Ronald Reagan war von 1981 bis 1989 der 40. Präsident der Vereinigten Staaten. Bild: AP / Barry Thumma
Analyse
Donald Trump ist zu chaotisch, Ron DeSantis zu arrogant: Die amerikanische Business-Gemeinde sieht sich nach Alternativen um.
Philipp Löpfe / watson.ch
Die Heritage Foundation ist der konservative Think-Tank der Wirtschaft und die Lobby der Republikanischen Partei. Brian Darling ist einer der führenden Köpfe dieser Organisation. Deshalb lässt es aufhorchen, wenn er gegenüber der "Financial Times" zu Protokoll gibt: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn jemand ins Rennen steigen würde, der nicht die Absicht hat, Trump in Wirtschaftsfragen zu übertrumpfen. Jemand wie einst Reagan, der den freien Markt lobt, und der es nicht darauf anlegt, Big Business zu verteufeln."
Viel klarer kann man kaum ausdrücken, dass man innerhalb der Business-Gemeinde Ron DeSantis nicht mag.
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Dass ausgerechnet die wichtigste Denkfabrik des Business auf Distanz zum Gouverneur aus Florida geht, hat sich dieser selbst zuzuschreiben. Im Bemühen, den kleinen Mann für sich zu gewinnen, legt er sich immer offener mit Corporate America Inc. an, so etwa mit der Disney Corporation, dem größten Unternehmen im Sunshine State und dem zentralen Pfeiler seiner Tourismus-Industrie.
Das Magic Kingdom in Florida ist der Traum aller amerikanischen Kinder.Bild: AP / John Raoux
Während DeSantis im Konflikt mit Mickey Mouse einmal mehr bewiesen hat, dass er dünnhäutig und kleinkrämerisch ist, muss Donald Trump gar nichts mehr beweisen. Alle wissen mittlerweile, dass er lügt, dass sich die Balken biegen, dass er nur auf seine eigenen Interessen schaut und dass er unfähig ist, so etwas wie eine Strategie auch nur fünf Minuten durchzuhalten. Das macht ihn auch für die Business-Gemeinde zu einem Problem. Nichts hassen Unternehmer und Manager mehr als Unberechenbarkeit, und Trump ist Unberechenbarkeit auf Stelzen.
Die aussichtsreichsten Vertreter der GOP sind für die Business-Gemeinde alles andere als attraktive Bräute. Beide weisen gravierende Defizite auf. Trump wird wohl niemals sein Big-Lie-Trauma überwinden, und mit Jammer über die Vergangenheit lässt sich eine Wahl schlecht gewinnen. Dazu steckt er bis zum Hals in juristischen Problemen.
In Manhattan ist der Ex-Präsident bereits angeklagt. Mit größter Wahrscheinlichkeit werden noch mindestens zwei weitere Anklagen folgen, die eine im Bundesstaat Georgia wegen versuchter Wahlmanipulation, die andere in Washington wegen der Geheimdokumenten-Affäre. Unter diesen Umständen eine erfolgreiche Wahlkampagne zu führen, ist nicht ganz einfach.
Donald Trump steckt wegen mehrerer Skandale auch juristisch in der Klemme.Bild: AP / Evan Vucci
DeSantis hat sich derweil mit seinem Mega-Flop mit der Twitter-Ankündigung bis auf die Knochen blamiert und damit seinen Ruf als erfolgreicher Macher beschädigt. Zudem tritt immer deutlicher zutage, was die Amerikanerinnen ein "Likability-Problem" nennen. Deutsch und vulgär ausgedrückt: Er ist ein unsympathisches A…loch.
Streit zwischen Trump und DeSantis eskaliert
Mit Sorge beobachtet die Business-Gemeinschaft auch, dass der Zweikampf zwischen Trump und DeSantis immer hässlicher und bizarrer wird. DeSantis kann sich inzwischen dazu durchringen, Trump direkt anzugreifen. Der Ex-Präsident sei im Begriff, nach links abzudriften, erklärte der Gouverneur aus Florida kürzlich in einem Interview mit Ben Shapiro, einem sehr rechten Ideologen.
Trump habe zudem in seiner Amtszeit ein Gesetz erlassen, das ermöglicht, dass Verbrecher aus Gefängnissen entlassen werden. Und vor allem habe Trump Dr. Anthony Fauci und dessen fatale Covid-Politik gestützt.
Trumps Antwort folgte postwendend. Die Covid-Politik von DeSantis sei eine Katastrophe gewesen, führte er auf Truth Social, seiner Social-Media-Plattform, aus. Selbst Andrew Cuomo, der damalige Gouverneur von New York, habe einen besseren Job gemacht.
Vom immer dreckiger werdenden Streit der beiden führenden Kandidaten der GOP profitiert selbstredend Joe Biden. Dem Präsidenten ist es soeben gelungen, einen Deal im Streit über die Schuldenobergrenze abzuschließen, der wahrscheinlich auch vom Kongress genehmigt werden wird.
Joe Biden – der Erwachsene im Raum
Dass er dabei den linken Flügel seiner Partei verärgert hat, dürfte für ihn nicht weiter schlimm sein. Die Zugeständnisse, die Biden machen musste, sind unbedeutend und werden bald vergessen sein. In Erinnerung bleiben wird jedoch, dass es Biden gelingt, in entscheidenden Momenten der Erwachsene im Raum zu sein und die Nation vor großem Schaden zu bewahren.
Ein Reagan-Klon lässt sich nicht so leicht aus dem Ärmel schütteln. Was also hat die Business-Gemeinde für Alternativen? Am meisten genannt werden zwei Namen: Glenn Youngkin und Brian Kemp. Beide wollen bisher nichts davon wissen, ins Rennen ums Weiße Haus einzusteigen. Aber es bleibt ja noch Zeit.
Auf ihn setzt die Business-Gemeinde: Glenn Youngkin.Bild: AP / Eugene Hoshiko
Youngkin ist ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann, der mit der Private-Equity-Firma Carlyle ein Vermögen verdient hat. Vor rund zwei Jahren gewann er überraschend die Wahl zum Gouverneur von Virginia, einem zunehmend zu den Demokraten neigenden Südstaat. Youngkins Erfolg ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass es ihm gelungen war, sich im Wahlkampf Trump vom Hals zu halten.
Bisher ziert er sich jedoch. Er wolle sich auf Virginia konzentrieren, erklärt er stoisch auf die Fragen nach seinen Präsidentschafts-Ambitionen.
Bei den Konservativen beliebt: Brian Kemp.Bild: AP / Brynn Anderson
Brian Kemp ist ebenfalls Gouverneur, im Bundesstaat Georgia. Er hat sich landesweit einen Namen geschaffen, weil er sich geweigert hat, Trumps Drängen nach einer Wiederholung der Wahlen 2020 nachzugeben. Damit hat er sich den lebenslangen Hass des Ex-Präsidenten eingehandelt, doch die Konservativen lieben ihn trotzdem. Auch Kemp will jedoch – zumindest offiziell – nichts von einer Kandidatur wissen.
Als weitere Ersatz-Reagan-Kandidaten werden gehandelt: Chris Sununu, Gouverneur von New Hampshire. Sununu ist ein erfolgreicher Pragmatiker und Never-Trumper. Er hat den Ex-Präsidenten mehrmals direkt angegriffen und will auf jeden Fall verhindern, dass dieser nochmals ins Weiße Haus einzieht. Auch Chris Christie, der Ex-Gouverneur von New Jersey, verfolgt diese Strategie. Er hat dabei jedoch das Handicap, dass er lange ein enger Kumpel von Trump war.
Chris Sununu ist einer der wenigen Republikaner, der sich von Beginn an gegen Trump aussprach.Bild: AP / John Locher
Was die Kandidaten betrifft, die ihre Kandidatur bereits angekündigt haben, macht man sich in der Business-Gemeinde keine Hoffnungen. Alle dümpeln bei Meinungsumfragen im einstelligen Bereich herum. Bei Nikki Haley und Tim Scott geht man ohnehin davon aus, dass sie sich mit ihrer Kandidatur primär eine Chance auf den Posten des Vize-Präsidenten ausrechnen.
Sei’s drum: Bisher sieht es nicht so aus, als ob es gelingen könnte, einen Nachfolger für den Gipper – so Reagans Übername – zu finden. Alles deutet darauf hin, dass sich die Amerikaner auf etwas einstellen müssen, was sie eigentlich nicht wollen: auf ein Replay des Duells Trump gegen Biden.