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Russland: Krim-Brücke im Visier der Ukraine – was ein Angriff für Putin bedeutet

RUSSIA - DECEMBER 5, 2022: Russia s President Vladimir Putin R visits a bridge linking Crimea to mainland Russia after it was repaired following the October 8 explosion. Mikhail Metzel/POOL/TASS PUBLI ...
Der russische Präsident Wladimir Putin begutachtet die reparierte Krim-Brücke, nach einem erfolgreichen Ukraine-Angriff.Bild: imago images / Mikhail Metzel
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Russland: Krim-Brücke im Visier der Ukraine – was ein Angriff für Putin bedeuten würde

09.05.2024, 08:22
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Stolz sitzt der Kreml-Chef Wladimir Putin in einem quietsch-orangefarbenen Bauarbeiter-Truck. Links und rechts auf den Außenspiegeln flattern wild zwei russische Fahnen. Es ist ein windiger, aber wolkenloser Tag, als Putin über die nagelneue Krim-Brücke fährt.

Im Jahr 2018 weihte der russische Machthaber höchstpersönlich die umstrittene Brücke ein: Sie ist die einzige Verbindung zwischen dem russischen Festland und der von Russland besetzten Krim. Sie gilt als ein Prestigeprojekt mit hoher Symbolkraft, das den russischen Anspruch auf die ukrainische Halbinsel festigen soll.

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2018 eröffnete Kreml-Chef Wladimir Putin die Krim-Brücke höchstpersönlich.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Alexei Druzhinin

Zum Hintergrund: Seit Frühjahr 2014 liegt die Krim in den Händen der Russen, nachdem das Land die Insel völkerrechtswidrig besetzt und annektiert hatte. Seither baut der Kreml die Krim zu einer regelrechten militärischen Festung um.

Dennoch konnte die Ukraine die Krim-Brücke, auch als Kertsch-Brücke bekannt, erfolgreich angreifen. Die Gerüchte häufen sich, dass die ukrainischen Einheiten in Zukunft eine größere Aktion planen: die komplette Zerstörung der Brücke.

Ukraine will Krim-Brücke wohl zum Einsturz bringen – ist das möglich?

Laut Konfliktbeobachter Nikita Gerasimov wird die Ukraine zu 100 Prozent einen weiteren Angriff versuchen. "Zu verhasst ist die Brücke in Kiew, die DAS physische Symbol für die Angliederung der Krim an Russland vor zehn Jahren ist", sagt der Experte von der Freien Universität Berlin auf watson-Anfrage.

Krim-Brücke Anschlag 8. Oktober 2022
Im Oktober 2022 griff die Ukraine die Krim-Brücke erfolgreich an.Bild: imago images / SNA

Die bisher zwei erfolgreichen Angriffe der Ukraine haben gezeigt: Die Krim-Brücke ist angreifbar, aber die Konstruktion sehr solide. "Selbst große Schäden konnten innerhalb weniger Monate behoben werden. Genau deshalb wird Kiew nun vermutlich massive Ressourcen dafür akkumulieren, einen so schweren Angriff auszuführen, dass die Brücke dennoch komplett einstürzt", prognostiziert Gerasimov.

Dafür werde sich die Ukraine laut ihm einen symbolträchtigen Tag aussuchen, wie etwa den 9. Mai, der "Tag des Sieges" in Russland. Laut Gerasimov steht fest: Die Frage ist nicht "ob", sondern "wann" sich der Angriffsversuch ereignen wird.

"Allerdings gibt es eine erhebliche militärische Infrastruktur zum Schutz der Kertsch-Brücke", sagt Osteuropa-Experte Andreas Umland auf watson-Anfrage. Zwar sei die Bedeutung der Brücke als Nachschubweg für die russische Armee seit Beginn des Jahres deutlich gesunken, "jedoch ist die symbolische Bedeutung des Bauwerks für Putin und sein Regime hoch", führt der Analyst des Stockholm Centre for Eastern European Studies aus.

Einsturz der Krim-Brücke wäre Blamage für Putin

Laut Umland wäre es eine enorme Blamage für den Kreml, gelänge es der Ukraine, die Brücke unbrauchbar zu schießen oder gar zum Einsturz zu bringen. Daher werde Moskau alles tun, um einen solchen Angriff zu vermeiden beziehungsweise abzuwehren. "Es gibt nun gar Andeutungen, dass Russland als Antwort auf den Angriff auf die Brücke mit einem Einsatz taktischer Atomwaffen droht", sagt Umland.

Dass ein Angriff wirklich zu einem Kollaps der Konstruktion führen könnte, bezweifelt Gerasimov. Die Brücke sei so solide gebaut, dass Unmengen an Sprengkraft vonnöten wären. Alles andere, wie bei den beiden früheren Angriffen, wird Russland laut ihm schnell beheben können.

Auch Gerasimov weist darauf hin, wie massiv der Kreml die Brücke in den vergangenen Monaten befestigt habe – zu offensichtlich und symbolträchtig sei das Ziel. "Demnach besitzt die Brücke eigene Luft- und Seeabwehr, angeblich patrouillieren sogar Kampftaucher sowie Kampfdelfine die Brückenpfeiler", sagt er.

Ein Totalschaden für die Brücke ist unter diesen Umständen Gerasimov zufolge eher schwer vorstellbar. Dabei erhält die Ukraine doch jetzt die vielgepriesenen ATACMS-Raketen von den USA.

"Bislang war es so, dass nur die Taurus-Marschflugkörper als zur Zerstörung der Brücke tauglich galten"
Osteuropa-Experte Andreas Umland

Krim-Brücke: ATACMS-Raketen laut Experte kein "Game-Changer"

Die Buchstaben ATACMS stehen für "Army Tactical Missile System" – also taktisches Raketensystem der Armee. Dabei handelt es sich um ballistische Kurzstreckenraketen, die bis zu 50 Kilometer in die Höhe steigen und dann wieder auf die Erde abstürzen. Ihre Reichweite beträgt bis zu 300 Kilometer.

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Eine Waffe, die der Krim-Brücke gefährlich nahekommt. "Allerdings stellt sich die Frage, ob die Kraft der Sprengköpfe der amerikanischen Raketen solch einen Angriff sinnvoll macht", meint Umland. Seinem Verständnis nach ist es so, dass die Ukraine die Taurus-Marschflugkörper für die Zerstörung der Kertsch-Brücke erbeten habe.

"Bislang war es so, dass nur die Taurus-Marschflugkörper als zur Zerstörung der Brücke tauglich galten", sagt Umland. Womöglich sei dies auch der Grund für die Entscheidung der Bundesregierung, die Lieferung dieser deutschen Waffen an die Ukraine zurückzuhalten. Umland könnte sich vorstellen, dass der Kreml für diesen Fall Berlin mit einer Art "Vergeltung" gedroht habe.

Gerasimov sieht in den ATACMS-Raketen ebenfalls keinen "Game Changer" für den Angriff auf die Krim-Brücke oder für den Krieg allgemein. Andere Waffensysteme wie etwa die Marschflugkörper Storm Shadow/Scalp oder HiMARS hätten laut ihm vielmehr das Potenzial dazu gehabt. Aber auch sie konnten den Kriegsverlauf nicht drehen.

"Der Kreml wird den Angriff für sich medial ausschlachten"
Konfliktbeobachter Nikita Gerasimov

Zudem bringe die Zerstörung der Krim-Brücke ohnehin keine gravierenden Vorteile für die Ukraine.

Krim-Brücke: Hohe Symbolkraft, aber wenig Bedeutung für Kriegsverlauf

"Die Brücke hat logistisch gesehen eine sinkende Bedeutung für den Kriegsverlauf. Selbst wenn die Brücke komplett vernichtet wird, würde dies kaum eine Änderung für das Kriegsgeschehen bringen", sagt der Konfliktbeobachter.

Die russische Armeegruppierung an der Front werde über Land versorgt. Die zivile Versorgung der Krim würde auf Fährentransport umstellen, wie es schon vor der Indienststellung der Brücke ablief, führt Gerasimov aus.

"Rein symbolisch und medial wäre es ein Schlag, mehr aber auch nicht", lautet sein Fazit.

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Im Dezember 2022 begutachtet Putin (2.v.l.) die Reparaturen an der Krim-Brücke. Bild: imago images / mikhail metzel

Gerade jetzt, nach Putins Inauguration zur fünften Amtszeit, sei seine Macht in Russland fester denn je. Selbst eine Komplettzerstörung der Brücke würde laut Gerasimov nichts daran ändern. Im Gegenteil: "Der Kreml wird den Angriff für sich medial ausschlachten und es so darstellen, dass die Ukraine gezielt zivile Ziele angreift – was eine Brücke genau genommen ist."

Putin werde es als eine weitere Rechtfertigung für sein Vorgehen und womöglich auch als Vorwand für eine weitere Eskalation der Kampfhandlungen nutzen. Umland weist hingegen darauf hin, dass eine Zerstörung der Krim-Brücke durchaus problematisch für das Image Putins innerhalb Russlands wäre.

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