Etwa 70 Prozent der Erdoberfläche besteht aus Wasser, allerdings sind weniger als drei Prozent davon trinkbares Süßwasser. Dazu ist diese wertvolle Ressource sehr ungleich verteilt.
1985 ging ein Satz durch die Welt: "Die Kriege der Zukunft finden ums Wasser statt." Es waren die Worte von Boutros Boutros-Ghali, damals ägyptischer Diplomat und später UN-Generalsekretär. Beinahe 40 Jahre später – angesichts der zunehmend spürbaren Folgen der Klimakrise – stellt sich die Frage: Sollte er Recht behalten?
"Die Lage ist sehr divers, und in den letzten Jahrzehnten wurde eine deutliche Zunahme von Wasserkonflikten verzeichnet", erklärt Geograf Dieter Gerten auf eine watson-Anfrage. Er ist Professor für Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zudem leitet er die Forschungsgruppe "Planetary Opportunities und Planetary Boundaries" am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Laut Gerten gibt es derzeit ganz verschiedene Arten und Schweregrade von Wasserkonflikten:
Wasser verschärfe bereits bestehende Konflikte, meint Wissenschaftlerin Martina Klimes für "Wasser und Frieden" am Stockholm International Water Institute. "Gerade in bereits instabilen Ländern kann die knappe Ressource Wasser eskalierend wirken", sagt sie im watson-Gespräch. Sie betont dabei, dass die Lage äußerst komplex sei. Der Faktor Wasser spiele keine alleinige Rolle, sondern das Zusammenkommen vieler Umstände auf einmal.
"Etwa in Syrien sprach man oft davon, dass die Dürre, den Bürgerkrieg 2011 losgetreten hätte. So einfach ist das allerdings nicht", sagt Klimes. Klar sei jedoch, dass Wasserkrisen besonders Länder hart treffe, die sich auf Agrarwirtschaft stützen. Sie führt aus:
Gerade Afrika und der Nahe Osten seien etwa Regionen, wo der Klimawandel den natürlichen chronischen Wassermangel noch weiter verschärfe, sagt Gerten. Damit eben auch die Wahrscheinlichkeit von wasserbezogenen Konflikten. Die Expert:innen betonen, wie wichtig hier die Zusammenarbeit zwischen betroffenen Ländern und Gruppen sei. Einschließlich der Nutzung aller Möglichkeiten nachhaltiger Wassernutzung.
Gerten erwähnt zudem, dass einige Länder vom sogenannten "virtuellen Wasserhandel" abhängig seien, also dem Import von Waren, für deren Erzeugung in den Ländern selbst kein Wasser benötigt wird. Dies sorge im Idealfall für einen "unsichtbaren" Ausgleich von Wasserungleichheiten und trage zur Reduzierung von Wasserkonflikten bei.
"Man muss also einen sehr umfassenden Blick auf Wasserknappheiten und -konflikte haben, sich vor allzu simplen Erklärungen und Vorschlägen hüten", sagt er. Die viel zitierte Warnung von Boutros-Ghali hatte sich jedenfalls als Fehleinschätzung entpuppt.
Denn: Einen echten Krieg nur um Wasser habe es bis heute nicht gegeben. Gerten und Klimes geben Entwarnung: Laut ihnen ist solch ein Szenario auch in der Zukunft unwahrscheinlich. Gerten führt aus:
Laut ihm war Boutros-Ghalis Warnung damals eine Art Weckruf. Heute gelte aber eher die Aussage des derzeitigen UN-Generalsekretärs António Guterres. Zum Weltwassertag 2023 sprach er von einem "vampirhaftem Überkonsum" der Wasserressourcen durch die Menschheit, den wir zügeln müssen.
"Wie wir lokal handeln, hat auch Folgen für andere Länder", sagt Klimes. Als Beispiel nennt sie die Textilienindustrie, die viel Wasser schluckt, vor allem durch Fast Fashion. Dabei denkt sie etwa an Länder wie Bangladesch, wo Jeanshosen produziert werden.
Laut Recherche schluckt die Produktion einer Jeans etwa 8000 Liter Wasser. Grund für den extrem hohen Verbrauch ist der wasserintensive Anbau von Baumwolle. Welche Folgen das haben kann, zeigt etwa die jahrzehntelange Misswirtschaft in Zentralasien während der Sowjetunion.
"Moskau sah damals in Zentralasien den 'Brotkorb der Sowjetunion', man baute Getreide und eben auch Baumwolle an, was viel Wasser verbrauchte", sagt Barbara Janusz-Pawletta von der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty auf watson-Anfrage. Dort leitet sie den Masterstudiengangs "Integrated Water Resources Management" und hat den Unesco-Lehrstuhl für Wasserwirtschaft in Zentralasien inne.
Diese ineffiziente Nutzung der Wasserressourcen blieb nicht folgenlos. "Nach 60 Jahren Misswirtschaft hat etwa der Aralsee mehr als 90 Prozent seines Wasservolumens verloren", sagt sie. Dabei war er der viertgrößte See der Erde, ein katastrophaler Verlust für Umwelt und Wirtschaft vor Ort.
Laut Janusz-Pawletta ist Zentralasien eine aufstrebende Region: Die Bevölkerung wachse, die Industrialisierung nehme zu und all das heißt: Erhöhter Wasserbedarf – und das in Zeiten steigender Temperaturen und schrumpfendem Gletschereis, das größtenteils die Region mit Wasser versorgt.
"Gleichzeitig befinden sich die zentralasiatischen Regierungen nach 30 Jahren Unabhängigkeit von der Sowjetunion noch immer im Prozess, ihre Staatlichkeit zu festigen", sagt Janusz-Pawletta. All das biete Potential für Spannungen, aber das Wort "Konflikt" möchte sie ungern in den Mund nehmen.
Als Beispiel nennt sie den Rogun-Staudamm in Tadschikistan, der viele Jahre lang für Probleme mit dem Nachbarland Usbekistan sorgte. In den vergangenen Jahren habe sich Usbekistan aber bereiterklärt, an der Planung und dem Bau des Staudamms mitzuwirken – das sei ein positives Signal. Wasser könne demnach auch ein Antrieb für Kooperation sein.
Wasserkonflikte können zu vielen Arten von Kooperationen führen, meint Klimes. Am Ende führe eine Zusammenarbeit wohl zu mehr verfügbarem Wasser für die betroffenen Akteure, als wenn sie sich bekriegen würden. Das zeige etwa auch der Wasser-Deal zwischen Jordanien und Israel. Das von Dürren schwer betroffene Jordanien soll in Zukunft Solarstrom liefern und bekommt im Gegenzug entsalztes Trinkwasser aus Israel. Ein Konzept, das wohl auch in Südeuropa Realität werden könnte.
Laut Gerten dürfte hier das steigende Dürrenrisiko die bereits schwelenden Konflikte zwischen verschiedenen Nutzern verstärken: Wer bekommt das begrenzt vorhandene Wasser für welchen Zweck? Wie können die Gewässerökosysteme geschützt werden? Welcher menschliche Bedarf kann reduziert werden?
"Dafür braucht es ein entsprechendes Bewusstsein, demokratische Debatten und gemeinschaftlich ausgehandelte Regeln, wie es sie auf Länder- und europäischer Ebene teilweise schon gibt", sagt er. Das sei zumindest ein besseres strategisches Vorgehen als die Situation in Konflikte ausarten zu lassen.
Doch Klimes zeigt sich optimistisch. Laut ihr gebe es in Europa Systeme und Richtlinien, um im Falle von Wasserkonflikten friedliche Lösungen zu finden. Es könnte durchaus Streiks und Proteste geben, aber keine gewaltsamen Konflikte.