwaltung. Mehr als 50 Jahre war er als eigener Bezirk durch den Disney-Konzern selbstverwaltet. Nun kontrolliert ein neues Aufsichtsgremium den Sondersteuerbezirk von Disney.
Ron DeSantis entzieht Disney World die Eigenverwaltung.Bild: IMAGO/ZUMA Wire / Brian Cahn
Mit an Board der Anti-LGBTQ-Pastor Ron Peri. Er ist bekannt für seine abfälligen Bemerkungen über Homosexuelle, nennt sie etwa "böse". Dazu hält er an der unbewiesenen Verschwörungstheorie fest, dass Männer durch Östrogen angereichertes Leitungswasser schwul werden.
Noch ist Trump seinem Konkurrenten überlegen
Kann DeSantis mit seiner radikalen "Anti-woke"-Agenda Trump übertrumpfen im Kampf um das Weiße Haus? Laut Greven spreche noch immer einiges dagegen.
Greven zufolge weiß DeSantis, dass ihm Trump etwa in Debatten überlegen ist. Auch sei der harte Kern von Trumps Unterstützern an der Basis diesem so ergeben, dass er nach "winner takes all"-Regeln immer noch gewinnen könnte. "Da DeSantis noch jung genug ist, kann er auch bis 2028 warten", meint der Politikwissenschaftler.